| # taz.de -- Daueraustellung im Bode-Museum Berlin: In der Ruhe liegt die Kraft | |
| > Die neue Dauerstellung „Das heilende Museum“ im Berliner Bode-Museum | |
| > verbindet Kunstgenuss mit Meditation und Wissenschaft. Eine Studie dazu | |
| > läuft an. | |
| Bild: Transzendataler Kunstgenuss: Tief in den Eingeweiden des Berliner Bode-Mu… | |
| Ich fühle mich ein wenig verloren, als ich durch den ersten großen Gang des | |
| Berliner Bode-Museums streife. Links und rechts von mir türmen sich riesige | |
| Skulpturen auf, die Teil der größten und ältesten Sammlung von Plastiken | |
| weltweit sind. Ich bin auf der Suche nach einem ganz bestimmten Raum: | |
| Einem, in dem Besucher*innen mithilfe von Kunst meditieren können. | |
| Weitere zehn Minuten streife ich hektisch durch die Museumsräume, bevor ich | |
| endlich vor dem Schild „Herzlich willkommen beim Projekt: Das heilende | |
| Museum“ ankomme. | |
| Vor mir öffnet sich ein schmaler Gang, [1][der sich zunächst kaum von den | |
| anliegenden Museumsräumen unterscheidet]. Ich bin überrascht – vielleicht | |
| weil ich Sitzkissen oder Klangschale erwartet habe. Stattdessen stehen | |
| schmale Sockel mit kleinen Statuen in der Mitte des Raums, an den Wänden | |
| hängen großformatige Selbstporträts. Sie wurden entweder aus dem eigenen | |
| Bestand kuratiert oder sind Leihgaben von Schwesterinstitutionen wie dem | |
| Museum für Islamische Kunst. | |
| Fast reflexartig beginne ich, die Beschreibungstexte zu lesen. Ich will | |
| verstehen: Was verbindet diese Kunstwerke? [2][Und was haben sie mit | |
| Meditation und Achtsamkeit zu tun?] Die erste Skulptur, die mir auffällt, | |
| ist aus Bronze: Buddha. Direkt daneben eine Jesus-Büste. Dann Hieronymus, | |
| Maria Magdalena und Herkules mit Keule. Ob Buddhismus, Islam, Christentum | |
| oder Stoizismus, die Figuren teilen eine Eigenschaft: Sie alle haben | |
| meditiert. | |
| ## Sich auf die Audiospur machen | |
| Später entdecke ich eine Kiste mit runden Sitzpolstern und dem Hinweis auf | |
| digitale Meditationsanleitungen. Ich fühle mich ertappt: Denn die Werke | |
| sind nicht nur Ausstellungsobjekte, sondern gleichzeitig | |
| Meditationsstationen. „Ankommen“ – so heißt die erste Audiospur, die ich | |
| mit meinem Smartphone per QR-Code abrufe. | |
| Ich schnappe mir eins der Kissen, setze mich in ein ruhiges Eckchen und | |
| drücke auf Play. „Wir neigen dazu, uns sehr auf die Objekte zu | |
| fokussieren“, sagt eine sanfte Stimme und lädt mich ein, durch den Raum zu | |
| streifen: Wie sieht es hier aus? Welche Linien und Kurven gibt es? Ist es | |
| warm oder kalt, was ist zu hören? | |
| Die Idee dahinter: Den Alltag vor der Tür lassen und durch Kunstbetrachtung | |
| die Achtsamkeit schulen. Dass Achtsamkeit die psychische Gesundheit | |
| fördert, ist wissenschaftlich vielfach belegt. In Kanada, Schweden, | |
| Belgien, Großbritannien und in der Schweiz übernehmen Krankenkassen sogar | |
| schon Museumsbesuche. | |
| ## Einzigartiges Projekt | |
| Kuratorin María López-Fanjul hat dieses Potenzial früh erkannt und ein für | |
| Deutschland einzigartiges Projekt ins Leben gerufen, das Meditation, | |
| Kunstgeschichte und medizinische Forschung verbindet – in Kooperation mit | |
| der Charité und dem Max-Delbrück-Center. In einer begleitenden Studie | |
| sollen die Effekte des Museumsbesuchs an Patient*innen mit chronischen | |
| Krankheiten getestet werden. | |
| Nachdem ich die Kunstwerke also erneut – diesmal mit Meditationsanleitung | |
| auf den Ohren – betrachtet habe, merke ich, dass sich einige andere | |
| Besucher*innen im Raum angeschlossen haben. López-Fanjul berichtet, | |
| viele Rückmeldungen in der Feedback-Box seien Gebete: „Für die Gäste | |
| scheint es heilsam zu sein, hier zu verweilen.“ | |
| Das Projekt zeigt: Meditation ist keine Modeerscheinung, sondern eine | |
| jahrhundertealte Praxis, die sich durch verschiedene religiöse und | |
| philosophische Traditionen zieht. „Das heilende Museum“ hat also nichts mit | |
| Esoterik zu tun, sondern versteht sich als wissenschaftlich fundierten | |
| Raum, in dem Besucher*innen Selbstfürsorge üben können. Oder einfach | |
| nur Kunst betrachten – kommt das vielleicht aufs Gleiche raus? | |
| Auf dem Weg nach draußen bin ich unsicher, ob und wie lange die Ruhe aus | |
| dem Raum nachhallen wird. Aber vielleicht gehe ich in Zukunft öfter ins | |
| Museum, wenn mir mal wieder alles über den Kopf wächst. | |
| 21 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Emilia Papadakis | |
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