# taz.de -- Was Windräder noch so können: Algen-Anbau unter Windanlagen auf S… | |
> Gut erreichbare Meeresfläche ist knapp. Forscher*innen aus Bremerhaven | |
> wollen Offshore-Windanlagen deshalb doppelt nutzen: für Energie und | |
> Nahrung. | |
Bild: Windparks wie hier in Riffgat vor Borkum könnten künftig nicht nur Ener… | |
Bremerhaven taz | Chiara Sickert hockt neben einer Kühlbox mit Salzwasser | |
und grünen Netzen. Die Biologiestudentin trägt eine Rettungsweste über dem | |
Anorak und Kapuze. Es ist kalt an diesem Morgen auf der Nordsee. Früher | |
schien das Meer oft grenzenlos. Heute wird auch hier der Raum knapp, den | |
sich Handelsschiffe und Marine, Fischerei und Aquakultur, Energieerzeuger | |
und Naturschutz teilen. Forscher erkunden deshalb die Mehrfachnutzung von | |
Meeresflächen. | |
Sickert arbeitet im Rahmen ihres Studiums am Bremerhavener | |
Alfred-Wegener-Institut im Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung | |
(AWI). Und deshalb ist sie mit vier Kollegen an Deck der „Taifun“. | |
Das Mehrzweckschiff ist unterwegs von Helgoland zum Offshore-Windpark | |
Meerwind Süd|Ost. Die Hauptakteure warten in der Kühlbox. Auf den Netzen | |
sind Sporen der Braunalgenart Saccharina latissima ausgebracht, Zuckertang. | |
Sie sollen im Offshore-Windpark angesiedelt werden. Das Projekt ist Teil | |
des EU-Forschungsvorhabens Olamur. | |
[1][Algen seien weltweit „groß im Kommen“], erklärt Sickert. Getrocknete | |
Algenchips, Blätter für Sushi – „Braunalgen haben generell super viele | |
bio-natürliche Komponenten“, sagt sie. Sie seien reich an Antioxidantien, | |
Eisen und Jod. Außerdem würden sie gebraucht für Nahrungsergänzungsmittel, | |
Kosmetika, als Biodünger und Bestandteil von Bioplastik. | |
## In der Praxis ist das alles komplizierter | |
Im [2][Windpark] nehmen sich Sickert und Bela H. Buck am nächsten Tag die | |
Netze aus der Kühlbox vor. Buck leitet die Forschungsgruppe Marine | |
Aquakultur am AWI und die Fahrt, er ist Professor für Meeresbiologie an der | |
Hochschule Bremerhaven. Mit Kabelbindern machen sie die Netze am | |
Shellfish-Tower fest. | |
„Das ist nichts anderes als eine Stahlkonstruktion“, so Buck: in der Mitte | |
ein Auftriebskörper, an zwei Seiten Gestelle. An eines kommen die | |
Algensporen. Bei einer späteren Fahrt sollen weitere Gestelle zur Zucht der | |
Europäischen Auster Ostrea edulis eingesetzt werden. Daher der Name | |
Shellfish-Tower – Muschelturm. Wie die Braunalgen mit der | |
Metallkonstruktion klarkommen, die nicht ihre natürliche Umgebung ist, muss | |
untersucht werden. Für die Austern wird später das Gleiche gelten. | |
Das Projekt erkundet auch, ob der Turm selbst funktioniert. Am Ende soll er | |
sechs bis acht Meter tief gleichsam im Wasser schweben. Der Auftriebskörper | |
hebt ihn nach oben, während eine Leine ihn nach unten zieht, die zu einem | |
tonnenschweren Ankerstein führt. So der Plan. | |
Die Praxis sieht anders aus. Erst ist der vor Monaten ausgebrachte | |
Ankerstein unauffindbar. Beim zweiten Versuch am nächsten Tag reißt eine | |
Kette und der Tower lässt sich nicht ausbringen, die Fahrt wird | |
abgebrochen. Das Wetter ist schlecht, als die „Taifun“ Kurs nimmt auf | |
Helgoland. Sie wollen es wieder versuchen, kündigt Buck an. | |
## Algenanbau „sehr umweltverträglich“, sagt der Experte | |
Aquakultur ist weltweit gesehen auf dem Vormarsch. Für 2022 verzeichnete | |
die Welternährungsorganisation FAO 131 Millionen Tonnen Produkte aus | |
Aquakulturen, davon 36,5 Millionen Tonnen Algen. | |
Grundsätzlich sei deren Anbau, der heute vor allem in Asien stattfindet, | |
„sehr umweltverträglich“, urteilt Carsten Schulz, Professor für Marine | |
Aquakultur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Insbesondere | |
deshalb, weil Algen Nährstoffeinträge in die Gewässer kompensieren, indem | |
sie gelöste Stoffe aufnehmen und daraus Biomasse bilden. | |
Allerdings ist es so, dass eine für Aquakultur genutzte Fläche anderen | |
Organismen nicht mehr so zur Verfügung steht wie vorher. Zum Beispiel könne | |
die Verschattung durch Makroalgen anderen Organismen „das Leben schwer | |
machen“, die ebenfalls auf Licht angewiesen sind. Andererseits könnten | |
Algenkulturen zum Beispiel Fischen Schutz bieten, so der Experte. | |
Vor diesem Hintergrund sieht Schulz das Olamur-Projekt, an dem er selbst | |
nicht beteiligt ist, positiv und schätzt „den innovativen Charakter über | |
die Co-Nutzung von Windparkflächen mit der Aufzucht von extraktiven | |
Organismen, wie Algen oder Muscheln“. | |
29 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Phillipp Steiner | |
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