# taz.de -- Bürokratie in Berlin: Wachsender Rückstau bei Wohngeldanträgen | |
> Berlins Bezirke kommen beim Wohngeld kaum hinterher. Teils brauchen sie | |
> ein halbes Jahr, um einen Antrag zu bearbeiten. Besserung ist nicht in | |
> Sicht. | |
Bild: Akten, Akten, Akten – und immer an den Personalmangel denken | |
Berlin taz | Wer in Berlin Wohngeld beantragt, braucht Geduld. Sehr viel | |
Geduld. Im Schnitt müssen Antragsteller:innen in der Hauptstadt | |
dreieinhalb Monate warten, bis sie einen Bescheid vom Amt erhalten. | |
Schwacher Trost: Vor genau einem Jahr dauerte es noch zwei Wochen länger. | |
Wie aus einer [1][aktuellen Antwort des Senats auf eine parlamentarische | |
Anfrage] der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und Stefan Ziller | |
hervorgeht, ist es in einzelnen Bezirken selbst mit den dreieinhalb Monaten | |
nicht getan. | |
So lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für einen Wohngeldantrag in | |
Friedrichshain-Kreuzberg zuletzt bei 23 Wochen – fast ein halbes Jahr. Und | |
das, obwohl andere Bezirke einen weitaus höheren „Antragseingang“ | |
verzeichnen. | |
Das Gleiche gilt für Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf, wo | |
die Wohnungsämter zwischen vier und fünf Monate damit zubringen, Anträge zu | |
genehmigen oder abzulehnen. Auch in Lichtenberg dürfen sich Betroffene auf | |
diese Wartezeiten einstellen. | |
Allerdings werden [2][in dem wachsenden Ostbezirk] auch mehr Anträge auf | |
Wohngeld gestellt als in Friedrichshain-Kreuzberg & Co. Außerdem: In | |
Lichtenberg wurden es im vergangenen Jahr von Monat für Monat mehr, worauf | |
das Bezirksamt nach eigenen Angaben aber erst im März mit verschiedenen | |
Optimierungsmaßnahmen reagiert hat. | |
## „Versunken im bürokratischen Treibsand“ | |
Mag ja sein, sagt Katrin Schmidberger. Aber vier, fünf oder sechs Monate, | |
das sei nicht hinnehmbar. [3][„Die langen Wartezeiten bringen viele | |
Menschen in existenzielle Not“], sagt die Sprecherin für Wohnen und Mieten | |
der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zur taz. Wohngeld sei kein Antrag | |
für später, „sondern eine Leistung für jetzt“, die Existenzen sichern so… | |
Dass Hilfeansprüche stattdessen „im bürokratischen Treibsand versinken“, | |
sei ein Unding. | |
Die Lage wird dabei nicht besser. So zeigen die Zahlen, dass der Rückstau | |
bei der Antragsbearbeitung sogar größer geworden ist. Waren im Juni 2024 am | |
Ende des Monats berlinweit noch 21.800 Anträge „anhängig“, summierte sich | |
die Zahl der unerledigten Verfahren bis Ende April dieses Jahres auf rund | |
25.100. | |
Kein Wunder, wenn allein zu Jahresbeginn über 14.000 neue oder Folgeanträge | |
im Monat bei den Ämtern eingetrudelt sind, das System aber den Senatszahlen | |
zufolge offenkundig bei rund 10.000 Verfahren an seine Grenzen stößt. | |
Die Verwaltung des zuständigen Senators Christian Gaebler (SPD) begründet | |
die langen Bearbeitungszeiten in der Antwort an die Grünen damit, dass „das | |
Wohngeldrecht im Vollzug“ nun mal „kompliziert“ sei. „Einerseits werden | |
viele Nachweise von den antragstellenden Personen gefordert und | |
andererseits ist eine große Bandbreite an Fachwissen und Erfahrung der | |
Sachbearbeitenden nötig“, heißt es. | |
## Künstliche Intelligenz statt Stellenaufwuchs | |
Richten soll es jetzt die Technik. Um die Bearbeitungsdauer von | |
Wohngeldanträgen zu verkürzen, „prüft“ der Senat „derzeit intensiv ein… | |
möglichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI)“. Konkret geht es | |
hierbei um „die Entwicklung eines KI-basierten digitalen Assistenten, der | |
die Sachbearbeitung in den Wohnungsämtern bei der Vollständigkeitsprüfung | |
von digital eingereichten Wohngeldanträgen unterstützt“. Kleiner Haken | |
dabei: Rund zwei Drittel der Anträge werden analog gestellt. | |
Die naheliegende Möglichkeit, mehr Personal einzustellen, wird in der | |
Antwort des Senats nicht einmal erwähnt. Da bleibt man sich treu. Auch in | |
den vergangenen zwölf Monaten gab es in ganz Berlin keine einzige | |
zusätzliche Stelle bei den Wohnungsämtern. | |
Der Grund liegt auf der Hand. „Für die Schaffung weiterer | |
Wohngeld-Sachbearbeiter-Stellen ist eine Finanzierung leider nicht | |
gegeben“, gibt das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg unumwunden zu. | |
Besserung ist in dieser Hinsicht nicht in Sicht für die über 54.000 | |
Berliner Haushalte, die auf Wohngeld angewiesen sind. Schon jetzt ist | |
absehbar, dass auch der anstehende Doppelhaushalt 2026/27 vor allem neue | |
Zumutungen bereithalten wird. | |
22 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-22… | |
[2] /CDU-Wahlkampf-am-Ostberliner-Stadtrand/!6070567 | |
[3] /Steigende-Mieten/!6027207 | |
## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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Klara Geywitz | |
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