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# taz.de -- Album von Dzung als Vietnam-Soundtrack: Grüne Kokosnüsse im Sonne…
> Mit dem Album „2025 – hay không hay lắm“ will der vietnamesische Mus…
> Dzung eine Soundreise durch sein Heimatland machen. Gelingt es ihm?
Bild: Macht auch musikalisch gerne Selfies: Künstler Dzung
Berlin taz | Wer an landestypische Fortbewegungsmittel in Vietnam denkt,
kommt vermutlich schnell auf Fahrräder oder Motorroller, ganz sicher wird
es zweirädrig sein. Was den Tourismus in dem südostasiatischem Land
anbelangt, sind Nachtbusse mit LED-Leuchtspaß und Klimaanlage das
bevorzugte Reisemittel. Dabei lässt die weite Entfernung von 1.726
Kilometern zwischen der jetzigen Hauptstadt Hà Nội und der ehemaligen
Hauptstadt Sài Gòn, heute Ho-Chi-Minh-Stadt, die Fahrt im Zug in etwa 35
Stunden zum richtigen Erlebnis werden.
Ja, Erlebnis, weil es vermutlich kaum eine schönere – nach dem Fahrrad –
Möglichkeit gibt, Vietnam zu erkunden. Allein der Abschnitt zwischen Huế
und Đà Nẵng, der über den sogenannten Wolkenpass Hải Vân führt, ist ei…
Achtung! – Zugpferd. Zugreisen sind es auch, die den vietnamesischen
Musiker Dzung in seinem Schaffen prägen und zu seinem neuen Album
inspiriert haben. Seien es die Reisen zu den Großeltern von Hà Nội nach Nha
Trang, oder die schon erwähnte Strecke zwischen der alten und neuen
Hauptstadt.
Dzungs Konzeptalbum „2025 – hay không hay lắm“ (2025 – zwei null zwe…
soll genau solch eine Reise musikalisch darstellen. Sogleich im Titel
honoriert Dzung die vietnamesische Sprache, die voller Homonyme witzelt:
Die Zahl fünf wird im Süden als „lăm“ gesprochen, währenddessen sie im
Norden „năm“ ausgesprochen wird. Und so ergibt sich aus „2025“ das
Wortspiel „ist es gut, ist es sehr gut“.
Für Dzungs „neu erschaffenen Zug: größer, schlichter im Design, mit
moderner Technik, aber auch mit der Essenz traditioneller Werte“, hat der
Produzent auf seinen Reisen Fieldrecordings aufgenommen und dazu
verschiedene Gastmusiker*innen eingeladen. Während der erste Teil des
Albums instrumental ist, bildet der zweite ein Abbild des ersten, nur soll
dieser mit Gesang eine weitere Facette der Reise erschaffen. So entstehen
14 Songs, die als „lyrische Heimatmusik“ bezeichnet werden,
charakteristisch sind Geräuschschnipsel des Schnellzugs SE8 („Con Tàu“),
das Brummen von Fischerbooten vor der Insel Phú Quý („Nghinh Ông Thuỷ
Tướng“) und auch etwas plump ein Feuerwerk („Pháo“). Am besten funkti…
aber die Bahnhofsansage bei „Con Tàu“, wenn zusätzlich noch eine Durchsage
erklingt, in der eine stoische Frauenstimme etwas Vertrautes und Poetisches
weckt.
## Wie in einer rappelvollen Regionalbahn
Der künstlerische Versuch Dzungs, Vietnams Facetten darzustellen, scheitert
jedoch. Es stellt sich unmittelbar die Frage nach diesen, insgesamt
ziemlich einheitsbreiigem Sound, und so gleicht das Album eher einer Fahrt
in einer rappelvollen Regionalbahn, in der alle angedudelt sind und Wurst
im Teigmantel mampfen (wie so häufig in vietnamesischen Zügen). Und wenn er
dazu sein aufdringliches E-Gitarrenspiel demonstriert und einem mit viel
Ego die Saiten entgegenschlägt, wirkt es manchmal so penetrant, wie mit
nackter Haut auf Kunstledersitzen festzukleben. Ja, aufdringliche Musik
kennen alle, die schon mal in Vietnam unterwegs waren, zu viel
Drumcomputer, zu viel Plastik.
Dahingehend ist Dzungs Album folgerichtig eine Reise durch Vietnam. Der
36-jährige Künstler ignoriert leider die Existenz eines anderen Vietnams:
einem Land, das leise ist, bedacht und zurückgenommen. Immerhin, die von
Hải Phượng gespielte Đàn tranh (Wölbbrettzither) macht Ansätze davon h…
– doch dieser eigentlich elegante und schlichte Klang wird in der
Produktion so weit in den Vordergrund gestellt, dass es an Schnulzigkeit
nicht mehr zu überbieten ist.
Auch mit Halt im zweiten, gesangsträchtigen Abteil kann keine Umkehr
eingeleitet werden: Die Singerei von Phạm Anh Khoa, dessen weitere
Tätigkeit als Schauspieler auch als nachteilig ausgelegt werden kann, gerät
zu einem ähnlichen Ergebnis: zu viel, zu theatralisch. [1][Dem hätte
entgegengewirkt werden können], etwa, wenn Dzung etwas mehr Reduktion
zugelassen hätte. Wenn aber der Gesang gegen die – pardon– Gitarre
anarbeitet und es einfach nur stressig klingt, funktioniert es nicht. Es
tönt grell im Trommelfell, selbst für vietnamesische Ohren.
## Naturgegebenheiten in Liedern
Es ist nicht selten, dass Naturgegebenheiten in vietnamesischen Liedern
ihren Ausdruck finden und synonym für Zwischenmenschliches verwendet
werden. Die Versuche auf „2025“ sind eher klapprig geraten: „Die grünen
Kokosnüsse im Sonnenschein, wie ein Wiegenlied der Liebe“, „Zählen, zähl…
die Liebe zählt die Liebe“ oder „Die Palmen neigen sich, als wiegten sie
die Liebe“. Vielleicht liegt es am deutschen Pragmatismus, doch das Album
hätte Potenzial gehabt, auch Vietnames*innen außerhalb Vietnams zu
erreichen – als musikalischer Reiseführer und Hommage an die einstige
Heimat.
Dzung, der sich selbst keinem Genre zuordnen möchte, hätte mehr mit
unterschiedlichen Stilen spielen können, etwa auch dadurch, in seinen Songs
[2][Moderne und Tradition sowie Land und Stadt abzubilden] und zu
verbinden. Bei Dzung sind die Collagen Vietnams letztlich vor allem Selfies
seiner selbst.
4 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
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Jazzfest Berlin
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Es klingt nach Aliens, Sperrfeuer und springenden Schrauben.
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