Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- BDS-Bewegung wird 20: Der Rausch des Antiisraelismus
> Wenn antiisraelische Ressentiments zu hegen einem Rausch gleicht, dann
> ist BDS die Einstiegsdroge. Am Mittwoch wird die Bewegung 20 Jahre alt.
Bild: Demonstrierende bei BDS-Protesten, 21. Juni 2025, London
Es sind drei Buchstaben, die polarisieren: BDS. Das heißt: Boykott,
Sanktionen, Desinvestitionen. Am Mittwoch wird die antiisraelische Bewegung
20 Jahre alt. Mit Flyern in Fußgängerzonen, Stickern in Unitoiletten,
Hashtags in den sozialen Medien und etlichen offenen Briefen platzierte BDS
das Thema Israel/Palästina hoch auf der Agenda der globalen Linken und
generierte in zwei Jahrzehnten massive Aufmerksamkeit für die
palästinensische Sache.
Ihre Kampagne nimmt immer absurdere Züge an. Und sie fungiert als
radikalisierende Einstiegsdroge einer Generation propalästinensischer
Aktivist*innen.
Die [1][Verherrlichung islamistischer Terrororganisationen] wie Hamas,
Hisbollah und Palestinian Islamic Jihad als antikoloniale
Widerstandskämpfer, die seit dem 7. Oktober in einigen linken Kreisen
Konjunktur hat, kann man ohne die Vorarbeit von BDS nicht erklären. Die
Kampagne ebnete den Weg für autoritäre Weltbilder, in denen der jüdische
Staat zum Inbegriff des Bösen wird, zum Endgegner, den es zu bekämpfen
gelte.
Die tatsächlichen Ziele der Kampagne – ein Ende der Besatzung „allen
arabischen Landes“, wie es im Gründungsaufruf vom 9. Juli 2005 heißt,
worunter viele BDS-Aktivist*innen auch das Kernland Israel verstehen, und
ein uneingeschränktes Rückkehrrecht aller 1948 vertriebenen und geflohenen
Palästinenser*innen und ihrer Nachkommen, Stand heute: rund 6
Millionen Menschen weltweit – bleiben dabei fernes Wunschdenken. Sie sind
unrealistische Maximalforderungen, die Frieden in der Region erschweren,
nicht fördern.
## BDS macht Boykott Progressiven schmackhaft
Boykottbemühungen gegen Juden in der Region gab es schon vor BDS und vor
der Staatsgründung Israels 1948. 1922 rief der Arabische Kongress in Nablus
zum Boykott jüdischer Waren auf und forderte das Verbot von Landverkäufen
an Juden, um einen jüdischen Staat zu verhindern. 1931 forderte der Mufti
von Jerusalem und späteres SS-Mitglied Amin al-Husseini auf dem Allgemeinen
Islamischen Kongress einen wirtschaftlichen Boykott der jüdischen
Bevölkerung Palästinas.
Und beim ersten Treffen der damals gegründeten Arabischen Liga nach dem
Zweiten Weltkrieg 1945 wurde beschlossen, dass die Produkte
„palästinensischer Juden“ in arabischen Staaten „unerwünscht“ seien, …
sie jahrzehntelang mittels eines zentralen Boykottbüros nicht nur Israel
boykottierte, sondern auch Unternehmen, die direkt oder indirekt Geschäfte
mit dem jüdischen Staat machten.
Daran knüpft BDS an. Die Kampagne präsentiert sich als Graswurzelbewegung
der palästinensischen Zivilgesellschaft, auch wenn der erste Unterzeichner
unter dem Gründungsaufruf der Council of National and Islamic Forces in
Palestine ist, zu dem Terrororganisationen wie Hamas, PFLP (Volksfront zur
Befreiung Palästinas) und Palestinian Islamic Jihad zählen. Der Boykott
vereint. Für Islamisten ist er eine selbstverständliche Praxis. Auch
Neonazis lehnen den von ihnen verhassten „Ziostaat“ ab.
