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# taz.de -- Debatte um Fußballhymne: Das „Herz von St. Pauli“ schlägt nic…
> Der FC St. Pauli versteht sich als antifaschistischer Klub. Nun ist man
> auf die NS-Vergangenheit des Texters der inoffiziellen Vereinshymne
> gestoßen.
Bild: Prinzipiell gibt es ein antifaschistisches Grundverständnis im Stadion v…
Pfiffe gegen den Präsidenten Oke Göttlich im Millerntorstadion – was ist
los beim FC St. Pauli? Es geht um die inoffizielle Vereinshymne, die die
Fans seit 20 Jahren vor Spielbeginn anstimmen – bis zu diesem Heimspiel
gegen den SC Freiburg. [1][„Das Herz von St. Pauli“] ist der Titel der
Schmonzette. Bekannt geworden ist sie in der Interpretation von Hans Albers
im gleichnamigen Kriminalfilm von 1957. Und da fangen die Probleme schon
an: Albers war im Nationalsozialismus ein gefeierter Star, der sich für die
Propaganda des Regimes hergab, auch wenn er sich im Privaten davon
distanzierte.
Mit diesem janusköpfigen Künstler hatte sich der dezidiert
antifaschistische Klub arrangiert. Doch nun haben Recherchen des
Vereinsmuseums zu Tage gebracht, wer den Text geschrieben hat: Josef Ollig,
unter Pseudonym. Ollig wurde 1929 Redakteur der stramm rechten Hamburger
Nachrichten, die den Nazis den Weg ins Hamburger Bürgertum ebneten.
Im Krieg war Ollig dekorierter Kampfflieger und „Kriegsberichter“ in einer
Propagandakompanie. Er verherrlichte die Erfolge der Wehrmacht – und
stellte sowjetische Kriegsgefangene als Untermenschen dar.
„So sehr man sich müht, man findet nichts als trostlose Stumpfheit“,
schrieb er 1941 über 3.000 Kriegsgefangene, die an ihm vorbeizogen. „Das
ist kein Zug von Menschen. Sie gleichen Halbwilden, die mit
Gleichgültigkeit ihr Schicksal tragen und tief versunken sind im dunklen
Abgrund einer Primitivität, die ob ihrer Armut an Geist und Gefühl
erschüttert.“ Ollig wundert sich: „Da ist niemand mehr, der noch aufrecht
geht wie ein Mann“ – nachdem er vorher geschrieben hat, die Gefangenen
hätten auf ihrem Marsch seit drei Tagen nichts als Wasser und Brot
bekommen. „Niemand, auf dessen Gesicht etwas geschrieben steht vom Erlebten
dieser Stunde, und sei es auch nur ein Schimmer von Freude darüber, daß
dieses nackte Leben gerettet worden ist.“ Die Gefangenen werden geahnt
haben, was ihnen in deutscher Kriegsgefangenschaft droht: Hunger,
Zwangsarbeit und Tod.
## Heimattümelnder Seefahrtkitsch
Dieser Josef Ollig wurde ein Jahr nach Kriegsende Ressortleiter bei der
Zeitung Die Welt, später stieg er beim Hamburger Abendblatt zum
stellvertretenden Chefredakteur auf. Ein Umstand, den das Blatt in seinen
Texten zur aktuellen Auseinandersetzung um das Lied beharrlich beschweigt.
Nebenbei textete Ollig Schlager wie „Das Herz von St. Pauli“. Der
heimattümelnde Text voller Seefahrtkitsch war zwar schon immer zum
Fremdschämen, lässt aber keine Rückschlüsse auf die Nazivergangenheit der
Autors zu.
Unter den St.-Pauli-Fans läuft nun die Debatte, ob es möglich ist, den
„Künstler“ vom Werk getrennt zu betrachten, oder ob das Lied gar qua
Aneignung durch die Fanszene umgewertet ist. Vereinspräsident Göttlich
versuchte, eine Brücke zu bauen, indem er darauf verwies, dass aus den
Stadionlautsprechern ja nicht das Original erklingt, sondern eine
Schrammelversion der Hamburger Punkbands Phantastix und Elf.
Der Verein hat sich mit seinen Fanklubs beraten und dem Lied eine Pause
verordnet. In der soll das Vereinsmuseum seine Erkenntnisse schriftlich
ausarbeiten. Danach wird es zu einem Abstimmungsprozess kommen, vermutlich
auf einer Mitgliederversammlung. Dass es da nicht um einen simplen
Mehrheitsentscheid gehen kann, machte St. Paulis Sicherheitschef Sven Brux,
im Stadion neben Göttlich stehend, klar: „Eine Hymne im Stadion
funktioniert nicht, wenn 20, 30 oder 40 Prozent dagegen sind.“
Wenn das gilt, ist schwer vorstellbar, dass im Stadion, das seit 1998 nicht
mehr nach dem Nazi Wilhelm Koch heißt, wieder „Das Herz von St. Pauli“
gegrölt wird.
20 Feb 2025
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Herz_von_St._Pauli_(Lied)
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
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