# taz.de -- Urteil im Fall Schlesinger: Doch keine Ohrfeige für den RBB | |
> Der RBB muss Patricia Schlesinger ein Ruhegeld auszahlen – das entschied | |
> das Landgericht Berlin. Warum das für die Ex-Intendantin kein Sieg ist. | |
Bild: Die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger im Berliner Landgerich… | |
Berlin taz | Verwaltungsräte sind normalerweise zurückhaltende | |
Zeitgenossen. Vor allem, wenn sie in einem Gerichtsverfahren Partei sind. | |
Doch am Mittwoch stand RBB-Verwaltungsrat Benjamin Ehlers im Berliner | |
Landgericht die gute Laune ins Gesicht geschrieben. | |
Da war der RBB eigentlich in Sack und Asche angetreten, um die nächste | |
Watsche in der juristischen Auseinandersetzung mit seinen in den | |
RBB-Skandal von 2022 verwickelten Führungskräften zu kassieren. Doch dann | |
lief es ausgerechnet im von seiner [1][ehemaligen Intendantin Patricia | |
Schlesinger] angestrengten Prozess ganz anders – und der Sender bekam | |
endlich einmal die Oberhand. „Wir hatten eigentlich mit einer Niederlage | |
gerechnet“, sagte RBB-Justiziarin Kerstin Skiba verwundert, als alles | |
vorbei war. | |
Ja, [2][der RBB muss seiner Ex-Chefin zwar das ihr vertraglich zugesicherte | |
monatliche Ruhegeld in Höhe von exakt 18.384,50 Euro zahlen], und das auch | |
noch mit Zinsen. Doch erst mal nur für einen Monat. Und viel wichtiger für | |
die klamme ARD-Anstalt ist, dass ihr das Gericht in diesem Zivilverfahren | |
grundsätzlich Schadensersatzansprüche gegen Schlesinger zusprach. Die haben | |
es jetzt schon in sich – und könnten noch mal deutlich steigen. | |
Denn das Gericht hat zusätzlich den dicksten Streitpunkt, die Saga um das | |
geplante digitale Medienhaus des RBB, vom laufenden Verfahren abgetrennt. | |
Die hochfliegenden Planungen, die den in Sachen Digitalisierung tatsächlich | |
eher rückständigen Sender endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren | |
sollten, haben den RBB nach Angaben des Verwaltungsratsvorsitzenden | |
Wolfgang Krüger 13,6 Millionen Euro gekostet. Ohne dass auch nur ein erster | |
Spatenstich erfolgt wäre. | |
Die Kosten für das nach Schlesingers Abgang schnell beerdigte | |
Prestigeobjekt waren zum Schluss auf 310,6 Millionen Euro gestiegen, so | |
hatte es der RBB-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags | |
festgestellt. Doch den Sendergremien und der Öffentlichkeit waren immer | |
deutlich niedrigere Summen vorgegaukelt worden. | |
## Generalstaatsanwaltschaft ermittelt weiter | |
Wie es dazu kam und wer neben Schlesinger die Verantwortung trägt, | |
interessiert auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sie ermittelt | |
weiterhin unter anderem gegen Schlesinger, deren Ehemann und den früheren | |
Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf, es gilt die | |
Unschuldsvermutung. Im Straf- wie im Zivilverfahren dürfte es dann um | |
Fragen des Ausschreibungsrechts, obskure Beraterverträge und Verstöße gegen | |
diverse RBB-interne Regularien gehen. Besonders die Verantwortung von Wolf, | |
der als graue Eminenz der Berliner Immobilienwirtschaft und | |
Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Berlin beim RBB mindestens eine | |
Doppelrolle spielte, ist bis heute in weiten Teilen ungeklärt. | |
Die Staatsanwaltschaft interessiert sich neben dem digitalen Medienhaus | |
auch für die umstrittenen Bonuszahlungen, die unter Schlesinger beim RBB | |
für die Führungsspitze als „variable Vergütung“ üblich waren. Eingefüh… | |
hatte sie dieses Bonussystem zwar nicht, wohl aber modifiziert. Hier hat | |
das Landgericht in seinem Urteil nun bereits festgestellt, dass Schlesinger | |
dafür haftet. | |
1,7 Millionen Euro will der RBB nach Gerichtsangaben in Sachen Boni geltend | |
machen, dazu kommen noch mal 88.000 Euro aus der sogenannten ARD-Zulage, | |