BDS kleidet den tradierten Boykott des jüdischen Staates in ein neues
Gewand und macht ihn so den sonst progressiven Aktivist*innen
schmackhaft.
Was führende Köpfe von BDS tatsächlich anstreben, daraus machen sie keinen
Hehl. Mitgründer Omar Barghouti sagt etwa: „Wir lehnen einen jüdischen
Staat in irgendeinem Teil Palästinas ab.“ Viele machen in Statements
glasklar: Israel hat für sie kein Existenzrecht.
## Wirtschaftlicher Boykott stünde im Einklang mit IGH
Es geht dabei weit über den wirtschaftlichen Boykott israelischer Waren in
den besetzten Gebieten hinaus. Dieser stünde zumindest im Einklang mit dem
2024 vorgelegten unverbindlichen Gutachten des Internationalen
Gerichtshofs, das besagt, dass Mitgliedstaaten Schritte unternehmen sollen,
um Handel oder Investitionen zu verhindern, die die illegale Besetzung
unterstützten.
2019 beschloss der Deutsche Bundestag [2][die sogenannte BDS-Resolution]
mit deutlicher Mehrheit, einen gemeinsamen Antrag der CDU/CSU, SPD, FDP und
Grünen, der die Bewegung und ihre Taktiken als antisemitisch bewertet. Im
Verfassungsschutzbericht 2023 kam BDS erstmals vor, die Behörde stuft die
Bewegung als „extremistischen Verdachtsfall“ ein. Das ist richtig. Denn BDS
geht es nicht um Frieden, sondern darum, Israel zu beenden.
Im Rausch des Israelhasses fällt BDS nach 20 Jahren vor allem mit einer
sturen Kompromisslosigkeit auf. Die Kampagne boykottiert [3][selbst
Standing Together], eine linke Bewegung in Israel, in der Araber*innen
und Israelis sich gemeinsam für den Frieden einsetzen, die BDS als
„Apartheid-Propaganda“ bezeichnet, da sie Israel „normalisiere“.
BDS-Aktivist*innen rufen zunehmend zum Boykott nichtisraelischer Marken,
Musiker*innen, Wissenschaftler*innen oder Institutionen auf, die im
Nahostkonflikt nicht „auf Linie“ sind, von Starbucks bis zur Berliner
Volksbühne. Sie führen Listen ihrer politischen Gegner*innen und
begründen den Boykott mit fadenscheinigen Argumenten.
Nach 20 Jahren ist das das Hauptverdienst von BDS: eine von Kontaktschuld
getriebene Cancel Culture, die Teile der Linken antisemitisch radikalisiert
hat. Da gibt es selbst zum Geburtstag keinen Grund zum Feiern.
9 Jul 2025
## LINKS
[1] /Radikalisierung-durch-Gaza/!6089972
[2] https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2019/kw20-de-bds-642892
[3] /Juedisch-palaestinensischer-Protest/!6089834
## AUTOREN
Nicholas Potter
## TAGS
Nahost-Debatten
BDS-Movement
Boykott
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
GNS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Kolumne Gaza-Tagebuch
Nahost-Debatten
## ARTIKEL ZUM THEMA
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Netanjahu schlägt Trump für Friedensnobe…
Israels Ministerpräsident preist den US-Präsidenten. Beide kündigen eine
Waffenruhe in Gaza an – und erneuern Pläne zur Vertreibung der
Palästinenser.
Gaza-Tagebuch: Tote im Café, am Strand, auf der Straße
Vor dem Fenster unserer Autorin wurde ein gut besuchtes Café von einer
Bombe getroffen. Es hatte den Menschen eine kurze Auszeit vom Krieg
geboten.
Antisemitismus und Wissenschaftsfreiheit: Uni verbietet jüdische Stimme
Iris Hefets durfte nicht in den Räumen der Uni Bremen sprechen, weil der
Verfassungsschutz ihren Verein „Jüdische Stimme“ als extremistisch
einstuft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.