# taz.de -- Klimawandel: Deutschland war im Frühjahr trocken wie Staub | |
> Die Dürremonitore schlagen Alarm: Noch nie hat es im Frühjahr so wenig | |
> geregnet wie in diesem Jahr. Dabei gibt es für Dürre unterschiedliche | |
> Definitionen. | |
Bild: Lehmhaltiger Boden ist trotz der geringen Niederschläge nur oberflächli… | |
Der „Dürremonitor“ des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung | |
(UFZ) kennt fünf Stufen. In diesem Frühjahr waren zwei Drittel der | |
deutschen Landkarte dunkelrot eingefärbt, was einer „außergewöhnlichen | |
Dürre“ im Oberboden bis 25 Zentimeter Tiefe entspricht – also Alarmstufe | |
Rot. Besonders betroffen war Norddeutschland. „In normalen Jahren haben wir | |
hier 150 bis 180 Liter Regen bis Anfang Mai“, sagt Björn Scherhorn, der auf | |
100 Hektar im Landkreis Osnabrück an der Grenze zum Artland eine | |
Biomilchwirtschaft betreibt. „In diesem Jahr waren es gerade einmal 17 | |
Liter“. | |
Der Deutsche Wetterdienst kann seit 1931 auf aussagekräftige Daten | |
zurückgreifen. Demnach fiel in Deutschland in diesem Frühjahr so wenig | |
Niederschlag wie nie zuvor: Zwischen dem 1. Februar und dem 31. Mai regnete | |
es lediglich 118 Liter, was 53 Prozent des Durchschnitts der Jahre 1990 bis | |
2020 entspricht. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede: Während | |
es im Schwarzwald und in Oberbayern mehr als 300 Liter regnete, herrschte | |
im Norden und Osten Dürre. | |
Dabei ist „Dürre“ ein relativer Begriff: „Als Dürremonat wird ein Monat | |
beschrieben, der 80 Prozent weniger Bodenfeuchte aufweist als im Mittel der | |
Jahre 1951 bis 2015“, erklärt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für | |
Umweltforschung in Leipzig, der dort für den Dürremonitor zuständig ist. | |
Ein statistisches Verfahren also. | |
## Unterschiedliche Modelle zur Dürremessung | |
Eine kontinuierliche Messung der Bodenfeuchte gibt es in Deutschland erst | |
seit wenigen Jahren. Die Leipziger Wissenschaftler haben die Ergebnisse mit | |
ortsspezifischen Gegebenheiten – beispielsweise der Bodenart und ihrer | |
Fähigkeit, Wasser zu leiten, sowie dem Bewuchs und mit den Wetterdaten des | |
jeweiligen Zeitpunkts kombiniert. Auf dieser Grundlage entwickelten sie das | |
[1][hydrologische Modell mHM]. Damit lässt sich die Bodenfeuchte in allen | |
Regionen Deutschlands bis zurück ins Jahr 1951 rekonstruieren – sowohl im | |
Oberboden als auch in einer Tiefe von bis zu 1,80 Metern. | |
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) misst Dürre anders. „Wir verfolgen einen | |
agrarmeteorologischen Ansatz“, sagt Uwe Kirsche, Sprecher des DWD. Der DWD | |
misst jene Feuchte, die im Boden für das Pflanzenwachstum verfügbar ist. | |
Ein messdatenbasiertes Verfahren. Der Unterschied wird im Januar sichtbar: | |
„Der deutsche Wetterdienst würden da nie von Dürre sprechen“, so Kirsche, | |
„einfach weil keine Pflanzen Feuchtigkeit zum Wachstum nutzen.“ | |
Der Dürremonitor nutzt zwar auch Daten des DWD, die tagesaktuell | |
eingepflegt werden. Darüber hinaus nutzen die Leipziger Wissenschaftler | |
aber auch Daten der Europäischen Umweltagentur, der Bundesanstalt für | |
Geowissenschaften und Rohstoffe oder des European Water Archives. In ihren | |
Monitor rechnen sie auch die Bodenbeschaffenheit ein: Sandige Böden nehmen | |
Wasser zwar schneller auf als schwere, tonhaltige Böden, können aber | |
wesentlich weniger Feuchtigkeit speichern. | |
## Durch Hitzewellen nehmen Böden schlechter Wasser auf | |
Hitzewellen verstärken die Dürregefahr in allen Böden. Im Vergleich zur | |
internationalen Referenzperiode lag die Temperatur im März dieses Jahres | |
[2][um 2,6 Grad höher]. Höhere Temperaturen trocknen die Erde aus, wodurch | |
sich ihre hydraulische Leitfähigkeit minimiert. „Der Boden ist dann wie | |
imprägniert, ausgedörrte Böden sind in der Regel selbst nach einem starken | |
Regenguss staubtrocken“, sagt Marx. Zwar sehe die Oberschicht nach einem | |
Platzregen oft nass aus, und sie fühle sich manchmal auch so an. Doch bis | |
in die tieferen Schichten dringt der Regen nicht mehr vor. Andreas Marx | |
