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# taz.de -- Film über den Architekten Sep Ruf: Leichtigkeit und Transparenz
> Er war ein Star unter den Architekten der jungen Bundesrepublik: Sep Ruf.
> Der Dokumentarfilmer Johann Betz porträtiert ihn etwas zu glatt.
Bild: Der Kanzlerbungalow, den Sep Ruf für Ludwig Erhard in Bonn gebaut hat
Die Architektur der Nachkriegsmoderne hat es heute schwer. Zu oft hatte sie
Beton und Glas in feinen Würfelformen dort auf weiten Grünanlagen
portioniert, wo vor den Kriegszerstörungen mal dichte historische Stadt
war. Zu ingenieurhaft hatte sie das urbane Leben nach Funktionen aufgeteilt
– Wohnen außerhalb, Shoppen innerhalb des Zentrums – so dass der prominente
Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich 1965 auf seinem Buchtitel nur noch
vor der „Unwirtlichkeit unserer Städte“ warnte. „Man pferche den
Angestellten hinter den uniformierten Glasfassaden dann auch noch in die
uniformierte Monotonie der Wohnblocks, und man hat einen Zustand
geschaffen, der jede Planung für eine demokratische Freiheit illusorisch
macht“, schrieb er.
Besonders Mitscherlichs Begriff der „Unwirtlichkeit“ hat bis heute die
Wahrnehmung der Nachkriegsmoderne geprägt. Wie elegant, leicht und
menschennah sie aber auch sein kann, das zeigen die Bauten des Münchner
Architekten Sep Ruf. Dem Wirtschaftswunder-Bauer Franz Joseph – kurz „Sep“
– Ruf widmet jetzt der Regisseur Johann Betz einen Dokumentarfilm.
Oder besser: einen Image-Film. Als müsse die Öffentlichkeit eben noch
einmal über die „Wirtlichkeit“ dieser Architektur aufgeklärt werden. Viele
von Rufs Gebäuden, die Betz mit Zeitzeugen, Expert:innen, Nutzer:innen
und Bewohner:innen ausführlich durchdekliniert, stehen heute unter
Denkmalschutz.
Ikonische Bauten sind zu sehen in „Sep Ruf – Architekt der Moderne“. Sie
gaben einer Gesellschaft in Aufbruch auch eine passende Kulisse mit viel
Swing: Sein Münchner Kirchenbau St. Johann in Capistran ist ein Rundling
aus Backstein, dessen Dach zu schweben scheint.
## Wände aus Glas – auch für den Bundeskanzler
Wie eine begehbare Vitrine wirkt der Pavillon, mit dem Ruf und Egon
Eiermann 1958 die Bundesrepublik auf der Weltausstellung in Brüssel
repräsentierten. Und der [1][Kanzlerbungalow für Ludwig Erhard in Bonn] ist
eine minimalistische Skulptur aus zwei quadratischen Flachdachpavillons mit
gläsernen Außenwänden – in diesem Gebäude sollte fortan ein Bundeskanzler
nichts mehr zu verbergen haben.
Regisseur Betz arbeitet heraus, wofür Sep Ruf ohnehin bekannt ist: In den
1950ern bis zu seinem Tod 1982 war er ein Star in Westdeutschland. Mit
seiner Architektur schuf der 1908 geborene Ruf das Bild einer
demokratischen, progressiven, sich von ihrer Nazivergangenheit befreienden
Bundesrepublik. Auch wenn die bundesrepublikanische Gesellschaft
bekanntlich nicht immer so einen Bruch mit dem Nationalsozialismus gemacht
hatte, wie es Ruf, der nicht in der NSDAP war, mit der Leichtigkeit und
Transparenz seiner Bauten versprach.
Und das ist einer der Punkte, an denen Betz der kritische, heutige Blick
auf sein Sujet fehlt. Etwas verstaubt ist nämlich sein Porträt von einem
meisterhaften Baukünstler, den Wegbegleiter im Film ehrfürchtig „Herr
Professor“ nennen – Ruf lehrte auch Architektur.
Und recht unhinterfragt bleibt die klüngelige, männlich geprägte
BRD-Nachkriegsgesellschaft, in der Sep Ruf nicht nur die „charmante“ und
„uneitle“ Figur gewesen sein muss wie dargestellt, sondern auch ein gut
vernetzter Unternehmer. 1955 etwa beauftragte der Physiker Werner
Heisenberg persönlich seinen Freund Sep mit dem Neubau des von ihm
geleiteten Max-Planck-Instituts in München und mit dem der Privatvilla
gleich dazu. Der Institutsbau ist natürlich wunderschön: großzügig
verglaste Büros, gläserner Gang, kommunikative Freitreppe für die
Mitarbeiter.
Vieles an Sep Rufs Architektur ist aktuell, das vermittelt der Film schon.
Etwa seine Lösungen zur Wohnungsnot Anfang der 1950er Jahre, als er, auf
sehr geringer Grundfläche, Licht und Raum so dirigierte, dass auch für
Familien angenehme Wohnungen entstanden.
## Mit der Geschichte umgehen
Sein Verwaltungsbau Neue Maxburg in München berührt heutige
Rekonstruktionsdebatten und räumt nebenbei das Tabula-rasa-Image der
Moderne ein bisschen aus dem Weg. Ruf und der Co-Architekt Theo Pabst
erhielten nämlich ein Fragment der sonst kriegszerstörten Wittelsbacher
Burg und stellten einen Neubau dahinter, der die Renaissancefassade des
Bestands weiter interpretierte.
Betz’ Bilder sind perfekt, die Kamera fährt mit cleanen Aufnahmen durch die
Innenräume oder per Drohnenflug über eine im Sommerlicht glänzende
Architektur. Manchmal lässt Betz mehrere Szenen parallel über die
Bildfläche laufen oder schiebt historische Aufnahmen hinein – charmant, die
Sekretärinnen im Ballonrock auf der Dachterrasse. Das ist alles sehr schön
komponiert, aber auch cheesy. Insbesondere durch die belanglose
Sounduntermalung, die anfangs noch mit einem Swing der Fünfziger daherkommt
und zwischendurch zum soften Fahrstuhl-Indierock abhebt, wirkt das Ganze
auch wie ein auf 96 Minuten gedehnter Werbefilm.
Interessant sind vielmehr die Details am Rande: Die alten Geschützrohre aus
dem Krieg, die Ruf Anfang der 1950er Jahre aufgrund von Materialmangel an
den Balkonen verbaute. Oder sein konsequent knappes Raummaß selbst bei den
Luxusvillen: Wie, fragt sich im Film eine heutige Bewohnerin von Ludwig
Erhards Villa am Tegernsee, hat der korpulente Wirtschaftswunderkanzler
überhaupt auf das kleine Klo gepasst?
9 Jul 2025
## LINKS
[1] /Ehemalige-Bundeshauptstadt-Bonn/!5446718
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Architektur
Dokumentarfilm
Bundesrepublik Deutschland
Nachkriegszeit
Bauhaus
Architektur
8. Mai 1945
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