# taz.de -- Verschuldetes Brüssel: Pleite und regierungslos | |
> Die letzte Hoffnung für Brüssel ist ein Linksbündnis – doch das müsste | |
> sich vertragen und sparen, sparen, sparen. | |
Bild: Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel, die EU profitiert vom Standort | |
Die Börse in [1][Brüssel] ist schon längst kein Tempel des Geldes mehr. | |
Drinnen werden Ausstellungen und Flohmärkte organisiert, draußen auf den | |
Treppenstufen vor dem Hauptportal treffen sich die Brüsseler zum Shoppen | |
oder zum Rendezvous. La Bourse – das ist ein beliebter Treffpunkt mitten in | |
der Stadt. | |
Wie ein großes Familientreffen sah auch das Event am Pfingstmontag aus. | |
Doch das Freiluftpicknick, an dem mehr als 500 Bürgerinnen und Bürger | |
teilnahmen, hatte einen ernsthaften Hintergrund. Brüssel ist pleite, nach | |
einem Jahr ohne Regierung stehen die Stadt und die Region | |
Brüssel-Hauptstadt am finanziellen und politischen Abgrund. | |
„Es reicht, Brüssel kann nicht noch länger warten“, stand auf Flugblätte… | |
die die Veranstalter – eine bunte Mischung aus städtischen Bediensteten, | |
besorgten Unternehmern, Vereinen, Verbänden und Künstlern – am | |
Pfingstmontag ausgelegt hatten. Es roch nach Kaffee und Croissants, die | |
Stimmung war entspannt. | |
Dabei ist es ein Alarmsignal, dass die Bürger auf die Straße gehen. Die | |
Politik hat versagt – und das mitten in Europa und unter den Augen der | |
EU-Kommission, die ein paar Kilometer weiter auf einem Hügel namens | |
Berlaymont thront. Ein Jahr nach der Europawahl rutscht die Stadt Brüssel | |
immer tiefer in die Krise. | |
## Premierminister ist machtlos | |
Am liebsten würde er die Region unter Vormundschaft stellen, schimpfte der | |
belgische Premierminister Bart De Wever, nachdem der x-te Versuch zur | |
Bildung einer Regionalregierung gescheitert war. Doch die belgischen | |
Regionen – neben Brüssel-Hauptstadt gibt es noch Flandern und die Wallonie | |
– sind autonom, [2][De Wever ist machtlos.] | |
Auch die EU-Kommission ist außen vor. Kommissionschefin Ursula von der | |
Leyen kann (noch) nicht in die Kommunalpolitik hinein regieren. Eine | |
Koalition müssen die belgischen Politiker schon selbst hinkriegen. Doch die | |
sind heillos zerstritten. | |
Zwar haben die Wahlsieger vom liberalen Mouvement Réformateur (MR) ein | |
Programm vorgelegt – in der Hoffnung, dass die anderen Parteien darauf | |
eingehen und in Koalitionsverhandlungen einsteigen. Doch die Sozialisten | |
machen nicht mit, sie suchen eine linke Mehrheit. | |
Davor warnt wiederum die rechtsliberale Bundesregierung unter De Wever – | |
denn dann käme auch die linksradikale PTB (Partei der Arbeiter Belgiens) in | |
Brüssel an die Macht. Sie hatte vor einem Jahr 20,9 Prozent der Stimmen | |
geholt – kaum weniger als die Sozialisten (22,0) und das MR (25,9). In | |
einigen Stadtteilen lag die antikapitalistische Bewegung sogar vorn. | |
## Regieren tut weh | |
Allerdings haben vor allem die Grünen (Wahlverlierer mit 9,8 Prozent) wenig | |
Lust, sich mit der PTB einzulassen. Und ohne Grüne gibt es keine linke | |
Mehrheit. Erschwerend kommt hinzu, dass die Parteien in je eine frankofone | |
und eine flämische Formation gespalten sind – und dass für ein Bündnis auch | |
noch das muslimische „Team Fouad Ahidar“ gebraucht wird. Schwer zu sagen, | |
wie man da zusammenkommen soll. Zumal das Regieren in Brüssel ohnehin | |
keinen Spaß mehr macht, sondern richtig wehtut. Denn die Stadtregion ist | |
mit fast 15 Milliarden Euro bis über beide Ohren verschuldet und muss | |
sparen, sparen, sparen. Schlimmer ist die Lage in der EU eigentlich nur | |
noch in Berlin, das mit 66 Milliarden Euro in der Kreide steht. | |
Doch während Berlin historische Gründe wie die Wiedervereinigung anführen | |
kann, steht Brüssel mit seinen Schulden ziemlich dumm da. Die Lage könnte | |
sich sogar noch verschärfen – wenn die Rating-Agentur Standard & Poor’s die | |
Kreditwürdigkeit der Region herabstuft. Damit würden die Zinsen steigen, | |
der Schuldendienst würde noch teurer – das Regieren noch undankbarer. | |
Kein Wunder also, dass die Regierungsbildung wie eine „Mission impossible“ | |
aussieht. Erstaunlich ist allerdings, dass die EU nicht hilft. Sie | |
profitiert von der Infrastruktur in Europas Hauptstadt – doch mit den | |
Problemen Brüssels will sie nichts zu tun haben. | |
13 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Bruessel/!t5008623 | |
[2] /Belgiens-neue-Regierung/!6063626 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Kolumne Stadtgespräch | |
Brüssel | |
EU-Kommission | |
Schulden | |
Belgien | |
Kolumne Stadtgespräch | |
Kolumne Stadtgespräch | |
Kolumne Stadtgespräch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mental Load in Tunesien: Taekwondo bei 40 Grad im Schatten | |
Drei Monate dauern die tunesischen Sommerferien. Zwischen Bildungsmisere, | |
Wirtschaftskrise und Drittjob fragen sich die Eltern: Wohin mit den | |
Kindern? | |
Koloniales Erbe im Senegal: Ausgrabungen mit politischer Sprengkraft | |
Vor über 80 Jahren beging Frankreich ein Kolonialverbrechen an | |
afrikanischen Soldaten. Nun soll es dazu Ausgrabungen geben – oder doch | |
nicht? | |
Rekord-Konzert in Athen: 60.000 verkaufte Tickets in drei Stunden | |
Der Rapper Lex, Stimme der Krisengeschüttelten, schreibt griechische | |
Musikgeschichte. Fans kommen aus Australien und den USA zum Konzert nach | |
Athen. |