vergleicht das mit dem Kuchenbacken: „Schüttet man Milch auf trockenes | |
Mehl, vermengt sich beides kaum. Ein feuchter Teig hingegen nimmt | |
Flüssigkeit sehr leicht auf.“ | |
Ausgedörrte Tiefenschichten können Wasser also nicht mehr aufnehmen, es | |
perlt an ihnen ab, verbleibt in den höheren Bodenschichten oder fließt | |
gleich an der Erdoberfläche ab. Dürre ist deshalb mehr als die Regenmenge. | |
Dürre ist auch eine Frage der Bodenbeschaffenheit, der hydraulischen | |
Leitfähigkeit, der Verdunstung der Vegetation. Diese steigt, je wärmer es | |
ist – pro Grad um 7 Prozent. Mehr Verdunstung durch die Pflanzen entzieht | |
dem Boden Wasser. | |
Der Deutsche Wetterdienst betreibt den „[3][Bodenfeuchteviewer]“: Der | |
zeigte in diesem Frühling ähnliche Ergebnisse wie der Dürremonitor, | |
allerdings sind hier die Ausschläge nach einem Regen sichtbarer als beim | |
Dürremonitor. „Zwar hat der Regen in den letzten zweieinhalb Wochen etwas | |
Entspannung gebracht“, sagt Andreas Brömser, Agrarmeteorologe beim | |
Deutschen Wetterdienst. In den kommenden Tagen „halten sich die | |
Niederschlagssignale aber in Grenzen“. Der Deutsche Wetterdienst erwartet | |
wiederum einen zu warmen und zu trockenen Sommer. Der Klimawandel sei | |
bereits ablesbar: „Die Starkregenfälle nehmen zu“, sagt Brömser, der Boden | |
könne dann das viele Wasser gar nicht mehr aufnehmen. In den letzten Tagen | |
hatte es Thüringen, Niedersachsen, das Erzgebirge oder Ostwestfalen | |
erwischt. | |
## Grundwasserpegel historisch niedrig | |
„Als Landwirt bist du unmittelbar betroffen“, sagt Bauer Björn Scherhorn, | |
„wir müssen reagieren.“ Kühe fühlen sich am wohlsten bei 15 Grad, steigt | |
die Temperatur über die 30-Grad-Marke leiden sie unter Hitzestress. Der | |
sorgt nicht nur dafür, dass die Kühe weniger Milch geben – auch ihr | |
Immunstatus sinkt, die Eutergesundheit, die Fruchtbarkeit, der gesamte | |
Stoffwechsel leidet. Aber den Scherhorns ist das Wohlbefinden ihrer Kühe | |
wichtig, 260 Tage dürfen sie auf die Weide, Björn Scherhorn will, dass es | |
seinen Kühen gut geht. „Wir züchten jetzt kleinere Kühe“, sagt der | |
44-Jährige. Kleinere Kühe weisen weniger Verdunstungsfläche auf, Scherhorn | |
hofft, so den Hitzestress schmälern zu können. | |
Aber nicht nur die Bauern sind betroffen, wie eine Grundwasserstudie des | |
BUND ergab: Demnach wurden noch nie so geringe Grundwasserstände gemessen | |
wie derzeit und die Kommunen verbrauchen mehr als sich durch Niederschlag | |
nachbilden kann. Die Wasserversorgung in Deutschland basiert zu 70 Prozent | |
auf Grundwasser, also Vorkommen, die in bestimmten Tiefenschichten oder | |
Gesteinsformationen lagern. 30 Prozent werden über Talsperren versorgt, | |
allerdings sind die Füllstände wegen des geringen Regens dort tiefer als in | |
Normaljahren. Dabei hatte sie sich nach den letzten Trockensommern | |
eigentlich entspannt: Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 fielen im | |
deutschlandweiten Mittel 1.070 Liter Regen pro Quadratmeter, ein Wert der | |
in den Tropen normal ist. Eigentlich müssten die Grundwasserleiter, also | |
Gesteinskörper mit Hohlräumen, durch die Wasser fließen kann, noch davon | |
zehren. | |
Welchen Unterschied strenger Klimaschutz machen würde, [4][zeigte eine | |
Studie], an der auch das Leipziger UFZ beteiligt war: Erwärmt sich die Erde | |
um 3 Grad, wären in Mitteleuropa 40 Prozent mehr Gebiete von Dürre | |
betroffen als bei 1,5 Grad. Auch die Zahl der Dürremonate würde steigen, | |
hierzulande wären besonders Ost- und Süddeutschland betroffen. Andreas | |
Marx, der Hüter des Dürremonitors sagt: „Noch haben wir die Wahl, wie stark | |
die Dürren in Deutschland zunehmen.“ | |
19 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1029/2008WR007327 | |
[2] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2025/20250331_pm_maerz_n… | |
[3] https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klima-webdienste/bodenfeuchteviewer_node.… | |
[4] https://www.nature.com/articles/s41598-020-68872-9 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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