| # taz.de -- Rekord-Konzert in Athen: 60.000 verkaufte Tickets in drei Stunden | |
| > Der Rapper Lex, Stimme der Krisengeschüttelten, schreibt griechische | |
| > Musikgeschichte. Fans kommen aus Australien und den USA zum Konzert nach | |
| > Athen. | |
| Bild: Der griechische Rapper LEX | |
| Vasiliki seufzt. Die 18-jährige Griechin hockt an diesem 24. April in ihrer | |
| Studentenbude. Sie schaut auf ihr Smartphone, als sie auf Instagram die | |
| Nachricht ereilt: Lex gibt am 28. Juni ein Konzert im Athener | |
| Olympiastadion! Lex! Sofort will sie sich online ein Ticket für 15 Euro | |
| besorgen. Zu spät! Das Konzert ist bereits restlos ausverkauft. | |
| Es ist ein historischer Ausverkauf. In drei Stunden gehen etwa 60.000 | |
| Eintrittskarten weg. Das gab es noch nie in der griechischen | |
| Musikgeschichte. Aber nicht nur in Hellas ist das Interesse riesig. Ob in | |
| New York, München oder Melbourne: Griechen in der Diaspora, die ihre Heimat | |
| verlassen haben, wollen sich nach Athen begeben, nur um Lex live zu | |
| erleben. | |
| Der Nordgrieche – Bart, drahtig, stechender Blick – wird 1984 in | |
| Thessaloniki geboren. Sein bürgerlicher Name: Alexis Lanaras. Die in der | |
| griechischen Volksmusik vielfach als „große arme Mutter“ besungene | |
| Küstenstadt prägt ihn sehr. Alexis ist ein kreatives Kind voller Ideen, dem | |
| es sehr gefällt, in seiner Stadt unterwegs zu sein. Früh wird er | |
| Graffitikünstler. 1999, erst 15 Jahre alt, fängt er an, Musik zu machen. | |
| Seine erste Band „Sterne des Nordens“ (Woria Asteria) sorgt in Hellas’ | |
| damals noch überschaubarer Hip-Hop-Szene für Furore. 2010 beginnt er eine | |
| Solokarriere. | |
| ## Neuer Rekord für Hip-Hop-Konzerte | |
| Lex bleibt ein Rapper. Sein erstes Soloalbum erscheint unter dem Titel | |
| [1][„Gedemütigte und Hungernde“], von Musikjournalisten als „eines der | |
| ‚echtesten‘ Beispiele für zeitgenössischen griechischen Hip-Hop“ gefeie… | |
| 2018 folgt sein Album 2XXX. 2019 gibt er ein Konzert im Athener | |
| Petra-Theater, das über 10.000 Menschen besuchen. Mit jedem Live-Auftritt | |
| lege er „die Messlatte in der rapide wachsenden Rapszene höher“, wie seine | |
| Verehrer jubeln. | |
| 2022 tritt er im Kaftanzoglio-Stadion in Thessaloniki vor 30.000 Zuschauern | |
| auf, hierzulande ein neuer Rekord für ein Hip-Hop-Konzert. Im selben Jahr | |
| veröffentlicht er sein drittes Album, „Metro“, Ende 2024 erscheint sein | |
| jüngstes Album, „G.T.K.“, auf der Plattform Spotify. Bis heute sind die elf | |
| Songs von „G.T.K.“ über 75 Millionen Mal gestreamt worden. | |
| Lex ist ein Phänomen. Er wirbt nicht für seine Alben, er wirbt für keine | |
| Produkte. Er verzichtet auf Fernsehauftritte, Lifestyle-Magazine sind für | |
| den ungeheuer populären Künstler ein absolutes No-Go. | |
| Von klein auf liebt er das Kino. So wie es Filme tun, schafft er in seinen | |
| Liedern eine eigene Welt. Lex inszeniert mit Worten, Lex singt immer auf | |
| Griechisch. Seine Texte handeln von der Wirtschaftskrise, von Armut, | |
| Korruption, Polizeigewalt. Was er hingegen ablehnt: Drogen, Waffen, | |
| Reichtum. Seine Texte seien keine Poesie, sondern Antipoesie, so Lex. Seine | |
| Figuren seien keine Supermänner, sondern voller Widersprüche. Normale Leute | |
| eben. Wie er. Er hebt nicht ab, obgleich seine Fangemeinde wächst und | |
| wächst. | |
| ## Mit Parteien hat Lex nichts am Hut | |
| Politisch einfärben lässt er sich nicht, mit Parteien hat Lex nichts am | |
| Hut. Die Subkultur, die er zum Ausdruck bringt, habe nichts mit Klassen-, | |
| politischen oder musikalischen Kriterien zu tun, sagt er. Sie spiegele nur | |
| seine Wahrnehmung wider, wonach die heutige Welt [2][von einer | |
| allgegenwärtigen Ungerechtigkeit] beherrscht werde. Seine Generation, die | |
| Generation K (das K steht für Krise), die in der desaströsen | |
| Griechenlandkrise der Zehnerjahre aufgewachsen ist, sei die Generation des | |
| Zweifels. Lex dazu: „Uns wurde der Zweifel intravenös verabreicht.“ | |
| Kein anderer Songwriter schafft es so wie Lex, die Gefühle und Erfahrungen | |
| der hiesigen Generation K auszudrücken: die Angst, die Unsicherheit, die | |
| Suche nach Selbstachtung und Würde. Keiner kann so gut die [3][wütende | |
| Melancholie dieser Epoche] in Worte und Rhythmus fassen. | |
| Vasiliki, die Studentin, die kein Ticket für das große Lex-Konzert in Athen | |
| ergattern konnte, tröstet sich. Wenn Lex am 28. Juni vor einem | |
| Riesenpublikum rappen wird, werde sie woanders seine Lieder hören, | |
| mitsingen, mitsprechen, tanzen. Wie sagt es Lex so schön: „Ohne Geld, aber | |
| mit dem Recht zu träumen.“ | |
| 18 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ferry Batzoglou | |
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