# taz.de -- Die Partei über unerwartete Hilfe: „Ich habe mit den Stimmen der… | |
> In Kiel stimmt die CDU für einen Antrag von Linken und Die Partei – und | |
> das zum Thema Migration. Ein Gespräch mit dem Antragsteller Ove Schröter. | |
Bild: Für die Stadt Kiel auch ein Grund, „Danke“ zu sagen: In der städtis… | |
taz: Herr Schröter, wie kommt es, dass in Kiel die CDU für einen Antrag von | |
Linken und der Partei stimmt? | |
Ove Schröter: Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, es ist ein sehr | |
guter Antrag, ein Zeichen gegen die migrationsfeindliche Stimmung. | |
taz: Es ist ein Antrag für eine Kampagne namens „Nicht ohne uns“, die sich | |
für den gesellschaftlichen Beitrag von Migrant:innen bedankt … | |
Schröter: Wir haben ja auch die AfD bei uns in der Ratsversammlung. Ich | |
habe mit dem Fraktionsvorsitzenden gesprochen und das erste, was er sagte, | |
war: „Wir werden da nicht mitgehen.“ | |
taz: Das war der AfD-Fraktionsvorsitzende? | |
Schröter: Um Gottes willen, mit denen rede ich gar nicht. Nein, es ging um | |
die CDU. Ich habe deren Fraktionsvorsitzenden gebeten, sich den Antrag noch | |
mal anzugucken. | |
taz: Da hatten Sie schon die Unterstützung von SPD und Grünen. | |
Schröter: Genau. Die hatten unseren Entwurf für sich kompatibel | |
überarbeitet. Den haben wir dann auch gerne übernommen, schon alleine, um | |
eine große Breite innerhalb der Fraktionen zu haben. Ich hatte von der CDU | |
kurz vor der Ratsversammlung gehört, dass sie dabei war, einen | |
Änderungsantrag zu stellen. Da ging es um die Punkte, die im Entwurf der | |
Grünen und der SPD enthalten waren, sodass die CDU doch entschieden hat, | |
sich anzuschließen. | |
taz: Was waren die Änderungen von SPD und Grünen? | |
Schröter: Inhaltlich waren es relativ wenige. Sie haben die Geschichte der | |
Gastarbeiter*innen, die schon seit Ewigkeiten hier sind, noch einmal | |
betont. | |
taz: Ich fand es auffällig, dass Sie in der Pressemitteilung zur Kampagne | |
geschrieben haben, es sei für Sie sehr erfreulich, „wenn auch teilweise | |
überraschend“, dass alle außer der AfD zugestimmt haben. Was war | |
überraschend daran? | |
Schröter: Ich habe mit den Stimmen der CDU nicht wirklich gerechnet, weil | |
sich ein Nebensatz des Antrags kritisch mit der Bundespolitik | |
auseinandersetzt. In einer Rede habe ich das Zitat von Merz von den | |
täglichen Massenvergewaltigungen durch Asylbewerber erwähnt. | |
taz: Viele sagen, dass ein Problem die Polarisierung von Gesellschaft und | |
Politik ist. Wenn jetzt in Kiel die CDU für einen Antrag der Linken und der | |
Partei stimmen kann – könnte das Schule machen? | |
Schröter: Ich habe gerade gelesen, dass die CSU nicht will, dass [1][Frau | |
Reichinnek in den Parlamentarischen Kontrollausschuss geht]. Hier auf | |
kommunaler Ebene habe ich es in meinen sieben Jahren Ratsmitgliedschaft | |
durchaus hin und wieder erlebt, dass die CDU Anträgen von uns zustimmen | |
konnte. | |
taz: Welchen? | |
Schröter: Das erste Mal war das 2018, als sie der Erklärung zu Kiel als | |
Sicherem Hafen zustimmte. Da hat sie sich für uns überraschend und ganz | |
kurzfristig dem Antrag angeschlossen, sich für die Aufnahme von | |
Geflüchteten und die Unterstützung der zivilen Seenotrettung einzusetzen. | |
Aber ich glaube nicht, dass das großartige Auswirkungen haben wird auf das | |
Land Schleswig Holstein. | |
taz: Bei Ihrer Kampagne „Nicht ohne uns“ lassen Sie nicht locker, da | |