die bestimmten Mitarbeitenden während des kurzlebigen ARD-Vorsitzes des RBB | |
2022 gezahlt wurden. Zwar ist es in der ARD üblich, dass reihum immer eine | |
Anstalt für zwei Jahre den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft der | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland | |
übernimmt und die Kosten dafür umgelegt werden. | |
Zusätzliche Apanagen für ohnehin das voll und gar nicht mal schlecht | |
bezahlte Spitzenpersonal sind dabei aber nicht vorgesehen. Ursprünglich | |
hätte der RBB die ARD in den Jahren 2022/23 führen sollen. Doch schon vier | |
Tage bevor [3][Schlesinger als Intendantin am 8. August 2022 gehen musste], | |
war es mit dem – übrigens erstmaligen – ARD-Vorsitz des RBB schon wieder | |
vorbei, was auch die verhältnismäßig niedrige Summe von 88.000 Euro | |
erklärt. | |
Ob Schlesinger hier in voller Höhe zur Kasse gebeten wird, wird sich | |
allerdings erst zeigen. Hierüber werde noch im laufenden Verfahren | |
entschieden, kündigte der Vorsitzende Richter Thomas Markfort an. Aus | |
Verwaltungsratskreisen heißt es, weder für die Boni noch die ARD-Zulage | |
gebe es nachvollziehbare Beschlüsse des damaligen, von Wolf geführten | |
Verwaltungsrats. Obwohl das Gremium solchen Regelungen hätte zwingend | |
zustimmen müssen, sei das Ganze von Wolf und Schlesinger offenbar | |
tatsächlich zwischen Tür und Angel abgemacht worden. | |
## Sie habe ihre Pflicht verletzt | |
Genauso wenig ist klar, wie es mit den Ruhegeldansprüchen der ehemaligen | |
Intendantin weitergeht. Vermutlich um die Prozesskosten gering zu halten – | |
in Zivilverfahren orientieren sich diese an den aufgerufenen Streitwerten – | |
hatte Schlesinger testweise nur ihren Ruhegeldanspruch für den Januar 2023 | |
eingeklagt. Es handele sich um „keine Vorabentscheidung, wie es mit dem | |
Ruhegeld darüber hinaus weitergeht“, sagte Markfort nach der | |
Urteilsverkündung am Mittwoch. Weil es nun aber nur eine Entscheidung über | |
den einen Monat gibt, muss Schlesinger jetzt erneut klagen – oder sich mit | |
dem RBB anderweitig einigen. | |
Der RBB hatte argumentiert, dass Schlesingers Anspruch auf die ihr | |
vertraglich bis zum Lebensende zustehenden Zahlungen „sittenwidrig“ sei, | |
war damit aber nicht durchgekommen. „Dass wir beim Ruhegeld keine guten | |
Karten hatten, war uns nach dem ersten Verhandlungstermin im Januar klar“, | |
meinte der Verwaltungsratschef Krüger dann auch nach der Urteilsverkündung. | |
Doch selbst wenn Schlesinger die weiteren Ruhegelder erfolgreich einklagt, | |
könne jetzt immerhin „gegengerechnet werden, was dem RBB an Schaden | |
entstanden ist“. Und daher habe auch ihn „das Urteil in der Deutlichkeit | |
positiv überrascht“. | |
Und noch eine Entscheidung von Mittwoch könnte sich für Schlesinger als | |
äußert heikel erweisen. Das Gericht sprach dem RBB nämlich einen weiteren | |
Schadensersatzanspruch zu und verurteilte seine frühere Intendantin „zu | |
Zahlungen an den RBB in Höhe von rund 24.000 Euro wegen Pflichtverletzungen | |
im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstwagen und Reisekosten“. Dabei ist | |
nicht so sehr die Summe entscheidend, sondern das Wort Pflichtverletzung. | |
Als Intendantin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Schlesinger | |
Amtsträgerin im Sinne des Strafgesetzbuchs. Für diese Personengruppe, zu | |
der auch Richter*innen, Notar*innen oder Minister*innen zählen, | |
gelten besondere strafrechtliche Regelungen, wenn sie im Amt Mist bauen und | |
so ihre Amtspflicht verletzen. Dazu gehören Falschbeurkunden, die | |
Verletzung von Dienstgeheimnissen, aber auch Vorteilsannahme und | |
Bestechlichkeit. Und genau zu diesen letzten Punkten, Vorteilsnahme und | |
Vetternwirtschaft, ermittelt ja immer noch die Generalstaatsanwaltschaft. | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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