# taz.de -- Bandengewalt in Haiti: Port-au-Prince steht vor dem Fall | |
> Die vereinigten bewaffneten Gangs kontrollieren etliche Straßen und | |
> Viertel der haitianischen Hauptstadt. Sie zeigen deutlich ihre Macht. | |
Bild: Bewohner sind zur Selbstverteidigung übergegangen. Im Stadtteil Kenscoff… | |
Frankfurt am Main taz | Die Situation in der haitianischen Hauptstadt | |
Port-au-Prince spitzt sich immer weiter zu. Die Gangs, vereinigt in Viv | |
Ansanm (Zusammen leben) unter Führung des ehemaligen Polizeioffiziers Jimmy | |
Chérizier, haben in den letzten Tagen und Wochen wichtige Straßenzüge und | |
Stadtteile unter ihre Kontrolle gebracht. | |
Symbol ihrer gestiegenen Macht ist auch die zeitweilige Besetzung des | |
berühmten Hotels Oloffson, in dem schon Richard Burton und Elizabeth Taylor | |
während der Verfilmung von Graham Greenes Haiti-Epos „Die Stunde der | |
Komödianten“ übernachteten. Das Erdbeben von 2010 hat dem mehrstöckigen | |
Holzbau mit Blick auf die Bucht nichts anhaben können. Der endgültige | |
Zerfall des haitianischen Staates könnte ihm nun zum Verhängnis werden. | |
Nicht nur im alten Zentrum haben die Gangs militärische Erfolge erzielt und | |
kontrollieren nun bald das Marsfeld samt Präsidentenpalast, sie haben auch | |
eine der wenigen funktionierenden Gesundheitseinrichtungen, die Klinik der | |
Ärzte ohne Grenzen, zeitweilig unter Beschuss genommen. Alle Zugänge nach | |
Port-au-Prince befinden sich ebenfalls unter ihrer Kontrolle. | |
Heftige Kämpfe gab es um den Berggipfel Kenscoff, einst ein beliebtes | |
Ausflugsziel der Hauptstadtbewohner. Von den 1.800 Metern hat man nicht nur | |
einen schönen Blick, sondern eine strategische Kontrolle über die | |
Hauptstadt und ihre Vororte, darunter auch [1][Pétionville]. Dort fühlten | |
sich die Wohlhabenderen bislang halbwegs sicher. Doch die Gangs behielten | |
auch in Kenscoff die Oberhand. | |
## Die Bewohner sind zur Selbstverteidigung übergegangen | |
Frantz Duval, Chefredakteur der ältesten haitianischen Zeitung, Le | |
Nouvelliste, die längst ihr altes Redaktionsgebäude an die bewaffneten | |
Gruppen verloren hatte, warnte Ende vergangener Woche deshalb in einem | |
Leitartikel: „Port-au-Prince hat so lange unter der Gefahr gelebt, dass man | |
jetzt fürchten muss, dass die Gerüchte und Verzweiflungsschreie nicht mehr | |
ein Echo dieser Gefahr sind, sondern der Sound für den endgültigen | |
Zusammenbruch.“ | |
Gerade erst wurden wieder 60.000 Menschen aus ihren Wohngebieten | |
vertrieben. Sie addieren sich zu der von der UNO gezählten eine Million | |
intern Vertriebener seit Ausbruch der Kämpfe im Februar 2024. Wenn die | |
Gangs angreifen, stehen ihnen Hightechmaschinengewehre zur Verfügung, die | |
sie problemlos aus den USA importieren. Wenn das Schießen beginne, bleibe | |
nur die Flucht, schreibt Duval. Aber man könne ja nicht fliehen. | |
In den Stadtteilen sind die Bewohner deshalb zur Selbstverteidigung | |
übergegangen. Tausende Mitglieder dieser Selbstverteidigungsgruppen | |
demonstrierten letzte Woche in der Hauptstadt und verlangten von der | |
Übergangsregierung eine entschlossene Bekämpfung der Gangs. Deren Antwort | |
war ein brutaler Polizeieinsatz, der mindestens einen Demonstranten das | |
Leben kostete. | |
Der haitianischen Polizei steht zwar eine von der UNO genehmigte | |
[2][polizeiliche Unterstützungsmission unter Führung von Kenia] zur Seite. | |
Aber von den versprochenen 2.500 Polizisten sind nur ein paar Hundert im | |
Land angekommen. Sie haben die Lage nicht verbessert, im Gegenteil. Ihre | |
Ohnmacht, so könnte man meinen, verleitet die Gangs zu weiteren Beweisen | |
ihrer militärischen Stärke. | |
Die haitianische Polizei, die weder über Nachtsichtgeräte noch Hubschrauber | |
verfügt, hat kürzlich zum ersten Mal Drohnen gegen die Gangführer | |
eingesetzt. Die Kollateralschäden sollen groß gewesen sein, weil die | |
Gangführer in überbevölkerten Elendsvierteln leben. Bislang ist man deshalb | |
vor einer Bekämpfung durch Drohnen noch zurückgeschreckt. | |
Offen ist bisher, wie die Trump-Regierung mit den Problemen in Haiti | |
umgehen wird. Nur eins ist sicher, Haitianer in den USA, die bislang einen | |
temporären Schutz (TPS) genossen, müssen demnächst mit ihrer Ausweisung | |
rechnen. [3][Der Schutzstatus wurde von der Trump-Administration | |
aufgehoben]. | |
24 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Katja Maurer | |
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