| # taz.de -- Bürgermeisterwahl in New York: Der Anti-Trump | |
| > Zohran Mamdani ist jung, muslimisch, sozialistisch. Wie hat der frisch | |
| > gekürte Bürgermeisterkandidat der Demokraten die New Yorker von sich | |
| > überzeugt? | |
| Bild: Mann auf der Straße: Zohran Mamdani bei einem Protest gegen Trumps Absch… | |
| Ricky Silver ist schon leicht angetrunken, als er im Brickyard, einer | |
| Bierkneipe im New Yorker Finanzdistrikt, auf einen Tisch klettert. Man | |
| macht sich für einen kleinen Augenblick Sorgen um den Bezirksvorsitzenden | |
| der Working Families Party. Doch bald hat er festen Stand gefunden und | |
| übertönt, Ärmel hochgekrempelt und Schweiß auf der Stirn, mit seiner | |
| durchdringenden Stimme mühelos die Musik aus der Jukebox. | |
| „Ich glaube, so viel Freude wie in der vergangenen Woche haben wir in der | |
| linken Politik schon lange nicht mehr verspürt“, ruft er in den Raum und | |
| erntet ein lautes Johlen der Menge. An den Bänken ringsherum sitzen mehrere | |
| Dutzend Mitglieder der Partei, einer jener zahlreichen progressiven | |
| politischen Gruppen der Stadt, die mit unermüdlicher Freiwilligenarbeit in | |
| den vergangenen Monaten Zohran Mamdani zur Bürgermeisterkandidatur der | |
| Demokratischen Partei verholfen haben. „Und genau darum ging es uns in | |
| diesem Wahlkampf: um Freude, positives Denken, um Visionen“, sagt Ricky, | |
| Vorsteher der Manhattaner Gruppe der WFP und im Zivilberuf | |
| Lebensmittelvertreter. | |
| Die Freude, von der Ricky spricht, diese Leichtigkeit, gar ein klein wenig | |
| Hoffnung in den trüben Zeiten der Trump-Regierung, liegen im Brickyard | |
| schwer in der Luft. Die Wahl Mamdanis hat die stramm organisierten linken | |
| Truppen von New York, die praktisch über Nacht 60.000 Helfer:innen | |
| mobilisiert hatten, zutiefst beseelt. Die WFP gehört dazu, aber auch | |
| Netzwerke mit Namen wie Indivisible (zu Deutsch: Unteilbar) oder 50501 | |
| (kurz für 50 Proteste, 50 Staaten, eine Stimme). | |
| Und eben auch Mamdanis Partei, die Demokratischen Sozialisten, die wie die | |
| WFP seit vielen Jahren mit Arbeitskraft und einem einflussreichen Netzwerk | |
| progressive Kandidat:innen unterstützen, um diese bei Wahlen auf den | |
| Listen der Demokraten nach vorne zu bringen. Auch [1][Bernie Sanders] und | |
| [2][Alexandria Ocasio-Cortez], der alte linke Kämpfer aus Vermont und die | |
| junge demokratische Abgeordnete aus New York, die gemeinsam mit ihren | |
| „Fight Oligarchy“-Protesten jüngst Zehntausende gegen Trump auf die Straß… | |
| holten, haben davon schon profitiert. | |
| ## Yes, we can: reloaded | |
| Die Ausgelassenheit, die Mamdani ausgelöst hat, ist in diesen Tagen jedoch | |
| nicht nur bei der Siegesfeier der WFP im Brickyard zu spüren. Sie hat von | |
| der ganzen Stadt sowie von Linksliberalen im ganzen Land Besitz ergriffen. | |
| Mamdani hat in den düsteren Zeiten der USA unter Trump, in denen | |
| Nachrichten von [3][Migrantenstraflagern], willkürlichen | |
| Massenabschiebungen und massivem Sozialabbau die Schlagzeilen beherrschen, | |
| den Menschen etwas gegeben, woran sie sich klammern können. | |
| Der junge, indisch-afrikanische Politiker galt noch Tage vor der Vorwahl | |
| der Demokratischen Partei um den Bürgermeisterposten als Außenseiter, | |
