# taz.de -- Schau zum Spanientourismus: Urlaub machen, wo andere unterdrückt w… | |
> Als Spanien zum Sehnsuchtsort der Deutschen wurde, war es noch mitten in | |
> der Diktatur. Eine Schau in Berlin reflektiert die Ambivalenz. | |
Bild: Postkarte aus dem franquistischen Spanien | |
Wer dieser Tage in das Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Berlin Dahlem | |
tritt, könnte meinen, in einer Diashow des elterlichen Sommerurlaubs | |
gelandet zu sein. Auf mehreren Bildschirmen laufen alte touristische | |
Heimvideos. Daneben sind auf einem großen Tisch bunte Postkartenmotive | |
aufgereiht. So weit, so idyllisch. Doch wer einen Augenblick verweilt und | |
etwas genauer hinsieht, merkt schnell, dass die Fassade trügt. | |
Mit genau dieser Doppeldeutigkeit spielt die Ausstellung „Vamos a la playa. | |
Ferien unter Franco“, denn sie widmet sich dem [1][Massentourismus] im | |
diktatorischen Spanien. Anlass der Schau ist [2][Francos diesjähriger 50. | |
Todestag], der den Übergang in die Demokratie einläutete. | |
Insgesamt acht Künstler*innen zeigen im MEK Werke, die unterschiedliche | |
Sichtweisen auf das Thema preisgeben. So etwa Jörg Zimmer, dessen | |
Multimediainstallation bearbeitete Bilder aus der eigenen Familiensammlung | |
mit einem Voiceover verbindet, das die Rolle des Tourismus in | |
Franco-Spanien kritisch hinterfragt: Wer profitiert davon? Wer wird dadurch | |
legitimiert? Und welche private Verantwortung trägt man als Einzelperson? | |
Statt vorgefertigter Antworten assoziiert Zimmer frei und liefert vor allem | |
Denkanstöße. | |
Stefanie Unruh hingegen konzentriert sich auf die Geschichte Mallorcas von | |
den 1930ern bis in die 70er. Vor Francos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg | |
diente die Hauptinsel der Balearen als Zufluchtsort für von den Nazis | |
verfolgte Emigrant*innen aus Deutschland. Viele von ihnen wurden | |
verhaftet und deportiert, nachdem Mallorca 1936 an die Nationalisten | |
gefallen war. | |
In den 1950er Jahren kehrten die Deutschen zurück – doch diesmal als | |
Tourist*innen, denen das bislang größtenteils isolierte Spanien einen Hauch | |
von Exotik bot. „Man konnte dort gewissermaßen seine Nostalgie ausleben“, | |
resümiert die stellvertretende Museumsdirektorin Jana Wittenzellner die | |
Faszination am Urlaubsziel Spanien, das damals im Vergleich zu Frankreich | |
und Italien deutlich unterentwickelt war. | |
## Nutznießer war das Unternehmen Josef Neckermann | |
Nutznießer dieser Öffnung war der deutsche Unternehmer Josef Neckermann. | |
Bevor er durch sein Versandhaus und seine Reiseangebote in Erscheinung | |
trat, verhalf ihm im Dritten Reich die Übernahme mehrerer zwangsverkaufter | |
jüdischer Unternehmen zum ersten größeren wirtschaftlichen Erfolg. | |
Unruh greift neben ihren eigenen Aufnahmen auf umfangreiche Fotoarchive | |
zurück, die heutige Schauplätze des Insellebens zeigen, und ordnet diese | |
Orte historisch ein, um eben jene oft vergessenen Schattenseiten der | |
deutsch-mallorquinischen Geschichte zu beleuchten. | |
Das Berliner Museum bietet erstmals einen Raum, um die bislang auf Museen | |
in den katalanischen Städten Girona und Figueres verteilten Arbeiten zum | |
Thema zusammenzuführen. | |
„Vamos a la playa“ konzentriert sich vor allem auf den | |
katalanischsprachigen Teil Spaniens. Das ist kein Zufall, denn durch ihre | |
Mittelmeerküste waren diese Regionen schon damals [3][bei Tourist*innen | |
beliebt]. Andererseits traten hier die Repressionen des Franco-Regimes | |
besonders hart zutage. | |
Katalonien war während der 1930er-Jahre autonom und wurde im Bürgerkrieg | |
zur republikanischen Hochburg. Nach Francos Sieg 1939 wurden | |
Regionalsprachen verboten und massiv unterdrückt. Oft wurden sie als | |
Dialekte des Spanischen abgewertet. Diese Verdrängung arbeitet Monika | |
Anselment durch eine Reihe von Karikaturen auf, die ihr kindliches | |
Unverständnis darüber mit ihrer nüchternen Einsicht heute kontrastieren. | |
Während Katalanisch mittlerweile floriert und Katalonien als Region im | |
Rahmen der Europäischen Kulturtage die Ausstellung rahmt, sind andere | |
Sprachen wie etwa das Aragonesische akut vom Aussterben bedroht. | |
Dass Francos Herrschaft auch abseits davon bis heute einen langen Schatten | |
auf Spanien wirft, beweist Christoph Ottos Serie von Videointerviews mit | |
Spanier*innen und westdeutschen Tourist*innen. Unter dem Werktitel „Die | |
Straße der Unschuld“ schildern sie aus verschiedenen Perspektiven ihre | |
Erfahrungen mit der damaligen Diktatur. Besonders prägnant sind dabei die | |
Einordnungen des 68-jährigen Exil-Spaniers Felipe, dessen Eltern unter | |
Franco inhaftiert wurden. | |
Er vergleicht das schwere Erbe des Regimes mit einer zweifelhaften | |
Delikatesse: „Die spanische Geschichte ist wie die Wurst Morcilla“, sagt | |
er. „Sie wird aus Blut gemacht und kommt einem wieder hoch.“ | |
5 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Alexander Kloß | |
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