| # taz.de -- Die Macht der Tech-Konzerne eindämmen: „Wir müssen so gut werde… | |
| > Was tun gegen die Macht von Big Tech? Auf der Digitalkonferenz | |
| > re:publica zeigen Expert:innen, woran es scheitert – und wie es besser | |
| > ginge. | |
| Bild: Wie Big Tech zähmen? Dieser Frage stellten sich Teilnehmer:innen der Dig… | |
| Berlin taz | Chan-jo Jun ist Anwalt. Einer der renommiertesten, wenn es | |
| darum geht, dass Nutzer:innen ihre Rechte gegenüber den großen | |
| Tech-Konzernen durchsetzen wollen. Wenn eine Moderatorin ihr Gesicht auf | |
| einmal auf Social-Media-Plattformen wiederfindet, wo Kriminelle mithilfe | |
| von künstlicher Intelligenz (KI) täuschend echte Videos gebaut haben, indem | |
| die gefakte KI-Version der Moderatorin für betrügerische Geldanlagen wirbt. | |
| Wenn es sogar möglich ist, ein Videotelefonat mit dieser Fake-Figur zu | |
| führen – alles auf Basis von KI. [1][Wenn einer Politikerin auf Facebook | |
| immer wieder das gleiche falsche und rassistische Zitat untergeschoben | |
| wird] – und Mutterkonzern Meta sich weigert, es von selbst zu löschen. | |
| Es sind solche Fälle, die Chan-jo Jun und seine Kanzlei-Kolleg:innen | |
| vertreten und die ihn mittlerweile zu dem Fazit bringen: „Für die Konzerne | |
| ist es billiger, die Gesetze nicht zu beachten, als sie zu beachten.“ | |
| Chan-jo Jun und seine Kollegin Jessica Flint stehen auf der | |
| Digitalkonferenz re:publica, die von Montag bis Mittwoch in Berlin | |
| stattfindet, für den juristischen Kampf gegen die gesellschaftliche und | |
| politische Macht der Onlineplattformen. Sie helfen Betroffenen, mithilfe | |
| des Rechts den [2][Fake News, Hassnachrichten, Bedrohungen, Verleumdungen | |
| oder dem Missbrauch von Bildern], die etwa in KI-generierte Pornofilme | |
| gebaut werden, etwas entgegenzusetzen. Neben Anwält:innen unterstützen | |
| dabei auch Organisationen wie Hate Aid. | |
| Wer heute noch glaube, dass sich die Plattformen schon von selbst an | |
| Gesetze halten würden, sei „hochgradig naiv“, sagt Anwalt Chan-jo Jun. | |
| Selbst in Fällen, die nach jahrelanger Prozessdauer endlich | |
| höchstrichterlich entschieden wurden, setzten die Konzerne das Recht gerade | |
| mal in diesem einen Fall um – alle anderen gleichgelagerten würden | |
| ignoriert. Das sei auch deshalb so problematisch, weil derzeit ein großer | |
| Teil der Rechtsdurchsetzung bei den Betroffenen hängen bleibe. | |
| „Die Aufsichtsbehörden kümmern sich nicht“, kritisiert seine Kollegin | |
| Jessica Flint. Sie berichtet von einem Fall, in dem ein Mandant innerhalb | |
| eines Jahres 300 Beschwerden wegen rechtswidriger Inhalte an die | |
| Bundesnetzagentur gegeben habe. Die Bundesnetzagentur überwacht in | |
| Deutschland, dass sich die Unternehmen an den Digital Services Act (DSA) | |
| halten. Das ist ein EU-Gesetz, das die Onlineplattformen unter anderem | |
| stärker in die Verantwortung für die bei ihnen geposteten Inhalte nehmen | |
| soll. | |
| ## „Schaufenster-Gesetze“ | |
| Passiert sei aber nichts, so Flint. Denn: Die Aufsichtsbehörde ist längst | |
| noch nicht mit dem nötigen Personal ausgestattet, das für die Durchsetzung | |
| des DSA nötig wäre. Von „Schaufenster-Gesetzen“ spricht Chan-jo Jun: | |
| Gesetze, die schön und wirksam aussehen, aber nicht durchgesetzt werden. | |
| Das Gleiche drohe nun beim AI Act, der europäischen Gesetzgebung zu KI, | |
| deren Regeln nach und nach in Kraft treten. | |
