# taz.de -- Bandengewalt in Haiti: Abgeschoben in die Hände der Gangs | |
> Tausende Haitianer sollen aus den USA ausgewiesen werden. In Haiti | |
> eskaliert die Gewalt weiter. US-Söldner fliegen dort Drohnenangriffe auf | |
> Kriminelle. | |
Bild: Auf verlorenem Posten: Anwohner protestieren gegen Ganggewalt in Port-au-… | |
Frankfurt am Main taz | Die haitianische Gemeinde in den USA ist im | |
wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschrocken. Grund dafür ist die | |
[1][Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom vergangenen Freitag], die | |
ein Schlüsselelement der Trump’schen Antimigrationspolitik für legal | |
erklärt. Demzufolge wird das 2022 in Kraft getretene Biden-Programm zur | |
erleichterten Einreise in die USA für Schutzsuchende aus Kuba, Nicaragua, | |
Venezuela und Haiti gestoppt und den darunter in den USA lebenden Menschen | |
der Aufenthaltsstatus entzogen. Die Haitianer sind davon besonders | |
betroffen. Sie stellen mit über 200.000 unter dem Programm Eingereisten | |
noch vor den Venezolanern die höchste Zahl. | |
Die haitianische Übergangsregierung ist derart abhängig von den USA, dass | |
sie sich im Gegensatz zu den anderen betroffenen Staaten nicht weigern | |
kann, die Flüchtlinge zurückzunehmen. Im August diesen Jahres läuft zudem | |
der temporäre Schutzstatus (TPS) ab, der seit dem Erdbeben auf der | |
Karibikinsel 2010 für Haitianer immer wieder verlängert wurde. | |
Die Trump-Administration hat schon angekündigt, auch dies nicht zu | |
verlängern. Damit würden noch in diesem Sommer weit über eine halbe Million | |
Haitianer in den USA in die Illegalität gedrängt. Dass die Rollkommandos | |
der US-Abschiebepolizei ICE die haitianischen Viertel in den Städten | |
durchkämmen werden, ist anzunehmen. | |
Die Haitianer, die die letzten 3 Jahre mit dem Biden-Programm in die USA | |
gelangten, haben aber nicht nur sich selbst vorübergehend gerettet. Sie | |
finanzieren auch allesamt ihre Angehörigen in Haiti, die aufgrund der | |
[2][grassierenden Ganggewalt] über keinerlei Einkommen verfügen. Das | |
Biden-Programm, das ursprünglich nur für die politischen Gegnerstaaten | |
Venezuela, Kuba und Nicaragua vorgesehen war, musste Haiti aufnehmen, weil | |
sonst die humanitäre Versorgung vor Ort noch früher zusammengebrochen wäre. | |
Heute ist die Hälfte der elf Millionen Haitianer von akutem Hunger bedroht. | |
## Gangs kontrollieren 90 Prozent von Port-au-Price | |
Anders als in Europa versteht man in den USA die Dimension der | |
Gerichtsentscheidung. Die New York Times bezeichnete die legale | |
Auseinandersetzung, die nun so schlecht für das Menschenrecht der | |
Geflüchteten endete, als eine „juristische Achterbahn zwischen Leben und | |
Tod“. | |
Für Guerline Joseph, die Geschäftsführerin der NGO Haitian Bridge Alliance, | |
die sich für die Rechte der Einwanderer in den USA einsetzt, ist die | |
Entscheidung der Trump-Administration, die das Oberste Gericht nun | |
bestätigt, schlicht „unglaublich“. Wie könne die Trump-Administration | |
gerade jetzt Menschen nach Haiti zurückschicken? | |
Die Ausweisung der Migranten aus den USA – und aus dem ebenfalls auf der | |
Insel Hispaniola liegenden Nachbarstaat Dominikanische Republik, der in | |
diesem Jahr bereits mehrere Hunderttausend Menschen auswies – gießt Öl in | |
ein Feuer, das schon wie Zunder brennt. Für die Situation in Haiti gibt es | |
kaum noch Worte. Der US-Journalist Jason Bellini bereiste kürzlich den | |
Norden des Landes. Es handele sich, sagte er in einem Interview mit der | |
Fernsehstation Scripp-News, um einen „totalen Kollaps“. | |
Die Gangs kontrollieren 90 Prozent der Hauptstadt, die wichtigste | |
Agrarregion, Artibonite, und die zentrale Durchgangsstation auf dem Weg von | |
und in die Dominikanische Republik, Mirebalais. Dass die Regierung in | |
Port-au-Prince und haitianische Menschenrechtsorganisationen den Einsatz | |
von Drohnen gegen die Gangführer befürworteten, könne man angesichts der | |
Dramatik der Lage verstehen, so Bellini. | |
## Berüchtigte US-Sicherheitsfirma soll helfen | |
Der Interimsministerpräsident Dominique Fils-Aimé hat vor wenigen Wochen | |
einen Vertrag mit Erik Prince geschlossen, dem Gründer der [3][berüchtigten | |
Firma Blackwater (heute Academi)]. Sie wurde bekannt als Privatarmee an der | |
Seite der US-Armee im Golfkrieg von 2003. Ihr wurden damals mehrere | |
Massaker an Zivilisten im Irak zur Last gelegt. Seit einigen Wochen fliegen | |
deren Drohnen im Auftrag des Ministerpräsidenten Angriffe gegen Gangführer. | |
Bisher sind allerdings keine Erfolge der Operation bekannt. | |
Pierre Espérance, der Direktor des haitianischen Menschenrechtsnetzwerkes | |
RNDDH, wie auch andere Menschenrechtsvertreter begrüßen den Einsatz | |
„professioneller Kräfte zur Stärkung der nationalen Sicherheitskräfte“. … | |
Bezug auf die Gangs reden die Menschenrechtler nun von „Terroristen“, mit | |
denen es keine Verhandlungen geben dürfe. | |
Espérance insistiert im Gespräch mit der taz, dass sich „Haiti mit | |
entsprechenden Ressourcen von den Fesseln der Gangs befreien kann“. Seine | |
Organisation fordert die Offenlegung des Vertrags mit Prince und | |
vollständige Transparenz. Auch dürfe es beim Drohneneinsatz keine | |
Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung geben. „Wir werden den Einsatz | |
der Privatarmee und der Drohnen in dieser Hinsicht genau verfolgen“, so | |
Espérance. | |
Verhandlungen mit den Gangs hatte zuletzt die Ministerpräsidentin von | |
Domenica, einer kleinen Karibikinsel, gefordert, einem Mitgliedsstaat der | |
Karibischen Gemeinschaft Caricom. Das wäre das Schlusskapitel einer langen | |
Geschichte ausländischer Interventionen in Haiti unter der Ägide der USA. | |
Man brächte die Monster, die man geschaffen hat und nicht mehr | |
kontrollieren kann, endgültig an die Macht. | |
4 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Katja Maurer | |
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