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# taz.de -- Feier des Jerusalemtages: Zwischen Gewalt und Blumen
> In Jerusalem feiern viele Israelis die Vereinigung der Stadt, das geht
> auch mit Rassismus gegen Palästinenser einher.
Bild: Israelis marschieren zum Jerusalemtag durch Jerusalems Altstadt. Der Flag…
Jerusalem taz | „Tod den Arabern“, schreien radikalisierte jüdische
Jugendliche bei ihrem Marsch durch die Altstadt von Jerusalem. Auch Sprüche
mit fundamentalistischen Forderungen rechter Israelis bekommt man dort an
diesem Montag zu sehen und hören. Denn es ist Jerusalemtag, an dem viele
Israelis die Eroberung Ost-Jerusalems von Jordanien im Jahr 1967 feiern.
Für viele Palästinenser ist es hingegen ein Tag der Provokation.
An diesem Montag zieht auch der rechtsextreme Sicherheitsminister Israels,
Itamar Ben-Gvir, durch die Altstadt. Mit einer großen Gruppe hat er
gemeinsam auf dem Tempelberg gebetet: Bis vor etwa zweitausend Jahren stand
dort der zweite jüdische Tempel, heute aber die Al-Aqsa-Moschee.
Eigentlich ist es ausschließlich Musliminnen und Muslimen gestattet, dort
zu beten – doch seit Jahren wird immer wieder ganz bewusst der Status quo
missachtet. Einige der radikalen Israelis, die den Jerusalemtag begehen,
wollen die Al-Aqsa-Moschee abreißen und den jüdischen Tempel dort wieder
aufbauen, mit Stickern und Sprüchen zeigen sie ihre Haltung.
## Angst vor Übergriffen
Aus Furcht vor Übergriffen sind schon [1][am Morgen des Jerusalemtages] die
meisten Geschäfte von Palästinensern und Palästinenserinnen in der Altstadt
geschlossen. Nur wenige versuchen noch, ihre Ware an Mann und Frau zu
bringen. Khaled, der nur seinen Vornamen nennt, betreibt seit vielen Jahren
einen kleinen Laden für Kleidung in der Altstadt: „Ich bin nur hier, um zu
schauen, ob Leute ihre Geschäfte geöffnet haben. Besser wäre es, wenn viele
da wären“, sagt er. Aber er könne verstehen, dass die meisten gar nicht
erst öffnen: „Sie haben Familie und Angst vor dem Verlauf des Tages.“
Einige israelische Friedensaktivisten und -aktivistinnen sind angereist.
Manche von ihnen kaufen am Morgen als Geste ganz bewusst in
palästinensischen Läden ein. Doch in wenigen Stunden wird auch der letzte
Palästinenser gezwungen sein, seinen Rollladen herunterzulassen und nach
Hause zu gehen. Die Aktivisten und Aktivistinnen sind in einer
Friedensmission unterwegs. Manche verteilen Blumen als Zeichen der
Solidarität, andere stellen sich schützend vor Hauseingänge, hinter denen
palästinensische Familien wohnen.
## Palästinenser verlassen vorsichtshalber die Altstadt
Einige palästinensische Familien verlassen vorsorglich die Altstadt, um
nicht Opfer von Übergriffen und Gewalt zu werden. Denn der Flaggenmarsch
der Jerusalemtag-Feiernden zieht am Nachmittag direkt durch das muslimische
Viertel zur Klagemauer, [2][dem Fuß des Tempelbergs]. Und auf die
israelischen Sicherheitskräfte könne man sich nicht verlassen, sagt Khaled.
Auf Krawall gebürstete jüdische Jugendliche ziehen schon am Vormittag
durchs das Viertel, singen laut religiöse Lieder und tanzen auf der Straße.
Eine heitere Stimmung – wäre nicht die aggressive Grundhaltung. Die
Teenager spucken provozierend vor noch geöffnete Läden von Palästinensern,
aber auch vor die Füße von Friedensaktivistinnen und -aktivisten und
Journalistinnen und Journalisten.
## Israelische Aktivisten wollen deeskalieren
Israelis der Gruppe „Standing Together“ sind schon früh in die Altstadt
gekommen, um solche Übergriffe zu dokumentieren und in angespannten
Situationen zu deeskalieren. Nicht alle von ihnen tragen die lila Westen
ihrer Gruppe, weil sie dadurch selbst zur Zielscheibe würden.
Am Vormittag schickt die Polizei die radikalen Jugendlichen noch weg und
verhaftet einzelne, die über die Stränge schlagen – oder die Autorität der
zumeist drusischen, arabischsprachigen Polizisten nicht anerkennen. Aber
die Aktivisten von „Standing together“ wissen: Die Sicherheitskräfte kommen
eher zu Hilfe, wenn auch israelische Menschen betroffen sind.
[3][Die Aktivistinnen und Aktivisten] patrouillieren immer mindestens zu
dritt. Einer von ihnen ist Sahar: „Ich persönlich bin auch bereit,
physische Gewalt einzustecken. Hier in unserer kleinen Gruppe stehe ich
deswegen dann vorne.“ Da er letztes Jahr schon Übergriffe erlebt hat, trägt
er dieses Jahr zur Dokumentation eine Kamera am Körper.
## Israelische Sicherheitskräfte gegen Aktivisten
Doch später am Tag vertreiben die israelischen Sicherheitskräfte die
letzten verbliebenen Aktivistinnen und Aktivisten aus der Altstadt. Dann
kann die palästinensische Bevölkerung dort nur noch auf die israelischen
Sicherheitskräfte hoffen. Vor einer Haustür, die am Mittag noch von
Aktivisten beschützt wurde, stehen nun zwei drusische Polizisten. Bis sie
ein paar Meter weiter laufen – um ein paar Jugendliche aus einem
Hauseingang zu zerren, in den sie gerade einbrechen konnten.
Nicht alle suchen Ärger: Viele sind gekommen, um einen fröhlichen Tag zu
feiern. Denn mit dem Ende der jordanischen Besatzung 1967 kam die
Klagemauer das erste Mal seit fast zweitausend Jahren wieder unter jüdische
Kontrolle. Jüdinnen und Juden können nun jederzeit an der westlichen
Umfassungsmauer des letzten Tempels –alles, was vom zweiten Tempel und
damit dem Allerheiligsten im Judentum noch übrig ist – beten.
An der Klagemauer wird gesungen und getanzt – so etwa von der jungen Liad
mit ihren Freundinnen. Sie laufen ausgelassen durch die Menge vor der
Klagemauer. Die Menschen singen – über Gott und Freude über das Leben des
jüdischen Volkes.
Doch in diesem fröhlichen, vereinten Jerusalem scheint nur für eine ganz
bestimmte Gruppe Platz.
27 May 2025
## LINKS
[1] /Flaggenmarsch-durch-Jerusalem/!5854938
[2] /Streit-um-den-Tempelberg-in-Jerusalem/!5856263
[3] /Zivilgesellschaft-in-Israel/!6083097
## AUTOREN
Özgür Uludag
Anna Gundler
## TAGS
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