| hoffnungslos überpowert vom Ex-Gouverneur Andrew Cuomo und von den | |
| Verbindungen mit der Machtelite der Stadt. Doch sein überraschender Sieg | |
| demonstrierte die Macht der Menge, der einfachen Leute von New York | |
| gegenüber dem Filz des Establishments. Nun gilt er als Spitzenkandidat der | |
| Demokraten bei der Hauptwahl im November als aussichtsreichster Bewerber. | |
| Mamdani ließ sich von Anfang an nicht von der Niedergeschlagenheit | |
| anstecken, die sich nach der Wiederwahl Trumps im Land breitgemacht hatte. | |
| Nur wenige Wochen nach der Wahl im November 2024 startete er seinen eigenen | |
| Bürgermeisterwahlkampf in New York. Dabei verkörperte er mit seinem | |
| erfrischend aufrichtigen Dauerlächeln auf den attraktiven Gesichtszügen vor | |
| allem eines: Die Dinge müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Wir können | |
| anders denken, anders handeln. Was er sagte, war nichts anderes als: Yes, | |
| we can. | |
| Das richtete sich zunächst vor allem an New Yorker, die an ihrer Stadt | |
| verzweifeln. Die Preisexplosion seit Covid hat die ohnehin überteuerte | |
| Stadt für jeden, der kein Wall-Street- oder Googlegehalt einstreicht, | |
| vollkommen unbezahlbar gemacht. Die Miete kostet mittlerweile im | |
| Durchschnitt 3.750 Dollar und dabei sind günstigere Außenbezirke wie die | |
| Bronx mit eingerechnet. In Manhattan sind 5.000 Dollar für zwei Zimmer | |
| mittlerweile normal. Wer heute als junger Mensch noch von der Energie der | |
| Stadt angezogen wird und hier etwas aus sich machen möchte, muss sich zu | |
| dritt oder zu viert in eine Zweizimmerwohnung stapeln. | |
| ## Ein echter New Yorker | |
| So sagt der Fotojournalist Ken Schles, der sich seit der ersten | |
| Regierungszeit von Trump Vollzeit der linken politischen Arbeit | |
| verschrieben hat: „Ich bin in den 70er Jahren hierhergekommen. Ich konnte | |
| hier eine Karriere als Fotograf machen und eine Familie großziehen. Meine | |
| Kinder können das nicht mehr.“ | |
| Genau diese Bevölkerungsgruppe, die jungen Hochgebildeten, die heute | |
| vorwiegend nach Brooklyn ziehen und sich nach jenem freien kreativen Leben | |
| sehnen, das Schles vor 30 Jahren noch vergönnt war, waren von Anfang an | |
| Mamdanis Kernpublikum. Ihnen hat er gesagt: Wir können das ändern. Das | |
| Leben in New York muss nicht nur hart sein. Es kann wieder schön und | |
| aufregend und inspirierend sein. | |
| Mamdani elektrisierte sie. Der einfache Grund: Er ist einer von ihnen. „Er | |
| spricht wie sie, er denkt wie sie, er kleidet sich wie sie“, sagt Ken | |
| Schles. Late Night Talker Conan O’Brian witzelte: „Können Sie sich | |
| vorstellen, was bei Mamdanis sechs Mitbewohnern los war, als er die Wahl | |
| gewonnen hat?“ | |
| Mamdani lebt zwar allein mit seiner Lebensgefährtin, der Illustratorin Rama | |
| Duwaji, in einem bescheidenen Apartment in Queens – dem multiethnischsten | |
| Bezirk der Stadt. Doch ansonsten trennt ihn nicht viel von seiner | |
| Anhängerschaft. So hat er Duwaji etwa generationsgemäß auf der | |
| Online-Datingplattform Bumble kennengelernt. Und bis vor Kurzem war er | |
| nicht mehr als ein Mitzwanziger auf der Suche nach sich selbst – ein recht | |
| gewöhnlicher New Yorker also. | |
| ## Ein kompromissloser Idealist | |
