# taz.de -- Künstlerin Park McArthur: Zwischen Hospital und White Cube | |
> Die US-Künstlerin Park McArthur sitzt im Rollstuhl. Im Museum Abteiberg | |
> in Mönchengladbach gestaltet sie die Dinge ihres Alltags zu erhellender | |
> Kunst. | |
Bild: Könnte die minimalistische Rauminstallation eines Donald Judd sein: Park… | |
Debra Ruh setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Menschen mit | |
Behinderungen ein. Für die US-Unternehmerin Ruh ist Behinderung keine | |
identitäre Kategorie, sondern Zustandsbeschreibung einer Welt, die Menschen | |
ohne (imaginierten) Normkörper beeinträchtigt. Entsprechend heißt eine | |
ihrer Maximen: „Barrierefreiheit ermöglicht uns, das Potenzial aller | |
auszuschöpfen.“ Wie viel Potenzial wird in deutschen Museen aufgrund | |
fehlender Barrierefreiheit verschwendet? | |
Die 1984 im Bundesstaat North Carolina geborene Künstlerin Park McArthur | |
weiß davon zu berichten, in ihrer Karriere ist sie oft selbst an | |
Mobilitätsgrenzen gestoßen: McArthur ist Rollstuhlfahrerin. Daran, wie es | |
ist, auf eine Bewegungshilfe angewiesen zu sein, lässt sie die Kunstwelt | |
seit mehr als zehn Jahren Teil haben. | |
Ihren Durchbruch feierte sie 2014 mit einer Ausstellung in der Essex Street | |
Gallery in New York, wo eine ganze Armada an Objekten den Boden der Galerie | |
füllte. Grobe Objekte aus Holz und Alu, teils handwerklich in DiY-Manier | |
gearbeitet, andere zeigen den spröden Charme industrieller Fertigung. „Als | |
die Besucher*innen reinkamen, hielten sie es erst für einen Kommentar | |
auf die [1][minimalistische Ausstellungspraxis von Donald Judd]“, erklärte | |
McArthur dem britischen Guardian. Dabei handelte es sich schlicht um | |
Rampen, die die Künstlerin in den Jahren zuvor genutzt hatte, um fehlende | |
Barrierefreiheiten auszugleichen. Der Titel der Schau lautete „Ramps“. | |
## Reisen wird hier zur Provokation | |
Zwei von ihnen sind nun im Mönchengladbacher Museum Abteiberg ausgestellt; | |
in der ersten großen institutionellen Ausstellung McArthurs in Deutschland. | |
Es ist nur eine Hälfte der Ausstellung. Ihr Gegenpart läuft zeitgleich im | |
Wiener mumok. Es bedarf also eines größeren Aufwands, damit man die | |
Gesamtausstellung sieht. Eine Zumutung? Eine gewollte Provokation. | |
Erschwerte Zugänge zu Kunst, Kultur und öffentlichem Leben sind maßgeblich | |
prägende Erfahrungen aus denen Park McArthur ihre Kunst schafft. Oftmals | |
ist die Angewiesenheit auf Hilfe Zumutung und Peinlichkeit. Gerade Museen | |
bekleckern sich nicht mit Ruhm: Obwohl in den letzten Jahren, auch aufgrund | |
gesetzlicher Vorgaben, in vielen Institutionen nachgebessert wurde, sieht | |
der Alltag meist trist aus. | |
Fehlende Leitsysteme machen den [2][Museumsbesuch für Menschen mit | |
verringertem Sehvermögen] zu einem wortwörtlichen Hindernislauf; für die | |
wenigsten Videoarbeiten gibt es Untertitel oder Audiodeskriptionen; | |
Besucher*innen, die auf Rollstühle angewiesen sind, werden von Treppen, | |
Kanten und fehlenden Rampen aufgehalten. Gemälde, um das Bild zu | |
vervollständigen, hängen nicht in der Sichtlinie von Rollstuhlfahrer*innen, | |
weswegen diesen stets eine – diplomatisch ausgedrückt – ungewöhnliche | |
Perspektive vorbehalten bleibt. | |
## Feinsinnige Zwischentöne | |
Die Wut, die Park McArthur womöglich verspürt, lässt sich aus ihrer | |
Ausstellung in Mönchengladbach nicht rauslesen; ihre Kunst spielt in | |
feinsinnigen Zwischentönen. Begrüßt wird man am Abteiberg von zwei | |
metallischen Trays, wie man sie aus den Welten des Krankenhauses kennt. Das | |
eine beinhaltet die uns noch sehr vertrauten Hilfsmittel zur Eindämmung von | |
Covid-19: FFP2-Masken, Desinfektionsmittel als Spray und für die Hände, | |
Tests. Dazwischen liegen Kondome, die wiederum an aktuelle Mpox-Epidemien | |
([3][oder die Aids-Krise der 80er und 90er]) erinnern. Wir erinnern uns, | |
dass während der Coronapandemie viele Kommentatoren – vor allem in | |
McArthurs US-Heimat – forderten, die Schutzbedürftigen, also auch Menschen | |
mit Behinderung und anderen Risikofaktoren, sollten zu Hause bleiben, damit | |
der Rest normal weiterleben könne. | |
Eine Etage höher im verwinkelten Postmodernebau kullern medizinische | |
Filteradapter über den Boden. Das Environment „Carried and Held“ aus | |
zahlreichen Aufsätzen, die man bei Lungenfunktionstests nutzt, muss mit | |
einer gewissen Vorsicht beschritten werden – für Rollstuhlfahrer*innen | |
kaum zu schaffen. McArthur hat hier wahre Krankenhausästhetik geschaffen, | |
wie auch die Wandarbeit „Mission“ zeigt, die als großformatiges Gemälde a… | |
medizinischem Aluminium angefertigt wurde und an OP-Tische erinnert. | |
Dabei greift McArthur geradezu selbstverständlich auf den Formenschatz der | |
Minimal Art zurück. Vergleiche zu Donald Judd aber auch Barry Le Va drängen | |
sich auf, die großen, schwarzen Schaumquader „Polyurethane Foam“, derer | |
gleich mehrere in der Ausstellung stehen, wirken in ihrer bisweilen | |
schroffen Oberfläche dann eher postminimalistisch. | |
„Contact M“, das Kunstwerk, das der Schau den Namen verleiht, ist hingegen | |
ortsungebunden: Es ist ein Audiowalk, der von überall abzurufen ist und die | |
Hintergründe der Ausstellung beleuchtet. Das konzeptuelle Klangkunstwerk | |
entstand noch bevor Park McArthur die Museen in Mönchengladbach und Wien | |
überhaupt besucht hat. Es ist nicht so leicht zu reisen, wenn man auf Hilfe | |
angewiesen ist. | |
18 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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