schreiben Sie die Medien an, um ihr mehr Strahlkraft zu geben. | |
Schröter: Das Anliegen ist mir inhaltlich unheimlich wichtig und ich freue | |
mich über das breite Bündnis dafür. Ich hatte mir auch vorher einen Kopf | |
gemacht: Laden wir die CDU überhaupt ein, schließlich ist sie aus unserer | |
Sicht stark beteiligt an der gesellschaftlichen Entwicklung. | |
taz: Ist es dann nicht um so wichtiger, sie einzubinden? | |
Schröter: Das haben wir gemacht. Ich würde mich auch freuen, wenn das | |
Strahlkraft hätte. Ich halte mich nicht für groß genug, um zu sagen: | |
Mensch, wir verändern jetzt die komplette CDU. Aber wenn wir dadurch | |
Menschen anstoßen, darüber nachzudenken und sich zu hinterfragen, wäre das | |
ein ganz großes Ding. | |
taz: Warum scheint es nur auf kommunaler Ebene zu klappen? | |
Schröter: Ich glaube, das ist eine Frage, die Sie eher den anderen stellen | |
müssten. Wir von Die Partei wollen uns für gute Politik einsetzen, egal von | |
wem sie kommt, mit Ausnahme von rechtsextremistischen Parteien. Es ist bloß | |
oft so, dass das politische Verständnis sehr unterschiedlich ist. Beim | |
kommunalen Ordnungsdienst beispielsweise, da kommen wir nicht in ein Boot | |
oder bei [2][Räumen für Drogenkonsum]. Aber wenn es um Themen geht wie | |
Bebauungspläne, dann ist es leichter. Die Leute sehen es eher | |
lokalpolitisch als gesamtpolitisch. | |
taz: Ist es weniger ideologisch? | |
Schröter: Teilweise. Als wir uns gegen städtische Werbung für eine | |
[3][Bundeswehrveranstaltung für Schulen] ausgesprochen haben, hieß es | |
sofort: Das sind die ideologischen Freunde Putins. Wenn es um die | |
Bundeswehr geht, steppt die Ratsversammlung. Das geht es nicht mehr ums | |
Thema, habe ich das Gefühl, sondern wirklich nur noch um diese | |
Meinungsmache. | |
taz: Die Partei hat ja nach wie vor den Ruf, ein vor allem satirisches | |
Selbstverständnis zu haben. Bei dem, was Sie erzählen, fehlt die ironische | |
Note völlig. | |
Schröter: Ich kann da nur für mich als Person und nicht als | |
Parteisoldat*in reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn es | |
ein Thema gibt, das ich wirklich durchbringen möchte, ich leider die Satire | |
weglassen muss. Sonst wird es definitiv abgelehnt. | |
taz: Haben Sie da ein Beispiel? | |
Schröter: Wir haben beim [4][Wildtierverbot im Zirkus] versucht, mit | |
anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten. Unser Antrag hatte den Titel „Tiere | |
gehören auf den Teller und nicht in die Manege“ – und wurde nur deshalb | |
abgelehnt. Das heißt, ich kann Satire nur machen, wenn ich die | |
Schwachsinnigkeit eines anderen Antrags darlegen möchte. | |
taz: Sind Sie in diesen sieben Jahren kompromissbereiter geworden? | |
Schröter: Inhaltlich nicht. Formal ja, indem ich manchmal schweren Herzens | |
auf Satire verzichte. | |
taz: In jedem Fall sind Sie zum CDU-Fraktionsvorsitzenden gegangen. | |
Schröter: Ich habe ihn durch Zufall getroffen. | |
taz: Das nimmt mir jetzt ein bisschen den Wind aus den Segeln. | |
Schröter: Wir haben eigentlich schon immer mit sämtlichen Fraktionen | |
versucht zu kommunizieren. Wir sind eine kleine Fraktion, wir müssen das | |
tun, sonst werden wir nichts erreichen. Das ist leider oder zum Glück so, | |
manchmal gibt es ja auch noch Anregungen oder Verbesserungsvorschläge. | |
28 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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