| # taz.de -- Übers Heimkommen: Lifehack: einfach nicht zurückkehren | |
| > Was ist das Schlimmste am Reisen? Die Reise beenden zu müssen, findet | |
| > unsere Autorin. Und hat Ideen, wie man das umgehen könnte. | |
| Bild: Deutschland ist fürs Geldverdienen, sagen sie, und der Süden ist fürs … | |
| Heimgekommen bin ich nie gerne. Ich bin nicht gut darin. Die Rückkehr nach | |
| Hause war für mich lange Jahre das Schlimmste am Reisen. Stunden im Flieger | |
| oder Auto und am Ende steht was? Deutschland. Schule. Lohnarbeit. Dasselbe | |
| Elternhaus oder dieselbe Wohnung. Es war wie der Tag nach einem richtig | |
| guten Rausch, nur dass der Rausch zwei Wochen dauerte und der Tag danach | |
| ein Jahr. Ein endloser, grauer Tag. Es hat ein halbes Leben gebraucht, bis | |
| ich dafür zwei Lifehacks gefunden habe. Der erste: Ich kehre nicht zurück. | |
| Ich bin so viel unterwegs, und wenn es nur für Vorträge zwischen München, | |
| Frankfurt und Bielefeld ist, dass der graue Tag mich nicht fangen kann. Er | |
| ist zu langsam. Der zweite Lifehack: Süditalien. | |
| Ich war kürzlich in einem winzigen Urlaub. Es war eigentlich keiner, denn | |
| er dauerte – ja – einen Tag. Ich hatte meinem Freund einen Aufenthalt auf | |
| den Tremiti-Inseln im süditalienischen Apulien geschenkt. Sie sehen aus wie | |
| eine Miniaturversion der Karibik. Türkisfarbenes Wasser, leuchtende | |
| lilafarbene Grotten, Unterwassertorbögen mit Fischen in allen Farben. Es | |
| war das grandioseste Schnorchelerlebnis meines Lebens. Leider hatte ich | |
| übersehen, dass auch die Mini-Karibik sauteuer ist, deshalb fuhren wir nur | |
| einen Tag. | |
| Dann zurück nach [1][Südapulien, wo wir einen Teil des Jahres leben]. Eine | |
| Rückkehr, aber sie fühlte sich anders an. Ich konnte es nicht erwarten. Ich | |
| sah aus dem Fenster die Weinreben und Felder vorbeiziehen, und ich wusste, | |
| das sind noch nicht wir. Unser Apulien hat mehr Olivenbäume, mehr | |
| Kalkfarbe, einen anderen Geruch. Fremde könnten es leicht für dasselbe | |
| halten, aber das ist es nicht. Es ist zu Hause. | |
| Warum mir das ausgerechnet hier passiert ist, kann ich nicht sagen. Klar, | |
| Meer, Sonne, [2][gute Pasta] und besser gelaunte Nachbar:innen. Aber ich | |
| vermute, es hängt auch mit der Landwirtschaft zusammen. Wir haben Oliven- | |
| und Obstbäume, und von jedem könnte ich aus dem Gedächtnis zeichnen, wie | |
| seine Äste geformt sind, wie viel er trägt und welche Krankheiten er gerade | |
| hat. Mit Bäumen geht Bindung leichter als mit Häusern. Sie helfen, Wurzeln | |
| zu schlagen, ganz wörtlich. Ich fühle mich nicht verwurzelt im | |
| konservativen Dorf. Aber mit diesem Stück Erde. | |
| Und etwas an der Art des Lebens lässt mich besser atmen. Ich höre das von | |
| vielen Nachfahren von Gastarbeiter:innen, in Kroatien, Griechenland oder | |
| Italien. Deutschland ist fürs Geldverdienen, sagen sie, und der Süden ist | |
| fürs Glücklichsein. Der graue Riese Deutschland hatte mich so lange | |
| umklammert. Heute erzähle ich mir Fahrten nach Deutschland nicht mehr als | |
| Rückkehr, sondern als Reise. Ich habe immer die Freiheit, zu gehen. Seitdem | |
| schaffe ich, es zu vermissen. | |
| 12 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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