| # taz.de -- Rundfahrt „Kurswechsel“ in Bremerhaven: Mit Tiefgang im Hafen | |
| > In Bremerhaven gibt die Rundfahrt „Kurswechsel“ Einblicke in die | |
| > Schattenseiten der Schifffahrt – mal im Hafenbus und mal in einer | |
| > Barkasse. | |
| Bild: Eine Welt mit vielen Schattenseiten: die Stromkaje in Bremerhaven | |
| Bremerhaven taz | Eine Hafenrundfahrt zählt für Touristen in Städten wie | |
| Hamburg, Bremen und Bremerhaven zum Standardprogramm. Aber sie muss sich | |
| nicht in Seefahrtsromantik ergehen. Es können auch harter Alltag und | |
| historische Altlasten im Fokus stehen. In Hamburg beleuchten die | |
| „Alternativen Hafenrundfahrten“ seit Jahrzehnten die Schattenseiten von | |
| Schifffahrt und maritimer Wirtschaft. | |
| Neuerdings ermöglicht auch in Bremerhaven das Bremer entwicklungspolitische | |
| Netzwerk (BEN) einen kritischeren Blick: Die Rundfahrt „Kurswechsel“ findet | |
| mal mit dem Hafenbus und mal auf einer Barkasse statt. Sie wird seit einem | |
| Jahr auf Anfrage für Gruppen ab 20 Personen angeboten. Termine vergibt das | |
| BEN, das die Tour in Kooperation mit der Seemannsmission und dem | |
| Nord-Süd-Forum Bremerhaven konzipiert hat und sie, auch mit Hilfe von | |
| Ehrenamtlichen, durchführt. | |
| Auf einer Fahrt sind Johanna Zschornack, Luzie Krüger und André Fischer die | |
| Crew. Während der Bus Kajen, Kräne und Schiffe passiert, nehmen sie die | |
| Gäste in Gedanken mit auf die Reise: Kapitäninnen und Offiziere seien drei | |
| Monate an Bord, die anderen Crewmitglieder neun bis elf Monate. Man ist | |
| also lange von denselben Menschen umgeben. | |
| „Vielleicht kannte man sich schon vorher, vielleicht nicht. Vielleicht | |
| spricht man nicht dieselbe Sprache.“ Vielleicht ist das Schiff modern und | |
| sauber, hat Aufenthalts- und Fitnessraum. Oder es ist alt, ohne | |
| Freizeitmöglichkeiten und ständig ist etwas kaputt. Das Essen kann zu | |
| wünschen übriglassen: „Es ist möglich, dass es seit Wochen keinen Kaffee | |
| gibt, kein frisches Obst. Die Lebensmittelpreise können sehr teuer sein | |
| mitunter, sodass die Reedereien untersagen, in Europa einkaufen zu gehen.“ | |
| Die Gedankenreise, auf die Zschornack, Krüger und Fischer mitnehmen, | |
| berührt auch Ängste: Vor Stress mit der Reederei und Angriffen im Roten | |
| Meer. Währenddessen fährt der Bus vom Deutschen Schifffahrtsmuseum bis zum | |
| Nordende des Containerterminals. | |
| Das Team verortet Schifffahrt historisch und politisch. Bremen und | |
| Bremerhaven haben als Teil des globalen Nordens von der Globalisierung | |
| profitiert, auf dem Rücken des globalen Südens, so der Tenor. Schiffe | |
| beförderten zum Beispiel Auswanderer von hier fort und „Kolonialwaren“ wie | |
| Zucker und Tabak her. Die Waren wurden unter „schwierigen, unmenschlichen, | |
| sklavenähnlichen“ Bedingungen oder tatsächlich in Sklaverei hergestellt und | |
| transportiert. | |
| Nah heran rückt das, als der Bus den Edeka-Markt beim Zolltor Rotersand | |
| passiert. Der Name Edeka entstand einst aus der Abkürzung „E. d. K.“ und | |
| die stand für „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im | |
| Halleschen Torbezirk zu Berlin“. Das wird auf der Tour angesprochen und | |
| [1][Edeka] bestätigt es auf Anfrage. | |
| Die [2][Kolonialzeit wirke weiter], durch ungleiche Kräfteverhältnisse und | |
| ungleiche Wohlstandsverteilung. Klar sei zugleich, dass unser Leben ohne | |
| Schifffahrt so nicht funktionieren würde. | |
| Der „Kurswechsel“ hält kein Plädoyer gegen die Schifffahrt, sondern will | |
| Schattenseiten bewusst machen. Und jede:r könne das Los der Seeleute | |
| verbessern helfen. Durch Nachfragen bei Unternehmen, wie ihre Waren | |
| verschifft werden. An der Wahlurne, weil Regelwerke wie die Maritime Labour | |
| Convention auch von Regierungen gemacht werden. Oder bei Organisationen wie | |
| der [3][Seemannsmission], die sich vor Ort engagieren. | |
| Eine Hafenrundfahrt mit Tiefgang. Denkbar sei eine ähnliche Tour künftig | |
| auch in Bremen, sagt Zschornack, die beim BEN arbeitet. In Hamburg hat | |
| [4][die dortige Hafengruppe] des Vereins zur Förderung | |
| entwicklungspädagogischer Arbeit ihre Rundfahrten inzwischen thematische | |
| Schwerpunkte gegeben. So gibt es eine „energiepolitische Hafenrundfahrt“ | |
| unter dem Titel „Gegen den Strom“ und eine, die sich der Frage widmet, ob | |
| Piraten „glorreiche Halunken oder Abgehängte dieser Welt“ gewesen sind. | |
| 26 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Edeka/!t5014301 | |
| [2] /Bildungsreferentin-ueber-Kolonialismus/!6097056 | |
| [3] /Kolumne-Zwischen-Menschen/!5512190 | |
| [4] https://www.hafengruppe-hamburg.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Phillipp Steiner | |
| ## TAGS | |
| Bremerhaven | |
| Schifffahrt | |
| Containerschifffahrt | |
| Hafen | |
| Arbeitsbedingungen | |
| Seefahrt | |
| Schiff | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Seefahrt | |
| Seefahrt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nach Abwrackung der „Seute Deern“: Kein Schiff wird kommen | |
| Bremerhaven geht ein Licht auf: Der Nachbau des historischen Stahlseglers | |
| „Najade“ würde zu teuer. | |
| Arbeitsbedingungen auf Containerschiffen: „Ozeane gleichen dem Wilden Westen�… | |
| Auf vielen Schiffen herrschen miserable Arbeitsbedingungen. | |
| Hafen-Kontrollen der Gewerkschaften sollen das ändern. Die taz ist mit an | |
| Bord gegangen. | |
| Psychologe über die Sorgen auf See: „Ich wurde zur Unperson“ | |
| Hans-Joachim Jensen ist früher selbst zur See gefahren. Später hat er sich | |
| als Psychologe für bessere Arbeitsbedingungen der Seefahrer eingesetzt. | |
| Seemannsdiakon über Krisenbewältigung: „Oft sitzen wir erst mal nur da“ | |
| Seemannsdiakon Dirk Obermann koordiniert die Hamburger Notfallbetreuung für | |
| Seeleute. Nach Unglücken geht er an Bord. |