| # taz.de -- Pfosten im Weinberg: Das härteste K in ganz Franken | |
| > Stöcke tragen viele Namen: Prügel, Knüppel, Pflock. In Franken gibt es im | |
| > Weinbau den Stickl, der erstaunlich unfränkisch ausgesprochen wird. | |
| Bild: Stickl sind mächtige Pfosten, die in die Weinberge gerammt werden, um da… | |
| Es heißt, die Inuit hätten hundert verschiedene Wörter für Schnee. Aber | |
| wissen Sie, wie viele Wörter die Deutschen für ein Stück Holz haben? Ich | |
| habe aufgehört zu zählen. Es sind eine Menge. | |
| Was ich meine, ist ein einfacher Stock, man könnte auch sagen, ein | |
| Holzstab. Je nach Form ist es ein richtiger Prügel, dann wieder ein grobes | |
| Scheit, in die Erde gerammt ein Pflock, eng aneinander auf den Boden gelegt | |
| ergeben abgebrochene Äste oder zusammengesägte Stämme einen Bohlendamm oder | |
| Knüppelweg. Ich könnte noch ewig weitermachen, würde mir die Redaktion den | |
| Platz dafür geben. Denn über den deutschen Dialekt wird die Vielzahl an | |
| Begriffen für kleinere oder größere Stäbchen quasi noch einmal ins Quadrat | |
| genommen. | |
| Ich habe keine Ahnung, ob das etwas über die Deutschen und ihre Sprache | |
| sagt. Vielleicht ist es ein Ausfluss dieser sprichwörtlichen [1][Liebe zum | |
| Wald], die so viele Begriffe für nützliches Totholz geboren hat, ob Latte, | |
| Stiel, Stecken oder Pfahl. Inzwischen ist mir in Unterfranken ein neues | |
| Wort begegnet: Stickl. | |
| Ist man des hiesigen Dialekts nicht mächtig, kann man das wegen der | |
| Verniedlichungsform erst mal für so etwas wie einen Zahnstocher oder einen | |
| Schaschlikspieß halten. Könnte ja sein, dass das Wort dem englischen | |
| „stick“ entlehnt worden ist. Doch weit gefehlt: Stickl sind mächtige | |
| Pfosten, die in die [2][Weinberge] gerammt werden, um daran Drähte zu | |
| spannen, an denen sich der Wein entlangrankt. Inzwischen sind sie meist aus | |
| Stahl, heißen aber weiterhin Stickl. Auch hölzerne gibt es noch, etwa um | |
| junge Bäume daran zu binden. Und wir haben sogar einen uralten Stickl mit | |
| einem tiefen mahagonifarbenen Glanz. Er dient dazu, Obst einzustampfen, um | |
| später aus der vergorenen Maische Schnaps zu brennen. | |
| Das eigentlich Faszinierende aber ist: Das Ding passt nicht zum Dialekt. | |
| Das Fränkische lebt von der Verweichlichung von normalerweise harten | |
| Konsonanten wie T, P und K. Was dazu führt, dass eine Papiertüte zur | |
| Babierdüddn mutiert. Doch selbst eingefleischte Muttersprachler beherrschen | |
| es nicht, den „Stiggl“ verbal angemessen weichzuklopfen. Nie haben Franken | |
| ein härteres K über die Lippen gebracht als bei diesem Wort. | |
| Man würde ihnen auch wünschen, dass es eine Alternative für den Begriff | |
| „Terroir“ gäbe. Der französische Begriff bezeichnet das Zusammenspiel von | |
| Boden und Mikroklima, das dem Wein seinen Charakter gibt. Hier spricht man | |
| das entweder „Derroa“ aus, was sehr wie Diarrhö klingt, oder auch einfach | |
| „Derror“, was zu terrormäßigen Missverständnissen führen kann. Irgendwe… | |
| Vorschläge? Wir würden dafür den „Stickl“ eintauschen. | |
| 5 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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