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# taz.de -- Druck der taz in den 80ern: Pan Am, ich komme!
> Lange Zeit wurde die taz noch physisch in die Druckerei geflogen.
> Erinnerungen eines taz-Rennfahrers an den Nervenkitzel der täglichen
> Raserei zum Flughafen Tegel.
Bild: Die taz vor ihrem Weg in die Druckereien
34 PS unter der Haube bei 10 Kilometern Entfernung, das sollte zu schaffen
sein. Also das flache Paket unter den Arm geklemmt und die paar Schritte
zum Parkplatz gelaufen, den Wagen gestartet, die Krückstockschaltung auf
den ersten Gang gelegt und los geht’s. Keine Zeit zum Trödeln, also gleich
mit quietschenden Reifen in die Voltastraße und dann ab nach links.
Das Auto wankt bedenklich. Doch das Flugzeug in Tegel wartet nicht, und
wenn ich es verpasse, erscheint morgen in weiten Teilen der Republik keine
taz. Na, die Ampel auf der Brunnenstraße war schon eher rot als dunkelgelb,
aber hier ist noch nie geblitzt worden. Es ist später Mittag, der Verkehr
ist dicht, aber ohne größere Staus. Links abbiegen, hochschalten. Die
Straße wird zweispurig, ab auf die linke Seite, Vollgas, was schert mich
Tempo 50, das Flugzeug muss erreicht werden.
Nein, diese Geschichte soll keineswegs dazu animieren, sich jenseits der
Regeln der Straßenverkehrsordnung zu verhalten. Zudem möchten wir darauf
hinweisen, dass das beschriebene Fahrverhalten einen erhöhten
Benzinverbrauch zur Folge hat. Es handelt sich nicht um eine Empfehlung zur
Fahrzeuglenkung, sondern um die Darstellung eines historischen Sachverhalts
aus der Frühzeit einer kleinen linken Tageszeitung.
Was ist das? Dieser Trottel in seinem Käfer versperrt die Spur. Der
Renault R4 besitzt glücklicherweise eine Hupe. Und wenn ich mit den linken
Rädern über den Grünstreifen fahre, müsste die Lücke eigentlich groß genug
… Geschafft! Noch 13 Minuten, dann schließt der Check-in in Tegel.
## Eine der modernsten Zeitungen
Aber wozu diese Raserei überhaupt? Als die taz 1978 geboren wurde,
[1][besaß das Blatt eine der modernsten technischen Ausstattungen im Land].
Dazu zählte auch die Übertragung fertig layouteter Seiten mittels
Datenfernübertragung zur Druckerei. Das lief über spezielle Leitungen der
Post, das System hieß Datex-P. Ralf Klever, der schon damals in der taz-EDV
arbeitete, kann sich erinnern, dass diese Übertragungstechnik mit einem
Volumen von sagenhaften 9.600 bit pro Sekunde ablief – also unglaublich
langsam. Das Problem: Um das Datenvolumen nicht zu sprengen, konnten die
Fotos auf den Seiten nicht mitgeschickt werden. Und weil die Übertragung
der einzelnen Seiten sich trotzdem lange hinzog, kamen auch nur die
vorderen Seiten auf diesem Weg in der Frankfurter [2][Druckerei] an, die
den Westen und Süden der Republik belieferte. Sie ahnen schon, worauf das
hinausläuft.
Was nicht per Draht nach Frankfurt kommen konnte, musste auf anderem Weg an
den Main. Deshalb fertigte Christian Uhle mit einer riesigen Reprokamera
Filme aus den geklebten Kultur-, Medien-, Sport- und Wahrheit-Seiten. Dazu
kamen die Fotos für die vorderen Seiten. Das Ganze wurde als Luftfracht
einer Passagiermaschine der US-Gesellschaft Pan Am nach Frankfurt
beigegeben. Die Lufthansa besaß im geteilten Berlin keine Verkehrsrechte.
Spätere Historiker mögen ergründen, für welche Uhrzeit die Abfahrt in der
taz festgesetzt war. Ich weiß es nicht mehr. Was ich weiß, ist, dass es
gegen Mittag war und dass wir eigentlich immer zu spät dran waren. Der
taz-Firmenwagen Marke Renault R4 stand bereit. Nach einem festgelegten
Schlüssel war jedes Ressort abwechselnd mit der Rolle des
Flughafentransfers betraut – glücklich, wer keinen Führerschein besaß.
Der Saatwinkler Damm ist erreicht – endlich. Die Ampel am S-Bahnhof
Beusselstraße hat viel Zeit gekostet. Noch sieben Minuten bis zum Ende des
Check-ins, und hier sind Staus selten. Pan Am, wir kommen! Rechts abbiegen
zum Airport, hoch durch den kurzen Tunnel auf das Flughafenrondell, geparkt
direkt vor dem Gate nach Frankfurt. Die Passagiere steigen gerade ins
Flugzeug, aber die freundliche Dame steht noch am Counter und übernimmt das
taz-Paket. Geschafft. Jetzt schön langsam zurück zur taz. Es besteht kein
Grund zu besonderer Eile.
Die Zeit vergeht. Ralf Klever sorgte Anfang der 1990er Jahre dafür, dass
die Übertragung auch Fotos mitnahm und trotzdem genügend Zeit blieb, um
alle Seiten per Datenkabel nach Frankfurt zu senden. Die wilden Fahrten
nach Tegel waren beendet.
Pan Am ging 1991 pleite. Der Flughafen Berlin-Tegel machte 2020 zu. [3][Im
Herbst 2025 wird die taz ihre Druckausgabe unter der Woche einstellen] und
außer am Wochenende nur noch digital erscheinen. Und der Renault R4? Ist
diesen Sommer als Elektrofahrzeug auferstanden.
3 Jul 2025
## LINKS
[1] /Ja-wir-waren-die-Ersten/!vn6072521/
[2] /Zeitungsbranche-in-der-Digitalisierung/!6075835
[3] /Der-letzte-taz-Handverkaeufer-in-Berlin/!6093933
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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