# taz.de -- Attentat auf kolumbianischen Politiker: Präsidentschaftskandidat i… | |
> In Kolumbien schwebt Miguel Uribe Turbay weiter in Lebensgefahr. Der | |
> mutmaßliche Schütze ist 15 Jahre alt. Viele erinnert die Tat an frühere | |
> Zeiten. | |
Bild: Für den Angeschossenen: Menschen demonstrieren am Wochenende in Bogotá … | |
BogotÁ taz | Miguel Uribe Turbay (39) war gerade bei seinen Plänen für die | |
Behindertenpolitik, als [1][am Samstag die Schüsse fielen]. Mitten in einer | |
kleinen Wahlkampfveranstaltung in einem Park im Westen der kolumbianischen | |
Hauptstadt Bogotá. Uribe wurde mehrfach getroffen, davon zwei Mal am Kopf. | |
Auf den Videos schreien Menschen, Uribes Blut ist auf den Fotos über ein | |
weißes Auto verschmiert. Seitdem sind die sozialen Medien voll von den | |
Bildern und Videos. Die Polizei hat einen 15-jährigen Tatverdächtigen | |
festgenommen. | |
Wie durch ein Wunder kam kurz darauf ein Krankenwagen vorbei, der auf dem | |
Weg zu einem Verkehrsunfall war. Nach der Erstversorgung und Reanimation im | |
Krankenhaus wurde Uribe in die Fundación Santa Fé gebracht – eine der | |
besten Kliniken des Landes. Sein Zustand blieb am Montag kritisch. | |
Miguel Uribe Turbay ist möglicher Präsidentschaftskandidat der rechten | |
Partei Centro Democrático. 2026 sind in Kolumbien Wahlen angesetzt. Derzeit | |
haben die Parteien noch mehrere Kandidat:innen. Miguel Uribe Turbays | |
Chancen sehen parteiintern gut aus – wenn er überlebt. | |
Nach den Schüssen, schreibt die Zeitung El Pais, sei der jugendliche | |
Tatverdächtige aus dem Chaos geflohen. Als ihn die Sicherheitskräfte | |
einholten, drehte er sich um und schoss. Die Beamten streckten ihn nieder. | |
Er soll geschrieben haben: „Ich gebe euch die Nummern.“ – Die der | |
Auftraggeber, mit denen er vorab über Whatsapp geschrieben habe. Momentan | |
liegt mit einer Schusswunde am Bein in einem anderen Krankenhaus. Neben ihm | |
wurde noch ein Erwachsener festgenommen. Ein Mann und eine Frau wurden bei | |
dem Schusswechsel verletzt. Sie sind nicht in Lebensgefahr. | |
## Solidarität mit dem Angeschossenen | |
In mehreren Städten gingen Menschen, aufgerufen von Uribes Partei Centro | |
Democrático, auf die Straßen und beten um sein Leben. [2][Kolumbiens linker | |
amtierender Präsident] Gustavo Petro hatte in der Nacht nach dem Attentat | |
die Tat in einer Ansprache verurteilt und der Familie seine Solidarität | |
ausgesprochen. „Die Aufgabe eines Präsidenten ist es, das Leben seiner | |
eigenen Opposition zu schützen.“ | |
Miguel Uribe Turbay stammt aus einer Familie, die zu den wichtigsten der | |
politischen Rechten angehört. Seine Mutter, Diana Turbay, war eine bekannte | |
Journalistin. Der Drogenboss Pablo Escobar ließ sie entführen. Beim | |
Befreiungsversuch starb sie im Schusswechsel. Da war Uribe vier Jahre alt. | |
Sein Großvater Julio César Turbay Ayala, ein Liberaler, war von 1978 bis | |
1982 Präsident Kolumbiens. Seine politische Karriere startete Uribe bei den | |
Liberalen. Dann wechselte er zum Centro Democrático. | |
2022 kam er aus dem Nichts mit den meisten Stimmen für seine Partei in den | |
Senat. Er ist einer der erbittertsten politischen Gegner von Präsident | |
Petro – und das schon seit der Zeit, als er Stadtrat und Petro | |
Bürgermeister von Bogotá war. Für den Wahlkampf hat sich Uribe „ein Land | |
ohne Gewalt“ als Ziel gesetzt. Allerdings mit anderen Mitteln als der | |
