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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Leben ist keine Goodie-Bag
> Bekommen ist schöner als verdienen. Könnte eine Geschenkekulturrevolution
> die Arbeitsgesellschaft aufmischen?
Könnte es nicht möglich sein? Es ließe sich doch denken. Einer kommt zur
Tür herein und will mir etwas schenken.“ Mein Lieblingsgedicht. Leider weiß
ich nicht, von wem es ist. Es bringt die Sehnsucht zum Ausdruck, etwas zu
kriegen, ohne dafür gearbeitet zu haben – das Gegenteil von dem, wonach
sich Kanzler Merz sehnt, demzufolge wir viel mehr schuften müssen,
andernfalls Ende des Wohlstands.
Ich dagegen meine, wir müssen viel mehr geschenkt bekommen. Was wir
brauchen, ist eine Geschenkekulturrevolution. Beschenkt zu werden, ist
tausendmal besser für die Moral, als mit dem Würgehalsband am Schreibtisch
oder an der Werkbank festgezurrt zu werden. Außerdem würde es helfen,
Probleme zu lösen. Das Zauberwort heißt: Goodie-Bag.
Die Goodie-Bag – eine Erfindung der Werbeindustrie – kommt bei Events zum
Tragen, bei Preisverleihungen oder Galas. Meist handelt sich um eine
Papiertasche, die mit Give-aways von Sponsoren gefüllt ist. Snacks.
Kosmetik. Proben von irgendwas. Die Gäste bekommen die Taschen beim
Verabschieden in die Hand gedrückt.
Vor einiger Zeit stand ich auf der Pressegästeliste bei einem noblen
Netzwerkabend, wo all die verdienten oder auch unverdienten Herrschaften
Goodie-Bags erhielten, deren Inhalt einen vierstelligen Wert hatte. Das war
hübsch anzuschauen, wie die Leute, die alle nicht so aussahen, als seien
sie von Armut bedroht, die Goodies an sich rafften, um damit zu ihrem Range
Rover abzuzischen. Ich verstehe das. Das Leben ist keine Goodie-Bag. Öffnet
es doch einmal seine Schatulle, langt man zu. Das ist wie Kindergeburtstag
für Erwachsene. In den Geschenketaschen bei der Oscarverleihung 2024 sollen
Tickets für Luxusreisen gewesen sein. Wert: fünfstellig. Schlimm. Ein
Kniefall vor dem Konsum. Dennoch ist die Goodie-Bag die beste Erfindung,
seit es Taschen gibt.
Dicke Luft im Betrieb? Goodie-Bag-Distribution einführen, das lenkt den
Betriebsklimawandel in die richtige Richtung. Droht niedrige
Wahlbeteiligung? Goodie-Bags in alle Wahllokale – das katapultiert die
Beteiligung auf 100 Prozent, wenn nicht noch höher. Nerven die
AfD-Faschisten im Parlament? Goodie-Bags für alle Rechtsgläubigen, wenn sie
sich vom Acker machen. Auch im privaten Rahmen, nach einem netten
Kaffee-und-Kuchen-Date – einfach mal eine Goodie-Bag rüberschieben. In
einer Welt voller Schlechtigkeit geben Goodies den Glauben an das Gute
zurück. Darum haben sie einen echten Mehrwert, wohingegen der Merz-Ansatz
mit der Mehrarbeit einen echten – höchste Zeit, den Begriff einzuführen –
Wenigerwert darstellt.
Sponsoren aller Branchen: Lasst Goodies regnen. Tretet hin vor alle
Griesgrame und Weltverfinsterer und sprecht: Ich scheiß dich zu mit meinen
Goodies. Natürlich gibt es die Geschenkekulturrevolution nicht geschenkt,
im Gegenteil. Sie macht Arbeit, was gut ist. Nur so wird der Kanzler
zustimmen.
10 Jun 2025
## AUTOREN
Frank Lorentz
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Arbeit
Geschenke
Friedrich Merz
Arbeitslosigkeit
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Verfassungsschutz
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