Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tagebuch aus Russland: Der Krieg und das Insulin
> Im Leningradskaja Oblast ist es wie in ganz Russland: Wer auf Medikamente
> angewiesen ist, muss lange warten und sehr viel Rubel bezahlen.
Bild: Medizinische Versorung als Frage des Preises: eine Frau in einer russisch…
Anna und ihre Familie sind Bekannte von mir. Sie leben in einer kleinen
Stadt im Leningradskaja Oblast, der Region um [1][St. Petersburg]. Anna hat
vier Kinder, zwei davon leiden an [2][Diabetes]. Ihr jüngster Sohn ist fünf
Jahre alt, die Diagnose wurde im September 2023 gestellt. Damals erhielt
Anna auf ärztliche Verschreibung kostenlos Insulin für ihre Kinder. Seit
Kurzem muss sie jedoch das benötigte Medikament selbst bezahlen. Eine
Packung reicht für etwa einen Monat und kostet 30 bis 50 Euro. Angesichts
ihres Gehalts und ihrer beiden kranken Kinder ist das eine große Summe.
Offiziellen Angaben zufolge leiden in [3][Russland] mehr als fünf Millionen
Menschen an Diabetes. Das sind mehr als drei Prozent der Bevölkerung, und
diese Zahl steigt von Jahr zu Jahr. Die Betroffenen haben Anspruch auf
kostenlose Insulinversorgung, Insulinpumpen, Blutzuckermessgeräte und
Verbrauchsmaterialien durch den Staat. In der Realität jedoch haben
Patienten im ganzen Land Probleme, diese zu erhalten. Besonders akut ist
für sie die Frage nach Insulin.
Die meisten Russen mit Diabetes bevorzugen importiertes Insulin. Russische
Analoga sind bei weitem nicht für alle geeignet: Sie können allergische
Reaktionen hervorrufen oder sind oft nicht ausreichend wirksam. Allerdings
sind ausländische Medikamente für Diabetiker derzeit [4][Mangelware].
Die Lieferengpässe für importiertes Insulin begannen bereits im März 2022.
Zunächst waren sie auf [5][Panikkäufe] zurückzuführen, als viele Russen
sich mit Vorräten eindeckten. Dann brachen [6][aufgrund der gegen Russland
verhängten Sanktionen] viele Logistikketten für die Lieferung ausländischer
Medikamente zusammen.
Derzeit sind die Insulinlieferungen aus dem Ausland zwar nicht vollständig
eingestellt, aber zurückgegangen. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen,
dass die Logistik komplizierter geworden ist, aber auch darauf, dass
Russland begonnen hat, Insulin selbst herzustellen und weniger Importe zu
kaufen.
## Kosten, Warten und dazu noch schlechte Qualität
Es ist derzeit praktisch unmöglich, ein Rezept für importiertes Insulin zu
erhalten. Ärzte bieten ihren Patienten russische Generika an. Wenn diese
nicht geeignet sind, müssen die Patienten entweder lange warten, bis das
benötigte Medikament in einer Sozialapotheke erhältlich ist, oder sie
müssen ihr importiertes Insulin selbst kaufen. Die Suche danach wird zu
einer traurigen und schwierigen Aufgabe.
In den vergangenen Jahren sind die tatsächlichen Kosten für die Behandlung
eines Patienten aufgrund von Preiserhöhungen fast um das Vierfache
gestiegen, ohne dass der Staat mehr Geld bereitgestellt hätte. Die lokalen
Gesundheitsbehörden versuchen, Insulin zu einem zu niedrigen Preis
einzukaufen, weshalb sie lange Zeit keine Lieferanten finden können.
Während alle bürokratischen Verfahren laufen, warten die Patienten mehrere
Monate auf die ihnen versprochenen kostenlosen Medikamente. Wenn man sie
fragt, wie für sie Frieden und Sicherheit aussehen, dann antworten gewiss
viele wie Anna: wie drei Packungen Insulin im Kühlschrank.
[7][Ekaterina Kabanowa] lebt als Journalistin in Russland.
Aus dem Russischen von [8][Tigran Petrosyan].
Finanziert wird das Projekt von der [9][taz Panter Stiftung].
13 Jun 2025
## LINKS
[1] /St-Petersburg/!t5015492
[2] /Diabetes/!t5027599
[3] /Russland/!t5007547
[4] /Medikamentenmangel-in-Russland/!5860034
[5] /Russland-und-die-westlichen-Sanktionen/!5844265
[6] /Sanktionen-des-Westens-gegen-Russland/!5848012
[7] /Archiv/!s=&Autor=Ekaterina+Kabanowa/%20
[8] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
[9] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/
## AUTOREN
Ekaterina Kabanowa
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
taz Panter Stiftung
Russland
Social-Auswahl
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
Kolumne Krieg und Frieden
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tagebuch aus Russland: Lernen darf nur, wer schon genug weiß
Russisch-Kenntnisse und legaler Status erforderlich: Wie die Regierung in
Moskau Kinder aus migrantischen Familien ausgrenzt.
Tagebuch aus Georgien: Die zu vielen Augen von Tblisi
In der georgischen Hauptstadt kommt eine beängstigende Überwachungstechnik
zum Einsatz. Sie dokumentiert nicht nur, wer auf eine Demonstration geht.
Tagebuch aus Kasachstan: Das Urteil lautet: Schweigen, und zwar überall
In Almaty musste der Journalist Temirlan Yensebek vor Gericht. Sein Delikt:
eine Satire. Seine Strafe: er darf sich nirgends öffentlich äußern.
Belarussische Geflüchtete in Lettland: Was will der fremde Arzt von mir?
Unsere Autorin stammt aus Belarus und lebt in Lettland. Angst hat sie, wenn
sie sich in medizinische Behandlung begibt. Denn Verständnis ist selten.
Tagebuch aus der Ukraine: Es ist Krieg, machen wir was draus
Unter den russischen Bombardements leidet die Stadt Charkiw besonders. Doch
gerade hier tobt wieder das pralle Leben. Aus Trotz und für die Freiheit.
Tagebuch aus Aserbaidschan: Warum sie ihn zum Schweigen bringen
Im Exil in Georgien hat unsere Autorin große Angst. Sie bangt um Tofig
Yagublu, einen besonders mutigen Gegner des Regimes in Baku.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.