Präsident. Dessen Hauptprojekt, den „totaler Frieden“ mit allen | |
verbliebenen bewaffneten Gruppen im Land, hat er stets kritisiert – wie so | |
gut wie alle Initiativen der ersten linken Regierung. | |
Am Tag des Attentats hatte er sich wieder auf X mit Petro angelegt. Der | |
will seine Reformen nun mit einer Volksbefragung durchdrücken – und diese | |
per Dekret erzwingen. Einige befürchten dann eine Verfassungskrise. Jeder | |
Minister, der sein Dekret nicht unterschreibe, werde auf der Stelle gehen, | |
hatte Petro am Samstag per X verkündet. | |
Uribe, von Beruf Anwalt, konterte – er werden jeden Minister verklagen, der | |
unterschreibe. Seit dem Attentat werden Stimmen lauter, die sich weniger | |
Polarisierung und eine andere Debattenkultur mit dem politischen Gegner | |
wünschen. Am Sonntag veröffentlichten rund 20 Parteien aller Couleur eine | |
gemeinsame Erklärung. in der sie das Attentat zurückweisen. | |
## US-Außenminister Rubio beschuldigt Petro | |
Solidaritätsbotschaften kamen auch aus dem Ausland. US-Außenminister Marco | |
Rubio gab Präsident Petro auf X die Schuld: Es sei eine Bedrohung der | |
Demokratie und Ergebnis gewaltsamer Rhetorik. Tatsächlich steht Petro | |
[3][wegen seiner Rhetorik auch in Kolumbien teils in der Kritik]. „Nazis“ | |
oder „Sklavenhändler Hurensöhne“ sind Begriffe, die er kürzlich häufig … | |
die Opposition verwendete. | |
Kolumbiens Außenministerin Laura Sarabia (31), eine enge Vertraute des | |
Präsidenten, sagte in einer Videobotschaft, dass sie als Anführerin und | |
internationale Vertreterin des Landes wie viele versagt habe. Sarabia rief | |
dazu auf, „den Hass durch Sprache auszurotten“, der ihrer Meinung nach in | |
der kolumbianischen Politik vorherrscht. „Der Anschlag erfüllt uns mit | |
Traurigkeit und erinnert uns an die dunklen Zeiten, in denen Hass und | |
Respektlosigkeit gegenüber dem Leben vorherrschten. Meiner Generation kam | |
das wie eine Erzählung meiner Eltern vor.“ | |
Ein Gedanke, den Kolumbianer:innen unter 35 in den sozialen Medien so | |
ähnlich ausgesprochen haben. Geboren nach 1989 und 1990, den Jahren, in | |
denen drei Präsidentschaftskandidaten ermordet wurden. Eine Sorge ist, dass | |
diese blutigen Zeiten zurückkehren. | |
## Kinder als Auftragsmörder | |
Die Regierung hat angekündigt, den Schutz für die (aktuell noch rund 30) | |
Präsidentschaftskandidat:innen, Oppositionsführer:innen und die | |
Familien der Minister:innen zu erhöhen. Hintergründe zur Tat oder | |
Hinweise auf mögliche Auftraggeber haben die Behörden bisher nicht | |
veröffentlicht. Umgerechnet rund 640.000 Euro sind als Belohnung für | |
Hinweise ausgesetzt. | |
Die Staatsanwaltschaft wird den Tatverdächtigen wegen versuchten Mords und | |
illegalen Waffenbesitzes anklagen. Laut dem Sender Noticias Caracol wurden | |
die Häuser seiner Großmutter und Tante durchsucht, in deren Obhut der Junge | |
lebt. Laut Medienberichten soll der Jugendliche bei der Festnahme gerufen | |
haben, dass er es getan habe, um mit dem Geld seine Familie zu | |
unterstützen. | |
Auch das ist eine Konstante in der kolumbianischen Gewaltgeschichte: Egal | |
ob Drogenboss Pablo Escobar, Paramilitärs oder Guerillas – Kinder aus armen | |
Verhältnissen für Morde und Krieg zu rekrutieren, ist bis heute gängige | |
Praxis. | |
9 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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