# taz.de -- Feministische Steinzeit-Comic: Preiswürdige Geschichte | |
> Vergesst die Mammutjäger-Klischees! Ulli Lusts „Die Frau als Mensch“ | |
> zeigt, wie weiblich die Steinzeit war. Und gewinnt den Sachbuchpreis. | |
Bild: Graphic Novel „Die Frau als Mensch“ (Reprodukt Verlag) von Ulli Lust | |
Ich sammeln, du jagen: Wer kennt sie nicht, die Stereotype, wonach es | |
angeblich schon immer so gewesen ist, dass Männer hinausgehen, um | |
gefährliche Tiere zu fangen, während sich Frauen nach Beeren bücken und das | |
Höhlenfeuer schüren. Von da an ist es nicht weit zu der Idee, dass Frauen | |
gerne shoppen (Sammeltrieb!) und nicht einparken können, weil ihr | |
räumliches Vorstellungsvermögen unterentwickelt ist (braucht man ja nicht | |
in der Höhle). | |
Alles patriarchal eingefärbter Blödsinn natürlich, aber weit verbreitet, | |
von der Schulbuchdarstellung über die Netflix-Serie bis zu unverhohlen | |
[1][paläolithisch anmutenden Diäten] oder Fitnesstrends. Die Zeichnerin | |
Ulli Lust hat dem nun gut 200 Seiten opulent illustrierte weibliche | |
Menschheitsgeschichte entgegengesetzt. Ihre [2][aktuelle Graphic Novel „Die | |
Frau als Mensch“] (Reprodukt Verlag) vermittelt einen ganz neuen Blick auf | |
unsere Vor- und Frühgeschichte. Und dieser Blick ist weiblich: Da ähneln | |
Höhleneingänge ganz klar Vulven, Schamaninnen wandeln souverän zwischen | |
Welten und menstruierenden Mädchen werden in Initiationsritualen die Körper | |
bemalt. | |
Ulli Lust ist [3][in der Wiener Punkszene groß geworden], eine angenehme | |
Widerborstigkeit merkt man ihr auch heute noch an. Einen raumgreifenden | |
Nebensitzer im Flugzeug zeichnet die reisende Comicautorin als behaarten | |
Affen. Einen Kunstgeschichteprofessor, der gewichtig über (natürlich | |
ausschließlich männliche) Menschheitsdarstellungen doziert, provoziert sie | |
mit quersitzenden Fragen zu seiner Aussage, dass Männer halt „einfach | |
wichtiger“ gewesen seien als Frauen. | |
Lust hat selbst in Museen, an Ausgrabungsstätten und in der Kunstgeschichte | |
recherchiert und Erstaunliches herausgefunden: Etwa, dass es bis zur | |
Ankunft des Christentums fast ausschließlich weibliche Figuren waren, die | |
den Menschen repräsentierten, kräftige, nackte Figuren mit sichtbaren | |
Brüsten und Vulven. Oder dass Steinzeitmenschen wohl Universalisten waren. | |
Sie sammelten und jagten viel zusammen – auch die Frauen. Weswegen so | |
mancher Knochenfund, der bis vor Kurzem selbstverständlich als männlich | |
gelesen wurde, dann wohl doch eher von einer relativ großen Frau stammte. | |
Kunstgeschichte und Anthropologie vermischen sich in „Die Frau als Mensch“ | |
mit privaten Einblicken, etwa in Lusts von tiefer Mysogynie geprägte | |
katholische Kindheit. Das ist manchmal sehr lustig, gelegentlich | |
deprimierend und durchweg beeindruckend detailliert gezeichnet und | |
liebevoll koloriert. | |
In einem taz-Interview [4][hat Ulli Lust mal gesag]t, ihr Ziel sei es, mit | |
ihren Graphic Novels zur kulturellen Entwicklung beitragen zu können. Mit | |
ihrem feministischen Steinzeitcomic ist ihr das gelungen. Das sah auch die | |
Jury des Deutschen Sachbuchpreises so. „Die Frau als Mensch“ wurde am | |
Dienstag [5][zum Sachbuch des Jahres 2025 gekürt] – als erstes Comicwerk | |
überhaupt. | |
20 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Ernaehrung-in-der-Steinzeit/!5987693 | |
[2] /Ulli-Lust-ueber-ihren-neuen-Comic/!5479437 | |
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[4] /Montagsinterview-Comiczeichnerin-Ulli-Lust/!5135021 | |
[5] /Sachbuchpreis-fuer-Zeichnerin-Ulli-Lust/!6095109 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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