Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berlins linke Szene: „Punkytown“ in Karlshorst
> Autonome Linke besetzen am Freitag im Rahmen von Aktionstagen zur
> Unterstützung der Wagenburgen ein verwildertes Gelände gegenüber der
> Trabrennbahn. Die Polizei räumt das Areal am Samstagmorgen.
Bild: Hello Kitty darf als Maskottchen der Linken Szene in Berlin dienen
Berlin taz | „I will survive“ trällert die Stimme von Gloria Gaynor aus der
mitgebrachten Boombox vor der Treskowallee 160, schräg gegenüber der
Trabrennbahn. Soeben wurde hier ein grün verwildertes Gelände besetzt,
kleiner als ein Fußballplatz. Ein Dutzend Aktivist*innen sitzt nun in
der Mitte der Wiese vor einem einzigen Wohnwagen, auf dem, wie zur
Erinnerung, ein Transparent mit der Aufschrift „besetzt“ prangt.
Weiterhin gibt es Wagenplätze in Berlin und wenn es nach ihren
Bewohner*innen geht, wird es sie auch noch lange geben. [1][„We Wheel
Survive“ lautet deswegen das Motto der Aktionstage], die an diesem
Wochenende schon zum zweiten Mal in Berlin stattfinden. Mit dem viertägigen
Wagenplatz-Event wollen sich linke Projekte und Kollektive weiter vernetzen
und auf die anhaltende Gentrifizierung aufmerksam machen, die sie bedroht
oder ihnen bereits die Existenz genommen hat.
Politischer Höhepunkt am Freitag ist eben der neu besetzte Platz. Das brach
liegende Gelände soll nach Besetzerangaben der BIM gehören, der Berliner
Immobilienmanagement GmbH, und damit also der Stadt. Die Besetzer*innen
fordern dementsprechend Verhandlungen mit der Stadt über einen Mietvertrag.
„Punkytown“ soll der neue Platz laut einem Transparent am verschlossenen
Eingangstor heißen – in Anlehnung an „Funkytown“, wie ein Umstehender
grinsend erklärt. Dabei handelt es sich um ein „innovatives
Kreativ-Quartier“, das beim ehemaligen Funkhaus in der Nalepastraße
entstehen soll – nicht weit von der Treskowallee entfernt.
Die Besetzer*innen wollen zunächst nicht mit der Presse sprechen,
sondern verweisen auf ein mitgebrachtes Flugblatt. „Berlin ist voll von
Flächen (…), die seit Jahren leer stehen“, steht da. „Sie werden ‚frei…
gehalten für längst Beschlossenes, zweimal Verworfenes und doch niemals
Umgesetztes.“ Bereits seit Jahren würden sie als Wagenplatzgemeinschaft um
ihr Fortbestehen kämpfen. „Wagenplätze existieren. Sie sind eine Wohnform,
die aus dem Berliner Stadtbild weder wegzudenken noch wegzubekommen ist.“
Die Besetzer*innen fordern unter anderem den dauerhaften Erhalt und die
rechtliche Absicherung bestehender Wagenplätze, einen Zugang zu
leerstehenden städtischen Flächen und die Anerkennung alternativer Lebens-
und Wohnformen.
Maximal 40 Unterstützer*innen in vorwiegend schwarzer Kleidung
versammeln sich in der Abendsonne vor dem abgesperrten Tor, die Boombox
spielt abwechselnd Punk und Trash, die Stimmung ist entspannt. Es ist ein
bisschen wie ein „punx picnic“ – allerdings mit Jever Fun, man weiß ja n…
Die eher spärliche Unterstützung ist nicht gerade eine Machtdemonstration,
doch davon lassen sich die Unterstützer*innen nicht aus der Ruhe
bringen. Ebenso gemächlich reagiert auch die Polizei: Nach einer Stunde
rückt der erste Mannschaftswagen an, nach zwei Stunden der zweite. Nach
drei Stunden stehen die Polizist*innen von sechs „Wannen“ in der Gegend
herum und sind damit etwa so viele wie die Unterstützer*innen. Diese haben
inzwischen eine Kundgebung angemeldet, die bis zum späten Abend dauert. Die
„Redebeiträge“ vom besetzten Gelände bestehen aus launischen Sätzen wie
„Wir untersagen das Betreten unseres Geländes“ oder „Geht nach Hause, es
ist Brückentag!“
Zwei der anwesenden Unterstützer*innen haben über Mundpropaganda von
der Besetzung erfahren, sie nennen sich Sterni und Goldi. „In dieser teuren
Stadt gibt es zu wenig bezahlbaren Wohnraum“, sagt Sterni. „Leute brauchen
Platz zum Wohnen und es gibt genug Grundstücke der Stadt, die frei sind.“
Das Wagenleben sei eine alternative Wohnform. „Das Baurecht müsste geändert
werden, damit man sich auf Wagenplätzen anmelden kann“, fordert sie. „Erst
dann wäre Wagenleben legal.“
Das alternative, selbstbestimmte Leben habe Berlin besonders gemacht; viele
Leute würden genau deswegen nach Berlin kommen. „Und dieses alternative
Leben muss es auch real geben“, ergänzt Goldi. Beide sind sich einig: „Es
gibt nicht genug Wagenplätze!“
Doch wieder einmal lässt sich die Stadt nicht auf Verhandlungen mit den
Besetzer*innen ein. Stattdessen räumt die Polizei am Samstagmorgen das
Gelände, die dort angetroffenen Personen werden kurzzeitig festgenommen.
Damit ist auch diese Besetzung beendet, aber die Forderungen der
Wagenplatzbewohner*innen bleiben bestehen. Auf ihrem Telegram-Kanal
kündigten sie an, weiter dafür zu kämpfen, dass die Stadt divers bleibt.
31 May 2025
## LINKS
[1] /Bewegungstermine-in-Berlin/!6090709
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Linke Szene
Autonome Szene
Schwerpunkt Antifa
Autonome
Berlin
Linke Proteste
Linke Szene
Rechtsextremismus
Cottbus
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wagenplatz-Tage in Berlin: Drei Besetzungen in drei Tagen
Die ehemalige Kneipe Meuterei, ein Wagenplatzgelände und ein Gebäude im
alten Stasi-Komplex: Drei Besetzungsaktionen führen zu Einsätzen der
Polizei.
Linke Szenekneipe in Dortmund: Attacke auf die „Hirsch Q“
Samstagnacht beschädigen mehrere Personen den Eingangsbereich der
Gaststätte. Anschließend nimmt die Polizei vier extrem Rechte wegen des
Verdachts auf schweren Landfriedensbruch fest.
Nazis attackieren Hausprojekt in Cottbus: Sichere Orte gesucht
Die Cottbuser „Zelle79“ ist erneut von Nazis angegriffen worden. Nun rücken
viele links-alternative Projekte in der Lausitz zusammen.
Rechtsextremismus-Bericht in Neukölln: Antifaschismus, aber bitte neutral
Im Berliner Bezirk Neukölln wird ein Bericht zum Rechtsextremismus
zurückgezogen – wohl aus Angst vor CDU und AfD. Dann veröffentlicht ihn
eben die taz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.