| „Im Gesetz steht ein Erfüllungsaufwand von 99 Mitarbeitern, und wir | |
| arbeiten derzeit mit einem Viertel“, erklärt Klaus Müller, Präsident der | |
| Bundesnetzagentur, auf einer anderen Bühne über das Dilemma des Mangels an | |
| Personal für diesen Aufsichtsbereich. Der Grund: Mit dem Scheitern der | |
| Ampelkoalition sei der Bundeshaushalt im Verzug, da müssten die Stellen | |
| herkommen. | |
| Doch das Loch bei der Bundesnetzagentur ist nur der sichtbarste Teil eines | |
| deutlichen Ungleichgewichts zwischen den Big-Tech-Konzernen mit ihren gut | |
| ausgestatteten Rechtsabteilungen auf der einen und den Aufsichtsbehörden | |
| auf der anderen Seite. „Wir müssen so gut werden wie die, dann können wir | |
| Recht durchsetzen“, sagt daher die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa | |
| Specht-Riemenschneider. Momentan gibt es dagegen eher die gegenteilige | |
| Dynamik: „Wenn sich keiner an Recht hält, dann verliert Recht seine | |
| Funktion.“ | |
| Wie es nicht laufen solle, zeigt der Fall Meta. Seit diesem Dienstag | |
| [3][verwendet der Konzern Daten der Facebook- und Instagram-Nutzer:innen | |
| für das Training seiner KI] – es sei denn, sie haben widersprochen. „Ich | |
| habe mich eine halbe Stunde durch Facebook gewühlt, um diese Schaltfläche | |
| zu finden“, gibt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, zu. „Und | |
| wenn ich das nicht finde, will ich wissen, wie es vielen geht, die sich | |
| noch nicht damit beschäftigt haben.“ Er wünsche sich einen „Allem | |
| widersprechen“-Button, am besten direkt auf der Startseite. | |
| ## Wie es besser gehen könnte | |
| Specht-Riemenschneiders Forderung: Es brauche bessere Vorhersagestrategien. | |
| „Strategic Foresight“ heißt die Forschungsdisziplin dazu, die in | |
| Unternehmen bereits angewandt wird und ihnen helfen soll, Trends früh zu | |
| erkennen und so auf dem Markt vorne zu sein. Übersetzt für die Regulierung | |
| würde das bedeuten: Die Politik müsste nicht immer erst im Nachklapp auf | |
| neue Technologien und unternehmerische Entscheidungen reagieren, sondern | |
| sollte frühzeitig wissen, wohin die Entwicklung geht. | |
| Auch die Anwält:innen Chan-jo Jun und Jessica Flint haben konkrete | |
| Ideen. Zum Beispiel: die Summen für Schadensersatz deutlich erhöhen. Es | |
| müsse teurer werden, die Gesetze zu brechen, als an den Rechtsverletzungen | |
| zu verdienen. Vorbild könnte hier das Urheberrecht sein. Dann: die | |
| Social-Media-Plattformen behandeln wie Medienunternehmen – mit allen | |
| Rechten, aber auch allen Pflichten, was die Verantwortung für Inhalte | |
| angeht. | |
| „Wir müssen aufhören, den Narrativen der Plattformen auf den Leim zu | |
| gehen“, sagt Chan-jo Jun. Die würden sich gerne als neutral darstellen, | |
| seien es aber gar nicht. So sei auch eine algorithmisch kuratierte Timeline | |
| eine redaktionelle Entscheidung. Eine, die momentan polarisierende Inhalte | |
| begünstigt und damit rechten Parteien und Influencer:innen mehr | |
| Aufmerksamkeit verschafft. | |
| Und schließlich: die Mächtigen ganz in die Verantwortung nehmen. Die | |
| Social-Media-Konzerne seien, sagt Anwältin Flint, in einigen Bereichen | |
| mittlerweile so mächtig geworden, dass auch für sie eine Pflicht nötig sei, | |
| sich wie der Staat gegenüber den Bürger:innen an Grundrechte zu halten. | |
| 27 May 2025 | |
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