# taz.de -- Verhandlungen im Ukraine-Krieg: Selenskyj will in Istanbul auf Puti… | |
> Der ukrainische Präsident will seinen russischen Amtskollegen in der | |
> Türkei treffen, doch der Kreml mauert weiter. Europa berät über neue | |
> Sanktionen. | |
Moskau/Kyjiw/Berlin taz | „Die Uhr läuft“, heißt es aus Berlin. Ein Satz, | |
mit dem Europa Moskau bewegen will, die [1][geforderte Waffenruhe in der | |
Ukraine] zeitnah umzusetzen. Andernfalls drohten weitere Sanktionen. Für | |
Moskau ist das ein Ultimatum. In solchen aber spreche Moskau nicht, | |
bekräftigte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. „Die Sprache von | |
Ultimaten ist nicht angemessen. So kann man nicht mit Russland reden“, | |
sagte er. | |
Russlands Präsident Wladimir Putin habe in der Nacht auf Sonntag „alles | |
klar und deutlich ausgeführt“. In Istanbul solle „ohne Vorbedingungen“ | |
darüber beraten werden, wie die „Grundursachen des Konflikts“ zu beseitigen | |
seien. Eine Waffenruhe empfindet Russland als „Vorbedingung“. Nach den | |
pompösen [2][Feierlichkeiten zum 9. Mai] hatte Putin, quasi als Antwort auf | |
die Forderungen der Europäer, die „Wiederaufnahme“ der Gespräche in | |
Istanbul vom Frühling 2022 vorgeschlagen. | |
Mit dieser Erklärung hat er sich – einmal mehr – Zeit verschafft. Russland | |
tue nichts unter Druck, wird sein Sprecher nicht müde zu betonen. Wer in | |
Istanbul vertreten sein soll, hat der Kreml bislang nicht bekannt gegeben. | |
Im Rat für Internationale Angelegenheiten in Moskau hieß es am Montag, | |
Putin werde kaum dorthin reisen. Es sei ein Treffen auf diplomatischer | |
Ebene. Selenskyj verstehe nichts von professioneller Diplomatie, wenn er | |
jetzt bereits ein Treffen der Präsidenten fordere, sagte der | |
Geschäftsführer des Rates, Iwan Timofejew. | |
Putin redet gern über Frieden, solange seine Armee weiter angreifen kann. | |
Seine Anliegen bleiben dieselben: kein Nato-Beitritt der Ukraine, | |
Sonderrechte für Russischsprachige in der Ukraine, Reduzierung der | |
ukrainischen Streitkräfte, die Sicherheit von all dem garantiere auch | |
Russland. Über anderes aber wollen die Russen gar nicht erst reden. Erst | |
die „Grundursachen“ lösen, wie es in Moskau heißt, dann eine Waffenruhe in | |
Betracht ziehen. Vielleicht, unter gewissen Umständen, möglicherweise. | |
## Russische Propaganda: „Europäische Junkies“ | |
Derweil machen sich Russlands Propagandist*innen wie auch Russlands | |
Außenamtssprecherin Maria Sacharowa über die Europäer lustig. Mit einer | |
fast schon diabolischen Freude beschreibt Sacharowa die Bilder und Videos, | |
die den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den britischen Premier | |
Keir Starmer und den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz [3][in ihrem | |
Sonderzug aus Kyjiw] zeigen. | |
Für Sacharowa sind die Aufnahmen ein „unglaubliches Filmmaterial“, das | |
europäische Junkies zeige. „Nachdem Selenskyj in eine weitere höllische | |
Intrige gedrängt worden war, um die Einigung zu vereiteln und das | |
Blutvergießen in Europa fortzusetzen, stiegen ein Franzose, ein Engländer | |
und ein Deutscher in einen Zug und atmeten erleichtert auf. Offenbar so | |
sehr, dass sie vergaßen, ihre Utensilien (ein Kokainpäckchen und einen | |
Drogenlöffel) wegzuräumen, bevor die Journalisten eintrafen“, schrieb | |
Sacharowa in ihrem Telegram-Kanal. | |
Seit Jahren diffamiert Moskau den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr | |
Selenskyj als „ständig zugedröhnten Drogensüchtigen“, nun sind auch | |