| Seine Eltern, die indische Filmemacherin Mira Nair und der | |
| indisch-ugandische Postkolonialismusforscher Mahmood Mamdani zogen von | |
| Uganda nach New York, als Mamdani sechs war. Er wuchs im Umfeld der | |
| Columbia University auf, wo sein Vater schon lange vor den Protesten im | |
| Jahr 2024 eine der wichtigsten Stimmen der Pro-Palästina-Bewegung war. | |
| Nach seinem Abschluss am renommierten Bowdoin College probierte Mamdani | |
| dieses und jenes aus. Er gründete mit seinem Kumpel Abdul Bar Hussein ein | |
| HipHop-Duo und produzierte witzig-ironische Flüster-Rap-Nummern mit New | |
| Yorker Themen aus der indischen Diaspora. Er half am Set bei Filmen seiner | |
| Mutter aus, die mit Werken wie „Mississippi Massala“, „Monsoon Wedding“… | |
| „Salaam Bombay“ internationale Bekanntheit errang und sogar eine | |
| Oscar-Nominierung erhielt. Kurse in politscher Basisarbeit belegte Mamdani | |
| auch. | |
| Seine eigene politische Karriere begann er, indem er Kandidaten für das New | |
| Yorker Stadtparlament, wie den evangelisch-palästinensischen Kandidaten | |
| Khader El Yateem, unterstützte. Dann kamen Covid und die | |
| Black-Lives-Matter-Proteste nach dem [4][Tod eines jungen Schwarzen] durch | |
| Polizeigewalt in die Stadt. Für Mamdani eröffnete sich plötzlich ein | |
| Fenster für links außen stehende Kandidaten wie ihn. Zusammen mit drei | |
| Genossen von der DSA wurde er ins New Yorker Staatsparlament in Albany | |
| gewählt. | |
| Ins politische Establishment fügte sich Mamdani allerdings nicht: Furore | |
| machte er, als er in einen Hungerstreik trat, um einen Schuldennachlass für | |
| Taxifahrer durchzusetzen. Und er boykottierte einen Haushalt, der es | |
| Wohnungsbesitzern erlaubt hätte, bei Sanierungen zulasten der Mieter zu | |
| sparen. In Albany galt er bald als kompromissloser Idealist, als | |
| Überzeugungstäter. | |
| ## Domino, Taxi, HipHop | |
| So entfernte er sich nie wirklich von seiner Basis. Und von seiner Stadt. | |
| Mamdani ist durch und durch New Yorker und seine viel gepriesene Kampagne | |
| war vor allem auch eines: eine Liebeserklärung an New York City. Über | |
| Mamdanis Instagram- und Tiktokvideos vermittelte er vielen genervten New | |
| Yorkern, und offenbar mit Erfolg, eine positive Neu-Erzählung der Stadt. | |
| Mamdani versprach ihnen, dass er New York den Tech- und Wall-Street-Bros | |
| wegnimmt und ihnen zurückgibt – etwa in Form von kostenloser | |
| Kinderbetreuung und Bustransport, vergünstigten Lebensmittelpreisen in | |
| städtischen Läden und eine Art Mietpreisbremse bei geförderten Wohnungen. | |
| Dabei war es weder das Hipster-Brooklyn noch das touristische Manhattan, | |
| das Mamdani besuchte. Sein erstes Wahlkampfvideo wurde in Brownsville | |
| gedreht, dem vermeintlich gefährlichsten Viertel der Stadt im Zentrum von | |
| Brooklyn. Er sprach dort mit Afroamerikanern, die gerade zu einem | |
| überraschend großen Anteil Trump gewählt hatten, über ihre Sorgen und Nöte. | |
| Und mit seiner offenen, charmanten Art fand er einen direkten Draht zu | |
| ihnen und überzeugte sie von sich. Er sprach ihre Sprache, die Sprache der | |
| Straße, und es wirkte nicht gekünstelt. | |
| In der Folge sah man ihn mit dominikanischen Männern in Washington Heights | |
