# taz.de -- Proteste in der Slowakei: Mit Musik und Trachten gegen die Zerstör… | |
> Regelmäßig protestieren Slowaken gegen die Kulturpolitik ihrer Regierung. | |
> Zuletzt in Bratislava. | |
Bild: Einige sind in traditioneller Kleidung gekommen und tanzen gegen den Ausv… | |
Bratislava taz | Der Himmel über Bratislava zeigt sich gnädig an diesem | |
Donnerstagnachmittag. Immer wieder blitzt die Sonne durch die Wolken, der | |
angekündigte Regen bleibt aus. Bei 17 Grad versammeln sich am frühen Abend | |
einige Hundert Menschen auf dem Platz des slowakischen Aufstands. | |
Die ungewöhnliche Protestaktion beginnt pünktlich und, nach kurzer | |
Begrüßung, mit Musik. Zwei Geigen und ein Kontrabass eröffnen, gefolgt von | |
Beethovens „Ode an die Freude“, der Europahymne, während das Publikum | |
mitpfeift. | |
Was zunächst wie ein fröhliches Volksfest wirkt, ist eine Kundgebung unter | |
dem Motto „Folklore für die Unterstützung der Kunst“, adressiert an das | |
Kulturministerium auf der anderen Seite des Platzes. Seit ihrem Amtsantritt | |
sorgt Martina Šimkovičová von der [1][rechtsextremen SNS-Partei] für viel | |
Kritik. | |
Sie bestellte Direktoren wichtiger Institutionen wie der Nationalgalerie | |
und dem Nationaltheater von einem Tag zum nächsten ab, ließ den | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTVS formal neu gründen und beendete über | |
200 Kooperationen und Kunstprojekte, die nicht in ihr Kulturverständnis | |
passen. | |
## Missbrauch der Volkskultur für politische Zwecke | |
„Ich bin Sängerin in einer Volksmusikgruppe und ich bin angewidert davon, | |
wie die Ministerin funktionierende Kultureinrichtungen zerstört“, sagt | |
Romana Ručková (24), die aus Poprad in der Zentralslowakei stammt und | |
Architektur in Bratislava studiert. | |
Besonders empört ist sie darüber, dass Šimkovičová die Volkskultur für | |
politische Zwecke missbraucht: „Es ist für uns Volksmusiker ärgerlich, dass | |
sie uns als angebliches Vorbild benutzt, wie slowakische Kultur auszusehen | |
hat.“ Dabei seien gerade jene, die sich mit Volkskultur beschäftigen, | |
intelligente und weltoffene Leute, die die Vielfalt der Kultur anerkennen. | |
Die Demonstrierenden sind bunt gemischt – junge Männer in roten Jankern, | |
Frauen in bunten Trachten, Familien mit Kinderwagen, Menschen direkt von | |
der Arbeit. Ein kleiner Junge sitzt auf den Schultern seines Vaters und | |
schwenkt eine EU-Flagge. Zwischen den Musikdarbietungen halten | |
Kulturvertreter Reden. Die Stimmung ist, trotz des ernsten Hintergrunds, | |
ausgelassen: Bei schnelleren Musikstücken bilden sich spontane | |
Ringelreihen, viele Zuschauer tanzen und singen mit. | |
Der Protest richtet sich gegen konkrete Maßnahmen, sagt Daniel Vadas von | |
der Protestplattform „Otvorona Kultura“ (Offene Kultur): Die Übernahme des | |
slowakischen Kunstrats durch politische Nominierte, die Entlassung | |
qualifizierter Direktoren und ihre Ersetzung durch Freunde der Ministerin, | |
Verzögerungen und Streichungen von Fördergeldern. | |
## Auch Fico steht in der Kritik | |
Zentraler Kritikpunkt ist der Versuch der Ministerin, die slowakische | |
Kultur zu verengen. Auf der Bühne wird ein Manifest verlesen: „Vielfalt ist | |
Grundlage unserer Kultur – sie ist bunt, und das ist gut so. Deshalb ist es | |
für uns absurd, dass Minister uns das Bild einer einfarbigen Kultur | |
aufzwingen.“ | |
Auch die Musikwissenschaftlerin Alžbeta Lukáčová ist erzürnt. Sie | |
beobachtet ein hohes Maß an Korruption gerade in der Volkskultur, in die | |
viel Geld fließt. Ein großes Problem sei in ihren Augen, dass auch | |
„minderwertige Projekte, Kitsch und Projekte, die eigentlich nichts mit | |
unserem kulturellen Erbe zu tun haben“, unterstützt würden. | |
Aber nicht nur die Kulturpolitik der aktuellen Regierung steht in der | |
Kritik: [2][Der populistische Premier Robert Fico] wendet sich immer | |
stärker von der EU ab, fährt einen [3][russlandfreundlichen] Kurs, will die | |
Medienfreiheit und Nichtregierungsorganisationen einschränken. Vadas | |
vermutet, dass es Fico ganz recht kommt, dass die Kulturministerin immer | |
wieder mit neuen Schikanen für Ablenkung sorgt: „Damit man nicht so | |
mitbekommt, was hinter den Kulissen alles passiert.“ | |
Nach einer Stunde leert sich der Platz wieder, so schnell wie er sich | |
gefüllt hat. Seit mehr als einem Jahr gehen Menschen gegen die | |
Kulturpolitik auf die Straße, nicht nur in Bratislava, auch in anderen | |
slowakischen Städten. Zur Volkskultur war es die erste Kundgebung. | |
Alexandra Sciranková (25), wie Ručková Architekturstudentin und gemeinsam | |
mit ihr gekommen, ist skeptisch, ob die Proteste wirklich etwas bewegen. | |
Sie will dennoch weiter protestieren: „Früher oder später werden wir eine | |
Veränderung bewirken.“ | |
16 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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