# taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Hochenergetisch in die Dystopie | |
> In der Galiläakirche gibt es ein Requiem für die Demokratie. | |
> Optimistischer: der Jazzpianist Nduduzo Makhathini oder das Trio Shonen | |
> Knife aus Osaka. | |
Bild: 1981 in Osaka geründet: Shonen Knife | |
Nix da mit „Tanz in den Mai“ oder anderem vergnügten Kokolores – bei | |
„Kultur am Dorfplatz“ geht es ungemütlich zu. In Kooperation mit dem | |
Projektraum Liebig12 findet in der Galiläakirche ab 20 Uhr ein so genanntes | |
„Requiem für die Demokratie“ statt. | |
Vorher kann man sich in der Liebig12 das ortsspezifische Projekt „Drift | |
Choir, Human Connection in a Polyphony of Place“ der multidisziplinär | |
arbeitenden Künstlerin Victoria Keddie anschauen, das mit einem | |
Künstlergespräch eröffnet wird: Der aktuell immer wieder aufpoppende | |
Begriff der Disruption dürfte eine Rolle spielen, ist er doch ein zentrales | |
Element von Keddies Arbeit – ebenso wie Noise und ihr Konzept von | |
Ambiguität. | |
Das darauf folgende „Requiem für die Demokratie“ von Klangkünstler Marc | |
Weiser und dem Theaterregisseur Heiko Michels basiert auf Textfragmenten, | |
die bei Straßeninterviews im Kiez zusammengetragen wurden – eine | |
„realistische Dystopie“, wie es in der Ankündigung heißt, musikalisch | |
gerahmt von Marc Weiser (Gitarre, Gesang) und Caroline Tallone an der | |
Drehleier (1.5., 20 Uhr, Eintritt frei, [1][weitere Infos gibt es hier]). | |
Wer Optimistischeres sucht, dem seien am gleichen Abend Nduduzo Makhathini | |
und seine Mitmusiker:innen ans Herz gelegt – schließlich setzt der | |
südafrikanische Jazzpianisten, der sich auch als Heiler betätigt, auf die | |
Kraft der Vergebung. Dabei haben die Instrumente eine symbolische | |
Bedeutung: Die Stimme steht für den Aufruf, Streicher für die Klage, das | |
Klavier für Vielfalt und Kooperation – und die Trompete ruft zum Handeln | |
auf. Mit dem Schlagzeug wird Erneuerung herbeigetrommelt ([2][Pierre Boulez | |
Saal], 1.5., 20 Uhr, Tickets im VVK 10-45 Euro). | |
Fast berühmter als die japanischen Band Shonen Knife ist das Zitat von Kurt | |
Cobain anlässlich eines Besuchs bei ihrem Konzert im Jahr 1991: „Als ich | |
sie endlich live erlebte, fühlte ich mich wie eine Neunjährige bei einem | |
Beatles-Konzert“. Gegründet hat sich das Trio, das den Sound von Girl-Bands | |
der Siebziger Jahre mit ihrem Faible für die Ramones zusammenbringt, | |
bereits 1981 in Osaka. | |
Sie sind also nicht mehr die allerjüngsten, aber noch hochenergetisch | |
unterwegs. Doch offenbar gehen sie nicht gerne spät ins Bett; das Konzert | |
im Frannz beginnt um 19 Uhr. Stellt sich die Frage, warum Cobain sich | |
ausgerechnet in hysterischen Momenten gefühlt in ein kleines Mädchen | |
verwandelte – wo er doch sonst in Genderfragen einigermaßen progressiv war | |
(2.5., Tickets für 30,25 Euro im VVK [3][gibt es hier]). | |
Anlässlich des Tages der Befreiung gibt es am Donnerstag gleich fünf Mal | |
die Gelegenheit, im Haus des Rundfunks Ulrike Rufs Radio-Reenactment | |
„Stunde Null“ zu erleben – ein Stück für Pianisten, das in Verbindung m… | |
einer Soundcollage aus Radiomitschnitten und John Cage lautloses Stück | |
„4'33'“ aufgeführt wird (8.5., 17:30/18:10/ 19:30/ 20:10/ 20:45, Eintritt | |
frei, [4][Reservierung erforderlich]). | |
Das Brandenburger Neue Musik-Festival intersonanzen [5][feiert sein 25. | |
Jubiläum] – und wird, ebenfalls ab dem 8. Mai über elf Tage an | |
verschiedenen Orten in Potsdam zu erleben sein. Die Eröffnungsveranstaltung | |
im Kunsthaus Das Minsk nimmt ebenfalls Bezug auf das Kriegsende, das | |
polnische NeoQuartet wird „in memoriam: Lied der Moorsoldaten“ zur | |
Aufführung bringen (8.5., 19.30 Uhr, 16 Euro im VVK – das Ticket berechtigt | |
zum Besuch des Museum Barbarini nach 18 Uhr). | |
Am Freitag lockt dann [6][schon wieder die Galiäakirche]. Dort ist das | |
deutsch-dänische Trio toechter zu erleben, dem ein verblüffend zugänglicher | |
Spagat zwischen Elektronik und experimentellem Pop gelingt – wobei alle | |
Klangquellen (Violine, Viola, Cello und natürlich ihre Stimmen) analoger | |
Natur sind. Die Elektronik kommt erst in der Nachbearbeitung dazu. Letztes | |
Jahr erschien ihr zweites Album „Epic Wonder“ auf dem Berliner Label Morr | |
Music (9.5., 20 Uhr, Tickets im VVK 15,57 Euro). | |
30 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://galilaea-kirche.de/event/kultur-am-dorfplatz-1-mai-requiem-fuer-die… | |
[2] https://www.boulezsaal.de/de/event/nduduzo-makhathini-400094 | |
[3] https://www.greyzone-tickets.de/produkte/1002-tickets-shonen-knife-frannz-c… | |
[4] https://www.rbb-online.de/unternehmen/service/veranstaltungen/2025/stunde-n… | |
[5] https://www.neue-musik-brandenburg.de/intersonanzen/ | |
[6] https://eventfrog.de/de/p/konzert/electro/toechter-7299520150901895955.html | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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