Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Überlegungen über die Zukunft: Der Todesstern im Havelland
> Alles ist viel weniger spektakulär als die versprochenen Jetpacks und
> Replikatoren. Aber dreimal besser als die Fantasien von Flugtaxis und
> Hyperloops.
Bild: Der Todessterrn unterwegs, vielleicht auch mal im Havelland
Todesstern – daran denke ich, während draußen das Havelland vorüberzieht.
Irgendwo hinter Wustermark schaukelt der gar nicht überfüllte und nur
leicht verspätete Zug durch die Felder gemächlich Richtung Spandau. Ein
paar Jugendliche drängen sich seit Rathenow mit ihren Fahrrädern neben
meinem. Die sind aus der Gegend; einer ist schon wieder ausgestiegen.
Der Zugbegleiter verlangt die Tickets: „Ach so, eine Gruppe. Alle mit
Rädern?“ Ich vermelde ordnungsgemäß, nicht Teil der Ausflugsgesellschaft zu
sein, was der Kontrolleur mit mitleidigem Blick quittiert: „Das dachte
ich mir schon. Ist doch ein etwas anderer Altersschnitt“ – „… als unser
beider“, will ich fast sagen. Ich lass es aber sein und krame nur den
Fahrausweis hervor wie ein braver Erwachsener eben.
Ich erinnere mich gut, mit welch gerechter Empörung ich auf die
Elterngeneration geschaut habe, als ich noch so jung war. Was für einen
riesigen Misthaufen die uns hinterlassen würden. Nur knapp waren wir
[1][dem Atomtod entronnen (Wettrüsten! Tschernobyl!)] und hatten schlechte
Haut vom sauren Regen. Thatcher, Kohl und Woytila waren die Sieger der
Geschichte, und zu Haus in Rostock lungerten [2][überall Nazis rum]. Im
Berufsinformationszentrum wurden uns die Antragsformulare fürs
Arbeitslosengeld oder die Zugverbindungen nach Westen erläutert. Bloß weg
da.
Das alles aber war rein gar nichts im Vergleich zu der apokalyptischen,
abwechselnd verbrannten oder abgesoffenen Seuchenlandschaft, die meine
Generation mit resigniertem Achselzucken der hoffnungsvollen Jugend von
heute übergibt. Eines Tages, mein Kind, wird das alles dir gehören. Bitte,
danke, Todesstern.
## Felder ohne Funkloch
Aber diese Jugendlichen da scheinen nicht sonderlich wütend auf den
Schaffner oder mich zu sein. Sie beachten uns gar nicht weiter. Zeigen sich
Sachen auf ihren Telefonen, lachen zu laut, hören doofe Musik. Zwei sind
glaub ich verliebt, aber ich will da auch nichts unterstellen und schaue
diskret aus dem Fenster. Die Felder sind inzwischen großflächig aufgebauter
Solartechnik gewichen. Zwischen den Kollektoren strecken sich Windräder in
den niedrigen Himmel. Der Zug hat derweil sogar ein wenig von der
Verspätung aufgeholt. Das Netz ist besser als am Alexanderplatz.
Das ist alles viel weniger spektakulär als die Jetpacks oder Replikatoren,
die mir einmal versprochen waren, aber dreimal besser als [3][die
kokainmunteren Fantasien von Flugtaxis], Hyperloops und extraplanetaren
Kolonien eben doch. Nicht auf dem Mars, hier beginnt die Zukunft. Hat schon
längst begonnen. Die Frage ist nur, wie lange und zu welchem Preis sich die
Vergangenheit dagegenstemmt.
„Sie brauchen noch eine Fahrradkarte“, sagt der Zugbegleiter etwas
ungeduldig. Hmm, hatte ich die nicht dabei? Moment. Ach Mist. – Er dreht
sich zur Anführerin der Gruppe. „Ihr habt doch neun Räder auf dem Ticket,
oder?“ –Und sie nickt verbindlich über die acht Mountainbikes hinweg. –
„Okay, gute Fahrt noch.“
Bitte, danke.
6 Jul 2025
## LINKS
[1] /Nukleare-Drohungen/!6048044
[2] /30-Jahre-Rostock-Lichtenhagen/!5873707
[3] /Flugtaxi-Entwickler-kuendigt-Insolvenz-an/!6044983
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Kolumne Autokorrektor
Brandenburg
Technologie
Linksextremismus
Schwarz-rote Koalition
wochentaz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fahrzeuge von Amazon und Telekom: Bekennerschreiben nach Brandanschlag in Berli…
In der Nacht zu Dienstag sind in Berlin 35 Lieferwagen ausgebrannt – erneut
traf es unter anderem Amazon. Nun wurde ein Bekennerschreiben
veröffentlicht.
Media-Markt-Chef wird Digitalminister: Merz’ Mann gegen das Faxgerät
Endlich ein Digitalministerium. Bleibt nur zu hoffen, dass Karsten
Wildberger unter Digitalisierung mehr versteht, als nur Kabel zu verlegen.
Mobilitätsforscherin über Hyperloop: „Müssen in Transportketten denken“
Wird der Hyperloop lange Flüge und Bahnreisen ersetzen? Ein Gespräch mit
Birgit Milius über Forschung, Visionen und Scheitern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.