# taz.de -- Russland-Sanktionen missachtet: Nichts als Ärger mit der Karre | |
> Ein Gastronom aus Hannover verkauft seinen Gebrauchtwagen an einen | |
> Georgier – jetzt steht er wegen der Umgehung der Russland-Sanktionen vor | |
> Gericht. | |
Bild: Mini-Ausgabe eines Mercedes G63: Die ausgewachsene Variante kostet gebrau… | |
Hannover taz | Der Mercedes-Benz G 63 gehört zu der Sorte [1][SUV, die mit | |
„Stadtpanzer“ treffend umschrieben ist]. Warum er den denn überhaupt nach | |
so kurzer Zeit schon wieder verkaufen wollte, fragt der auf | |
Wirtschaftssachen spezialisierte Staatsanwalt den Angeklagten. Der kräftige | |
Gastronom zuckt mit den Achseln: „Der war mir dann doch zu viel. Zu | |
auffällig, zu groß, zu unbequem.“ Aber natürlich muss sich dieser | |
stadtbekannte Gastronom nicht für seinen Autogeschmack vor Gericht | |
rechtfertigen. Vor dem Amtsgericht Hannover musste er am Dienstag | |
erscheinen, weil er das Auto an den Falschen weiterverkauft hat. Und das | |
könnte ihn jetzt sehr teuer zu stehen kommen. | |
Mit dem Verkauf beauftragt er einen alten Freund, den er seit Schulzeiten | |
kennt. Und der ist nicht irgendwer, sondern ein ziemlich großer | |
Gebrauchtwagenhändler mit mehreren Filialen. Er hat eine ähnliche Vita wie | |
der Angeklagte selbst: Selfmade-Unternehmer, türkeistämmig, gut im Geschäft | |
– es sind zwei dieser Erfolgsgeschichten, die man eigentlich gern vorzeigt | |
und feiert. Auch der Angeklagte hat gerade erst eine schicke, weitere | |
Filiale seiner stylischen Döner- und Burgerkette eröffnet. | |
Für sein gebrauchtes Schlachtschiff von einem Auto möchte er noch 170.000 | |
Euro haben – er hat ihn ja immerhin nur ein paar Monate und um die 3.000 | |
Kilometer gefahren, der Wagen ist also praktisch neuwertig. Sein | |
Schulfreund, der Autohändler, macht sich ans Werk. Bedauerlicherweise | |
melden sich aber erst einmal nur Interessenten, die mit ihren Angeboten um | |
deutliche 20.000 Euro unter dem liegen, was der Gastronom gern haben | |
möchte. | |
## Zoll Hannover stellt sich quer | |
Doch dann taucht doch noch jemand auf, der bereit ist, den vollen Preis zu | |
zahlen. Ein Georgier, Ex-Spitzensportler, möchte den Wagen kaufen. Man wird | |
sich schnell einig und bereitet den Verkauf und die Ausfuhr nach Georgien | |
vor. Doch dann gibt es ein Problem: Der Zoll Hannover stellt sich quer. | |
„Wir sehen natürlich, dass sich aufgrund der [2][Russland-Sanktionen] | |
Warenströme verändert haben“, sagt die zuständige Zollbeamtin am Dienstag | |
vor dem Amtsgericht. Das ist milde ausgedrückt: Erst im vergangenen Jahr | |
hatte es böse Schlagzeilen gegeben, weil BMW-Mitarbeiter rund 100 | |
hochwertige [3][Neuwagen von Hannover aus nach Russland geschafft] haben. | |
Auch andere Firmen stehen immer wieder in der Kritik, weil sie den | |
[4][Export über Drittländer nach Russland] nicht konsequent unterbinden. | |
Aber hier geht es ja um eine Privatperson. In welchen Fällen man sich Waren | |
vorführen lasse oder die Papiere intensiver prüfe, sei vom Einzelfall | |
abhängig, erklärt die Zollbeamtin. Man verfolge einen „risikobasierten | |
Ansatz“. | |
In diesem Fall gab es verschiedene Warnzeichen: Da war diese | |
Gastronomiefirma, die sich sonst gar nicht mit Autoverkäufen befasst. Ein | |