| Domino spielen. Er fuhr mit einem Taxifahrer von der Elfenbeinküste durch | |
| die Bronx und plauderte mit ihm über sein Leben. Er machte Selfies mit | |
| Fahrradkurieren. Und er sprach im HipHop-Podcast über Musik. Und immer | |
| wirkte er so, als liebe er die Menschen aus tiefstem Herzen und als sei er | |
| beglückt, seinen New Yorkern begegnen zu dürfen. | |
| Im Kontrast dazu war sein Kontrahent, der ehemalige New Yorker Gouverneur | |
| Andrew Cuomo, nie auf der Straße zu sehen. Cuomo lebt in einem vornehmen | |
| Vorort auf Long Island. Er sprach auf Gewerkschaftsversammlungen und gab | |
| Spenden-Dinners. Er machte Fernsehinterviews. Und er wirkte bei allem wie | |
| ein müder alter Mann, der das alles schon viel zu oft hat machen müssen. | |
| ## Vertrauen der Ärmeren | |
| Mamdani hingegen schaffte es, sich als jemand zu positionieren, dem die | |
| Stadt und wirklich alle ihre Bewohner am Herzen liegen. Überraschend an | |
| seinem Wahlsieg war nicht, dass er die Stimmen der jungen linken | |
| Polit-Elite und der Tastemaker aus Brooklyn errang. Was überraschend war | |
| und wahrlich Hoffnung machte, war, dass Mamdani in traditionell | |
| konservativen und tendenziell ärmeren Vierteln wie Brownsville, Bensonhurst | |
| oder Brighton Beach gewann. | |
| Durch seinen Wahlsieg hat der junge Politiker aus Queens nun auch US-weit | |
| eine Mamdani-Mania ausgelöst. Mamdani zierte Zeitschriftencover von Vanity | |
| Fair bis zum New York Magazine. Er wurde in den Talkshows herumgereicht. | |
| Und die linke Presse überschlägt sich geradezu vor Euphorie. Auf dem Titel | |
| der linken Nation stand euphorisch: „New York hat keine Angst vor einem | |
| sozialistischen Bürgermeister“. | |
| Der New Yorker Schriftsteller Joseph O’Neill, der seit Langem von innen die | |
| Lethargie und Verkalkung der Demokratischen Partei kritisiert, sagt bei | |
| einem Gespräch in einem Café in SoHo, die Linke habe in Mamdani „ein | |
| totemisches Behältnis“ gefunden. Für O’Neill ist Mamdani ein Fetisch, der | |
| aus der Verdrossenheit und Lähmung des Augenblicks herauszuführen scheint. | |
| Das gelinge ihm laut O´Neill zum einen durch sein Charisma. Sein Aussehen, | |
| sein Stil, seine Klugheit und Wortgewandtheit, seine exotisch-komplizierte | |
| Herkunft, die er für sich zu nutzen wisse, weil sie eben „das bunte New | |
| York“ verkörpere. Mamdani habe ein Talent, sich scheinbar ohne Anstrengung | |
| mit Menschen jeglicher Couleur ins Benehmen zu setzen. Mit einer | |
| aufrichtigen Offenheit und Zuneigung für seine Mitbürger:innen, natürlich | |
| vor allem der New Yorker:innen. | |
| ## New York ist nicht Iowa | |
| Mamdani steht für einen Stilwechsel in der US-amerikanischen Politik. Unter | |
| Trump sind Karrierismus und Zynismus und, im Falle der MAGA-Bewegung, die | |
| nackte Menschenverachtung, etwa von Migranten, zur Norm geworden. Die Art | |
| und Weise, wie Mamdani mit seinem Parteigenossen und Rivalen, dem jüdischen | |
| Stadtkämmerer Brad Lander aufgetreten ist, um zu demonstrieren, dass sie | |
| trotz aller Differenzen besonders in der Haltung gegenüber Israel doch | |
| dasselbe wollen: Das hat viele gerührt. Mamdani scheint seinen | |
| Wähler:innen Hoffnung zu machen, dass man es auch anders machen kann, | |
| als Menschen zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. | |
