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# taz.de -- Debatte um Fanhymne von Nazi-Autor: Der FC St. Pauli bleibt herzlos
> Ein Gutachten bestätigt, dass der Texter der Fanhymne „Das Herz von St.
> Pauli“ sich in den Dienst des NS-Regimes gestellt hatte.
Bild: Eine Hymne aus der Feder eines Nazi-Propagandisten passt dazu nicht: anti…
hamburg taz | Die Fanhymne „Das Herz von St. Pauli“ hat im
Millerntorstadion keine Zukunft. Das zeigte sich bei der Vorstellung eines
Gutachtens, das der FC St. Pauli in Auftrag gegeben hatte. Es geht darin um
den Texter des Liedes, den Journalisten und Schlagertexter Josef Ollig, und
seine Nazi-Vergangenheit.
„Ollig hat von seinen Handlungsoptionen keinen Gebrauch gemacht, um sich
vom Nationalsozialismus abzugrenzen. Im Gegenteil: Selbst dort, wo er
Gelegenheit gehabt hätte, sich der Vereinnahmung durch das Regime zu
entziehen, entschied er sich in der Regel dazu, dieses aktiv zu
unterstützen“, heißt es im Fazit des Gutachtens von Celina Albertz vom FC
St. Pauli Museum und Peter Römer von der NS-Gedenkstätte Villa ten Hompel
in Münster. Albertz hatte mit einem Podcast über Ollig eine Debatte unter
den Fans des Vereins ausgelöst, die dazu geführt hatte, dass das
gemeinschaftliche Singen des Liedes vor dem Anpfiff [1][zunächst
ausgesetzt wurde].
Ollig schrieb den Liedtext 1956 unter dem Pseudonym Arno Grillo, wie
Albertz recherchierte. Da war er längst Lokalchef beim Hamburger
Abendblatt, wo er später zum stellvertretenden Chefredakteur aufstieg. Doch
vor Kriegsende hatte er sich in den Dienst des NS-Regimes gestellt.
Ollig war 1929 zu den rechtsnationalen Hamburger Nachrichten gegangen,
deren Redaktion schon 1930 offen die NSDAP unterstützte. Als Pressereferent
bei Shell brachte er die Konzernpublikationen ab 1933 auf stramme
Parteilinie. Während des Krieges diente er als Kriegsberichterstatter in
einer Propagandakompanie. In dieser Position feierte er einerseits
Wehrmacht und Führer, tat sich andererseits mit [2][besonders
entmenschlichenden Beschreibungen der osteuropäischen Kriegsgegner] hervor.
Nach dem Krieg rekrutierte die britische Militärverwaltung ihn dennoch für
die Tageszeitung Die Welt. Im nachfolgenden Entnazifizierungsverfahren
versuchte Ollig, seine Rolle zu relativieren. So leugnete er etwa seine
Urheberschaft eines in der Shell-Mitarbeiterzeitschrift erschienenen
Artikels, in dem er Verschwörungsmythen rund um das Attentat von Georg
Elser auf Hitler verbreitet hatte. Dieser trage irrtümlich sein Kürzel.
Erfolglos: Die Prüfer kamen zu dem Urteil, Ollig sei für die demokratische
Presse ungeeignet.
Nur der zunehmend nachlässigen Entnazifizierungspraxis verdankte er, dass
er schließlich doch noch das Siegel „can be employed“ (kann angestellt
werden) bekam. Bis zu seinem Tod 1982 habe Ollig seine Rolle im
Nationalsozialismus nicht öffentlich reflektiert, schreiben Albertz und
Römer in ihrem Gutachten.
Die von ihnen zusammengetragenen Fakten zeigten Wirkung: Mehrere Anhänger
des Klubs sagten bei der Vorstellung vor einigen hundert Menschen im
Ballsaal des Millerntorstadions, sie seien zu Beginn der Debatte um Ollig
der Ansicht gewesen, man könne zwischen der problematischen Vergangenheit
des Autors und seinem Werk trennen und Olligs Lied – zumal in der am
Millerntor gespielten Punk-Version – weiterhin singen. Das habe sich aber
im Lichte der historischen Erkenntnisse verändert, bei einigen sogar im
Verlauf des Abends.
Wenig Zustimmung fand der Vorschlag, das „Herz von St. Pauli“ weiterhin zu
singen, aber durch ein kraftvolles Bekenntnis zum Antifaschismus vorher und
hinterher zu „rahmen“. Auch, die Melodie beizubehalten und mit einem neu zu
dichtenden Text zu versehen, fanden nur wenige Fans überzeugend.
## „Antifaschismus ist unbequem“
Für die große Mehrheit war klar: Olligs Lied kann [3][ein
antifaschistischer Verein] nicht wieder spielen, auch wenn viele das
persönlich bedauern. „Antifaschismus ist unbequem“, brachte es eine Frau
auf den Punkt, „aber das hier ist die bequemste unbequeme Sache, die es
geben kann. Es geht hier nur um ein Lied.“
Viele wünschten sich, dass ein neues Lied gesucht wird, sogar von einem
FC-St.-Pauli-Songcontest war die Rede. Applaus bekam aber auch ein Fan,
der sagte: „Ich finde Hymnen scheiße. Wir machen so vieles anders: Wir
haben keinen Stadionnamen, keine hysterischen Moderatoren – warum müssen
wir eine Stadionhymne haben?“
Entscheiden wird darüber nun das Präsidium des Vereins, bis Saisonbeginn.
„Und dann steht es euch frei, uns dafür nicht wiederzuwählen“, sagte
Präsident Oke Göttlich. Dass die Entscheidung lautet, „Das Herz von St.
Pauli“ wieder zu spielen, ist nach diesem Abend weniger vorstellbar denn
je.
3 Jul 2025
## LINKS
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[3] /FC-St-Pauli/!6081924
## AUTOREN
Jan Kahlcke
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