sehr hochpreisiges Auto, für das es in Georgien kaum einen Markt gibt. Ein | |
Käufer, der zwar einerseits wohl so tat, als kaufe er für den | |
Privatgebrauch. Bei seiner Einreise hatte er allerdings eine größere Menge | |
Bargeld angemeldet – mit der Begründung, er sei Autohändler. Alles in allem | |
ergab dies eine Gemengelage, die dafür sorgte, dass der Zoll Hannover die | |
Ausfuhrgenehmigung widerrief. Dagegen legten einige der Beteiligten | |
Widerspruch ein. Aber auch das nutzte nichts. | |
Was vor Gericht nicht geklärt wurde, ist: Wer dann auf die grandiose Idee | |
kam, es einfach woanders zu versuchen. „Man, ich verkaufe Döner, keine | |
Autos, ich verstehe davon nichts“, sagt Mehmet Y. vor Gericht immer mal | |
wieder. Er verkneift es sich aber auch, seinen Freund, den Autohändler, zu | |
belasten. | |
Fest steht: Kurze Zeit später wird dasselbe Auto wieder zur Ausfuhr | |
angemeldet. Dieses Mal in Metzingen, Baden-Württemberg, 560 Kilometer | |
entfernt. Als Käufer taucht dieses Mal der Sohn des Georgiers auf – | |
gleicher Nachname, anderer Vorname. Außerdem mischt eine kleine | |
Dienstleistungsfirma mit, die in Reutlingen ansässig ist. Vermutlich eine | |
dieser Firmen, die für Autohäuser An- und Ummeldungen übernehmen. Hier | |
dient sie wohl dazu, die Zuständigkeit des Zolls in Metzingen plausibel zu | |
machen. Im Gegensatz zum Zoll Hannover stellt der nicht viele Fragen, | |
sondern winkt den Vorgang einfach durch. | |
## Fahrzeug in Russland angemeldet | |
Der Gastronom und sein Autohändler glauben, sich abgesichert zu haben: Sie | |
haben den Georgier versprechen lassen, dass der Wagen nicht nach Russland | |
geht. Sie haben sogar eine Kaution einbehalten, die er erst bekommt, | |
nachdem er eine Kopie der Anmeldung in Georgien geschickt hat. | |
Doch am Ende nutzt das alles nichts. Der Zoll Hannover soll Recht | |
behalten: Zollermittler, die in der Zwischenzeit auf den Fall angesetzt | |
wurden, finden Belege dafür, dass das Fahrzeug mittlerweile in Russland | |
angemeldet worden ist. Deshalb ist der Verkäufer nun wegen Umgehung der | |
Russland-Sanktionen dran. | |
## Einspruch gegen ersten Strafbefehl | |
Gegen einen ersten Strafbefehl legt er Einspruch ein, so kommt es zur | |
Verhandlung vor dem Amtsgericht. Und da kennen Richter und Staatsanwalt | |
kein Pardon: Sie setzen die Geldstrafe noch einmal empfindlich höher. 150 | |
Tagessätze à 200 Euro stehen am Ende im Urteil, macht 30.000 Euro | |
Geldstrafe, außerdem sollen die 170.000 Euro aus dem Autoverkauf eingezogen | |
werden und die Kosten des Verfahrens kommen auch noch dazu. | |
Der Gastronom ist fassungslos: „Das ruiniert mich. Wie soll ich das meinen | |
Angestellten erklären? Sechs, sieben Arbeitsplätze, immer alle Steuern und | |
Sozialabgaben gezahlt – zählt das alles nichts?“ Nein, sagt der Richter | |
nüchtern. „Dass dadurch eine Insolvenz entstehen könnte, ist eben so. Das | |
erleben wir hier täglich.“ Der Gastronom stapft mit seinem Anwalt | |
kopfschüttelnd davon. Darüber, ob man Rechtsmittel einlege, müsse man sich | |
erst noch beraten. „Aber eigentlich möchten wir dieses Urteil so nicht | |
stehen lassen“, sagt der Anwalt. | |
13 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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