| In einem allerdings geht O’Neill die Mamdani-Mania zu weit geht: in der | |
| viel geäußerten Hoffnung, dass die Demokratische Partei mit ihm ein Rezept | |
| gegen Trump gefunden habe. New York sei nicht repräsentativ für den Rest | |
| des Landes, sagt O’Neill. Mamdani möge Afroamerikaner:innen in | |
| Brownsville und Latin@s in der Bronx davon überzeugen, dass progressive | |
| demokratische Politik für sie besser ist als Trumps Rechtspopulismus. Ob | |
| das mit Bauern in Iowa auch funktioniert, ist fraglich. | |
| Immerhin hat Mamdanis Erfolg in New York das Parteiestablishment | |
| aufgerüttelt. Die Entscheider:innen schauen sich jetzt genauer an, was | |
| dort eigentlich passiert ist. Dass der junge Linke einen Kandidaten des | |
| Establishments mit seinem neuen Stil so deutlich geschlagen hat, das ist | |
| ein Signal. Und das findet auch O’Neill gut so. „Vielleicht begreifen Sie | |
| ja, dass es so nicht weitergeht.“ | |
| Sicher, Cuomo war angeschlagen. Er war unehrenhaft aus dem Gouverneursamt | |
| ausgeschieden, nachdem ihm mehr als ein [5][Dutzend Frauen sexuelle | |
| Übergriffe] vorgeworfen hatten. Und es wird noch immer gegen ihn ermittelt, | |
| weil er während der Pandemie vertuscht haben soll, dass seine | |
| Entscheidungen zu Todesfällen in Altersheimen geführt haben sollen. | |
| ## Das Establishment wartet ab | |
| Aber Cuomo steht vor allem auch dafür, wie in der Demokratischen Partei | |
| seit Bill Clinton Wahlkampf gemacht wird: mit viel Geld von | |
| Interessengruppen und Einzelpersonen, die sich Einfluss versprechen. Cuomo | |
| wurde vom Hedgefonds-Milliardär Bill Ackman finanziert, der auch Trump | |
| unterstützt. | |
| Jetzt windet man sich an der Parteispitze. Man weiß nicht recht, was man | |
| mit Mamdani anfangen soll. Die Mächtigen der New Yorker Demokraten, die | |
| Senatoren Chuck Schumer und Hakeem Jeffries sowie die New Yorker | |
| Gouverneurin Kathy Hochul, haben ihm zwar gratuliert. Für den | |
| Hauptwahlkampf haben sie ihm die Unterstützung jedoch immer noch nicht | |
| zugesagt. Und Hochul hat bereits bekundet, dass sie bei Mamdanis | |
| Steuererhöhungen für Reiche nicht mitmachen werde. Man wartet ab, ob nicht | |
| vielleicht Cuomo, der nun seine Kandidatur als Unabhängiger angesagt hat, | |
| doch noch wieder aufersteht. | |
| Sogar [6][Eric Adams], der amtierende und der Korruption und | |
| offensichtlichen Inkompetenz überführte Bürgermeister, ist noch im | |
| Gespräch. Strategiedebatten für die Zwischenwahlen im kommenden Jahr und | |
| für die Präsidentschaftswahl 2028 werden zwar hinter verschlossenen Türen, | |
| aber dennoch bereits geführt. Soll man vielleicht Kampagnen doch auf | |
| jüngere Wähler:innen zuschneiden und auf den linken Flügel der Partei | |
| setzen? Hat das Biden/Harris-Debakel bei den Präsidentschaftswahlen im | |
| vergangenen Jahr nicht gezeigt, dass man den Mut haben muss, neue Wege | |
| einzuschlagen? | |
| Immerhin geht das Establishment der Demokratischen Partei noch nicht so | |
| weit wie die Rechten, die Zohran Mamdani als gefährlichen „Kommunisten“ | |
| zeichnen, wie Trump es jüngst sagte. Oder, das vor allem: als Antisemiten. | |
| Alleine Cuomo probierte während des Wahlkampfs, Mamdanis islamischen | |
