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# taz.de -- Wahlen in Kanada: Trump-Effekt im Nachbarland
> Die Liberalen rund um Premier Mark Carney gewinnen die Wahl in Kanada.
> Der konservative Herausforderer Pierre Poilievre gesteht die Niederlage
> ein.
Bild: Überraschend klarer Wahlsieger: Kanadas liberaler Premier Mark Carney am…
Toronto taz | In Kanada ist vergangene Nacht eine Realität eingetreten, die
noch vor wenigen Monaten unmöglich schien: zum vierten Mal in Folge haben
die Liberalen eine [1][Parlamentswahl] gewonnen. Der ehemalige
Zentralbankchef Mark Carney, seit März als Nachfolger Justin Trudeaus im
Amt, wird Premierminister bleiben.
Sein Herausforderer Pierre Poilievre, Parteichef der Konservativen, gestand
seine Niederlage ein und gratulierte Carney zum Wahlsieg. Carneys
Regierungspartei kam nach offiziellen Ergebnissen am frühen Morgen
(Ortszeit) nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahllokale auf 43,2
Prozent der Stimmen, die Konservativen auf 41,7 Prozent. Die Liberalen
erhalten demnach voraussichtlich 166 Sitze im Parlament – und bleiben damit
knapp unter der absoluten Mehrheit von 172.
Lange hatte es so ausgesehen, als ob der jüngere und charismatische
Rechtspopulist Pierre Poilievre mit seinem Versprechen eines neuen
Zeitalters für Kanada Erfolg haben würde. Er lockte Wähler:innen mit
angekündigten Steuersenkungen, der Abschaffung der unbeliebten CO₂-Steuer
und dem Mantra, dass die Liberale Partei Kanada in Grund und Boden
gewirtschaftet hätte. Damit gelang es Poilievre, neue Wählergruppen und
junge Menschen für Politik zu begeistern und zu mobilisieren.
Aber als Donald Trump imperialistische Klänge im Stil Putins anstimmte und
von Kanada als 51. US-Bundesstaat zu fantasieren begann, schlug die
Stimmung um. Trump hatte Justin Trudeau noch während seiner Amtszeit
öffentlich immer wieder als „Gouverneur Trudeau“ gedemütigt und Kanada
damit rhetorisch in eine Reihe mit US-Gouverneuren gestellt. Mit Beginn
seiner zweiten Amtszeit nahmen die Annexionsfantasien immer absurdere Züge
an.
## Für Kanada geht es um alles – vor allem gegen Trump
Carney ist ein Typus nüchterner, unaufgeregter Technokrat. Im Wahlkampf
zitierten kanadische Medien gerne seine Aussage: „Gäbe es keine Krise, wäre
ich nicht hier. Ehrlicherweise erweise ich mich in Krisenzeiten am
nützlichsten, im Frieden tauge ich wenig.“
Als Premier kommen nun schwindelerregende Aufgaben auf ihn zu. „Amerika
will unser Land, unsere Ressourcen, unser Wasser. Präsident Trump will uns
brechen, um uns zu besitzen“, sagte Carney, als er nach seinem Wahlsieg ans
Mikrofon trat. Er sprach von einer Welt, die sich über Nacht fundamental
verändert habe.
Um eine Mehrheitsregierung zu bilden, hätten die Liberalen 172 der 343
Sitze im Unterhaus gewinnen müssen. Jetzt werden sie wohl eine
Minderheitsregierung bilden und sich die Unterstützung kleinerer Parteien
wie der NDP suchen, um Gesetze durchzubringen.
[2][Dass es für ihr Land um alles geht], daran erinnerte Donald Trump die
Kanadierinnen und Kanadier auch am Wahltag. Auf seiner Onlineplattform
Truth Social forderte er sie auf, den Mann zu wählen, der „die Kraft und
Weisheit besitze, ihre Steuern und ihre Militärmacht kostenlos auf das
höchste Niveau der Welt zu steigern und ihre Auto-, Stahl-, Aluminium-,
Holz-, Energie- und alle anderen Industriezweige zu vervierfachen, ohne
Zölle oder Steuern, wenn Kanada der begehrte 51. Bundesstaat der
Vereinigten Staaten von Amerika wird. Schluss mit der vor vielen Jahren
künstlich gezogenen Grenze. So hat es immer sein sollen.“
## Die wirtschaftlichen Probleme bleiben
Die Grenze zwischen den USA und Kanada ist fast 8.900 Kilometer lang und
damit weltweit die längste zwischen zwei Staaten. Fast achtzig Prozent
aller Exporte Kanadas gehen in die USA. Der Zollkrieg tut Kanada mehr weh
als den USA.
Jetzt liegt die Hoffnung auf Mark Carney, [3][Donald Trump die Stirn zu
bieten]. Dazu wird er mit der Gegenseite verhandeln müssen. Denn obwohl
gerade eine Patriotismuswelle über das ganze Land fegt und zum Kauf von
Made-in-Kanada-Produkten auffordert, ist der Boden der Tatsachen ein
anderer: Ein ernsthafter Zollkrieg würde Kanada in eine massive
Wirtschaftskrise stürzen.
Die kann sich niemand leisten. Das kanadische Versprechen auf lebenslangen
Wohlstand und ein bequemes Leben dank Ölvorkommen und wertvoller Ressourcen
ist längst nicht mehr das, was es einmal war. Trudeaus Unbeliebtheit und
der Aufwind der Konservativen lag an den hohen Lebenshaltungskosten,
steigenden Mieten und der Unmöglichkeit, sich eine eigene Wohnung zu
leisten. Spricht man mit den Menschen im Land, haben viele das Gefühl, ihre
Lebensqualität habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.
Wie in den USA sind viele auch hier der Opioid-Epidemie zum Opfer gefallen.
Feindseligkeit gegenüber Migranten und die Abneigung, als Land etwas gegen
den Klimawandel zu unternehmen, haben zugenommen. Kanadier sind stolz auf
ihr Sozialsystem, auf ihre strengen Waffengesetze, ihren Umgang
miteinander, der sich von der politischen Polarisierung ihrer
amerikanischen Nachbarn unterscheidet.
Carney ist weder ein Visionär noch ein Zauberer. All diese Probleme wird
er, wenn überhaupt, nicht so schnell lösen können. Aber sein etwas
langweiliges, aus der Finanzwelt importiertes Auftreten hat Kanada vor
einem selbsterklärten anti-woken konservativen Populisten gerettet. Das
sind erstmal gute Nachrichten.
29 Apr 2025
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## AUTOREN
Marina Klimchuk
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