# taz.de -- EM-Land Schweiz: Mit dem Zug durch die Klischees | |
> Gespenstische Pünktlichkeit und eine Reisegruppe, die jodelt. Kann das | |
> wahr sein oder ist das alles für den EM-Reporter der taz inszeniert? | |
Bild: Echt jetzt? Ein Alphorntransport zum Jodlerfest in der Zentralschweiz | |
Von zu Hause wegfahren und doch zu Hause ankommen. So kann man das | |
vielleicht nennen, wenn das verlässliche Klischee einem unterwegs eine | |
vertraute Heimstätte schafft, völlig ortsunabhängig. Genau so hat hier | |
alles angefangen zu Beginn dieser EM. Nach dem Grenzübertritt in Basel saß | |
ich im Zug und sah auf der Anzeigetafel, dass die Abfahrtszeit exakt | |
dieselbe war wie auf dem Nachbargleis. Ich schaute gebannt auf die | |
Bahnhofsuhr. | |
Es geschah, was geschehen musste. Als der Minutenzeiger eins vorsprang, | |
setzten sich beide Züge synchron in Bewegung. Willkommen in der Schweiz. | |
Das eigene Vorurteil räkelte sich in vertrauter Umgebung. | |
Aber da ist noch der Drang nach frischen Eindrücken, die quer stehen zu | |
dem, was man zu wissen vermeint. Warum nicht ein neues Bild von der Schweiz | |
zeichnen? Doch dieses Bemühen meinerseits wird dieser Tage gnadenlos | |
sabotiert. Was oder wer hinter der Verschwörung steht, konnte ich noch | |
nicht ermitteln. | |
Kaum habe ich mal etwas Ungewöhnliches erlebt, wird es gleich wieder durch | |
ein umso triefenderes Klischee übermalt. Vom Umstieg an einem Schweizer | |
Bahnhof nämlich könnte ich eigentlich eine kleine Weltsensation berichten. | |
Der Anschlusszug fuhr mit einer halben Stunde Verspätung los. | |
Mehrstimmiger Jodlerklub | |
Gedanklich damit noch im Großraumwagen beschäftigt, fängt unvermittelt eine | |
Schweizer Reisegruppe neben und hinter mir mehrstimmig zu jodeln an. Einer | |
trägt [1][ein T-Shirt mit der Aufschrift „Jodlerklub Riederalp“]. Mein | |
deutscher Gastgeber in Zürich, der seit zwei Jahrzehnten in der Schweiz | |
lebt und regelmäßig Zug fährt, versichert mir, das habe er noch nie erlebt. | |
Kann das wirklich Zufall sein? | |
So besonders ist diese Zugverspätung übrigens nicht gewesen. Es hat auch | |
andernorts vereinzelte Störungen des Fahrplans wegen dieser Fußball-EM | |
gegeben, weshalb bei den Schweizerischen Bundesbahnen Gegenmaßnahmen | |
diskutiert wurden. Fußball mag wichtig sein, der Fahrplan ist wichtiger. | |
Der Einsatz von doppelstöckigen Zügen mit breiteren Türen wurde in Erwägung | |
gezogen, um die Umsteigezeit zu reduzieren. Vielleicht ist deren Einsatz | |
der Grund, weshalb meine persönliche Pünktlichkeitsquote wieder stetig | |
Richtung hundert Prozent wächst. | |
Ich habe es aufgegeben, zwanghaft nach dem Anderen Ausschau zu halten. Wenn | |
man die Schweizer Eigenheiten, die sich einem in den Weg stellen, genauer | |
studiert, kann man ebenso einiges dazulernen. Die unzähligen Flaggen etwa, | |
die in der Berner Innenstadt an den Häusern angebracht sind, folgen einem | |
Beflaggungskonzept. Jede Gasse hat ihre eigene Beflaggungsordnung. | |
Vermutlich musste die Uefa, die sich anlässlich von Großevents in den | |
letzten Jahren selbst Metropolen wie London oder Istanbul untertan gemacht | |
hat, mit entsprechenden Gremien hart verhandeln, um zumindest ein paar | |
wenige Fahnen ab und an im Stadtbild unterbringen zu können. Darauf kann | |
sich Bern wirklich etwas einbilden. | |
*nur etwas Kleines | |
12 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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