| Glauben und seine Nähe zur Pro-Palästina-Bewegung auszunutzen, um die | |
| jüdischen Wähler:innen in New York für sich zu gewinnen. | |
| ## Gegen Israel | |
| Das kam jedoch selbst in der größten jüdischen Community außerhalb von | |
| Israel nicht gut an. „Ich glaube nicht, dass er ein Antisemit ist“, sagt | |
| etwa die Journalistin Joann Gonchar. Immer wieder hat Mamdani öffentlich | |
| betont, dass er sich gegen die Politik Israels stelle – und zugleich gegen | |
| Antisemitismus sei. Zudem gibt es außer Brad Lander, dem Stadtkämmerer, | |
| auch noch andere jüdische Menschen in Mamdanis engstem Umfeld. „Ich halte | |
| ihn für einen aufrichtigen Menschen“, sagt jedenfalls Gonchar. Daüber | |
| hinaus, merkt die Journalistin an, betreibe der Bürgermeister von New York | |
| ja keine Außenpolitik. Ihr sei es viel wichtiger, ob es Mamdani wirklich | |
| gelingen könnte, sein Ziel eines New Yorks für alle durchzusetzen. | |
| Vor allem von der rechten Presse wird ihm jedoch noch immer der Ruf nach | |
| einer „globalen Intifada“, angekreidet. Eine Äußerung, die er auch nie ga… | |
| überzeugend entkräften konnte. Er habe damit einen weltweiten, | |
| postkolonialen Gerechtigkeitskampf gemeint, sagte er. Doch das beruhigt | |
| längst nicht alle. | |
| Das New York Magazine glaubt hingegen, dass seine klare Haltung gegen die | |
| israelische Politik sogar eine Lehre für die Demokratische Partei sei. Dass | |
| Mamdani mit dieser Haltung bei der Basis Erfolg habe, zeige doch, dass auch | |
| diese sich etwas anderes wünsche, als blinde Solidarität mit der | |
| Gaza-Kriegsführung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu. Der Rabbi | |
| Jay Michaelson schrieb sogar im jüdischen Forward, dass man auch innerhalb | |
| der jüdischen Community daraus lernen könne, und zwar das: einen | |
| differenzierten politischen Diskurs zu führen. | |
| Bleibt der Makel der mangelnden politischen Erfahrung, den seine Gegner für | |
| die Hauptwahl im November gegen ihn in Stellung bringen. Ein Argument, mit | |
| dem sich weiland auch Ex-Präsident Barack Obama und die junge demokratische | |
| Abgeordnete Ocasio-Cortez herumschlagen mussten. | |
| ## Jung, aber motivierend | |
| Wirklich geschadet hat es ihnen allerdings dann nicht. Joseph O’Neill, der | |
| ja, was die über New York hinausgehende politische Bedeutung von Mamdani | |
| angeht, zurückhaltend ist, sagt jedenfalls: „Ich möchte nicht gegen ihn | |
| antreten müssen.“ | |
| Im Brickyard, der Kneipe mitten in Manhattan, wird die Stimmung derweil mit | |
| jedem Bier ausgelassener. „So motiviert war ich seit Langem nicht mehr“, | |
| sagt Alan, ein Hotelfachmann im Alter von Mamdani, der in den vergangenen | |
| Wochen jede Minute seiner Freizeit für den Wahlkampf geopfert hat. | |
| Und er kann es kaum erwarten, für den Hauptwahlkampf gegen Cuomo, Adams und | |
| den Republikaner Curtis Sliwa wieder Listen abzutelefonieren, Freiwillige | |
| auszubilden und an Türen in Queens, Brooklyn und der Bronx zu klopfen. „Es | |
| nimmt einem das Gefühl der Ohnmacht“, sagt er. Und es verleiht ganz konkret | |
| das Gefühl, dass das jetzige Amerika doch nicht das wirkliche Amerika ist. | |
| Dass dieses Land ein besseres Land sein kann. | |
| 20 Jul 2025 | |
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