# taz.de -- AfD in Thüringen: Wie Höcke die Sperrminorität nutzt | |
> Im Landtag hat die AfD ein Drittel der Sitze. Für wichtige Ausschüsse | |
> bräuchte es ihre Stimmen – aber dafür beharrt sie auf Zugeständnisse. | |
Bild: Von den 88 Sitzen im Thüringer Landtag hat die extrem rechte AfD 32 | |
Erfurt taz | Obwohl alle Kandidat:innnen zu wenig Stimmen bekamen, | |
blieb es ruhig im Thüringer Landtag. Keine Zwischenrufe, kein Protest, | |
keine Entrüstung. Die Abgeordneten versuchten an diesem | |
Donnerstagnachmittag zum vierten Mal, die beiden Ausschüsse vollständig zu | |
besetzen, die Richter:innen und Staatsanwält:innen in Thüringen | |
wählen. Ein viertes Mal scheiterten sie dabei – weil die AfD-Fraktion sich | |
sperrt. | |
Von den 88 Sitzen im Thüringer Landtag hat die extrem rechte Partei 32. Sie | |
ist damit nicht nur größte Fraktion, sie stellt auch mehr als ein Drittel | |
der Abgeordneten. Abstimmungen, bei denen eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig | |
ist, kann das Parlament nur mit den Stimmen der AfD beschließen. Dazu | |
zählen auch die beiden Ausschüsse. | |
Während beim ersten Versuch im Januar die sechs AfD-Kandidat:innen direkt | |
die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit bekamen, fielen die Vorschläge der anderen | |
Fraktionen allesamt durch. Darum können die Ausschüsse noch nicht | |
zusammentreten: Zu ihrer Konstituierung muss der Landtag aus jeder Fraktion | |
ein Mitglied und seine Vertretung wählen. Ohne die Ausschüsse können in | |
Thüringen keine Richter:innen und Staatsanwält:innen auf Lebenszeit | |
berufen werden. Die Neue Richtervereinigung und der Thüringer Richterbund | |
warnten schon im Februar, das Funktionieren der Justiz sei erheblich | |
gefährdet. | |
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke forderte zwischenzeitlich, dass die anderen | |
Parteien seiner Fraktion Posten zugestehen sollten: Die AfD solle in der | |
Kontrollkommission für den Verfassungsschutz und im Landtagspräsidium | |
vertreten sein. Dann sei eine Paketlösung möglich, um andere Gremien zu | |
besetzen. Doch CDU, SPD, BSW und Linke ließen sich darauf nicht ein. | |
## Muss der Deal sein? | |
Das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen hat die AfD 2021 als | |
rechtsextrem bewertet. Die anderen Parteien argumentierten, eine Partei, | |
die der Verfassungsschutz kontrolliere, dürfe nicht den Verfassungsschutz | |
kontrollieren. Zudem seien die Kandidaten der AfD für das Amt des | |
Landtagsvizepräsidenten nicht wählbar gewesen, weil sie sich etwa | |
verharmlosend über NS-Verbrechen geäußert hatten. Auch Jens Cotta (AfD), | |
der an diesem Donnerstag für das Amt antrat, bekam nicht die nötige | |
Mehrheit. | |
Dabei hatten die Fraktionsvorsitzenden von CDU und BSW vorab signalisiert, | |
sie könnten sich vorstellen, einen AfD-Kandidaten zu wählen, wenn die | |
Wahlausschüsse für Richter:innen und Staatsanwält:innen zustande | |
kommen sollten. | |
BSW-Fraktionschef Frank Augsten sagte der taz vorab: „Leicht fällt uns das | |
allen nicht, aber am Ende geht es ja um die Arbeitsfähigkeit der Gremien.“ | |
Seiner Fraktion sei klar, die AfD wolle, „dass der Staat nicht | |
funktioniert“. Erst am Montag hätten sich die BSW-Abgeordneten in einer | |
Klausur mit der AfD auseinandergesetzt. „Das ist eine Partei, die weit weg | |
von der Normalität ist.“ Schon Artikel 1 des Grundgesetzes stelle für die | |
AfD ein Problem dar. Doch damit die Justiz in Thüringen arbeitsfähig | |
bleibe, „lassen wir uns auf so einen Deal ein“, erklärt Augsten. | |
Doch der AfD-Fraktion war der Deal offenbar nicht gut genug. Die | |
parlamentarische Geschäftsführerin der AfD, Wiebke Muhsal, betonte auf eine | |
Anfrage der taz vor der Landtagssitzung, das Amt des Vize-Präsidenten sei | |
zwar „grundsätzlich wünschenswert“, aber eigentlich wolle die AfD als | |
stärkste Fraktion das Amt des Landtagspräsidenten. | |
Dass sie demokratischen Prozesse blockiere, wies Muhsal zurück. | |
„Grundsätzlich sind Abgeordnete unserer Fraktion durchaus bereit, | |
Mitglieder anderer Fraktionen in diese Gremien zu wählen.“ Es gebe keinen | |
Fraktionszwang. | |
Doch wirklich hoch ist der Druck die Wahlausschüsse zu besetzen derzeit | |
offenbar nicht. Denn im März legte Thüringens Justizministerin Beate | |
Meißner (CDU) ein juristisches Gutachten vor, demnach die Ausschüsse noch | |
mit den Mitgliedern arbeiten könnten, die in der letzten Legislatur gewählt | |
wurden. Das wäre legitim. Trotzdem hat die AfD das Druckmittel der | |
Sperrminorität an diesem Donnerstag noch nicht aus der Hand gegeben. Auf | |
lange Sicht muss der Landtag die Ausschüsse irgendwann neu besetzen – es | |
bleibt abzuwarten, was die AfD fordert, wenn es dringend wird. | |
15 May 2025 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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