europäische Staatsführer Junkies. Damit fallen sie – wie auch die Ukraine �… | |
als vollwertige Gesprächspartner aus. Mit seiner Taktik will Putin vor | |
allem US-Präsident Donald Trump hinhalten, ohne ihm gleich ein „Njet“ | |
entgegenzuschleudern. Ob diese Taktik aufgeht? | |
Demgegenüber scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fest | |
entschlossen, die Reise nach Istanbul anzutreten. „Ich werde am Donnerstag | |
in der Türkei auf Putin warten“, hatte Selenskyj gesagt. Nach Informationen | |
des US-amerikanischen Portals axios.com wolle er auch nach Istanbul reisen, | |
wenn Russland vorab keinem Waffenstillstand zustimme. Im Telegram-Kanal | |
„Odessa Info“ sind die jüngsten Entwicklungen das Top-Thema. „Wir warten | |
auf das Ende des Krieges“ und „Hurra“ lauten Einträge in der | |
Kommentarspalte. Doch nicht alle Leser stimmen zu. „Ihr werdet noch mal in | |
einem russischen Konzentrationslager auf der Kolyma schluchzen, ihr | |
stinkenden Drückeberger“ empört sich ein User. | |
## Zustimmung aber auch Kritik | |
In der ukrainischen Führung herrscht Zustimmung zu Selenskyjs Bereitschaft | |
in die Türkei zu reisen. Der Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak, hat | |
bekräftigt, dass die Ukraine bei möglichen Verhandlungen in Istanbul direkt | |
mit Putin sprechen wolle und nicht mit dessen Vertretern. Schließlich sei | |
es nun mal Putin, der die Entscheidungen in Russland treffe, so Jermak. | |
Noch vor wenigen Tagen hatte Jermak einen 30-tägigen Waffenstillstand als | |
Vorbedingung für direkte Gespräche genannt. Wer den Präsidenten bei seiner | |
Türkei-Reise begleiten wird, ist derzeit offen. | |
In der ukrainischen Gesellschaft ist ein Entgegenkommen gegenüber Russland | |
in territorialen Fragen sehr umstritten. Das Portal 24tv.ua zitiert einen | |
ukrainischen Kommandeur einer Drohneneinheit mit dem Kampfnamen „Tschepa“ | |
mit den Worten. „Als Soldat und Bürger der Ukraine glaube ich, dass wir, | |
bevor wir uns an den Verhandlungstisch setzen, erst zu den Grenzen von 1991 | |
zurückkehren sollten.“ | |
Unterdessen trafen sich in London mehrere Außenminister im sogenannten | |
Weimarer-Dreieck-Plus-Format, um über die Lage in der Ukraine zu beraten. | |
Der britische Außenminister und Gastgeber des Treffens, David Lammy, | |
empfing Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Spanien und | |
der Ukraine sowie die EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas. | |
## Gemeinsames Statement aus London | |
Deutschland wurde bei dem Treffen vom neuen Außenminister Johann Wadephul | |
(CDU) vertreten. „Wir haben zum ersten Mal ein Momentum, eine wirkliche | |
Chance“ auf baldige Friedensverhandlungen, sagte Wadephul am Rande des | |
Treffens den Sendern RTL und ntv. Die Ukraine könne sich auf „eine große | |
europäische Unterstützung verlassen“. | |
In einem [4][abschließenden Statement] bekräftigen die Außenminister ihre | |
„uneingeschränkte Unterstützung der Sicherheit, Souveränität und | |
territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international | |
anerkannten Grenzen“. Auch die Forderung eines 30-tägigen bedingungslosen | |
Waffenstillstands wird darin erneuert. | |
Gemeinsam mit der Ukraine wolle man an der Stärkung der ukrainischen | |
Streitkräfte arbeiten und diese bei der Aufstockung von Munitions- und | |
Ausrüstungsreserven unterstützen. Außerdem sollen die industriellen | |
Kapazitäten der Ukraine gesteigert werden. | |
Um Russlands Kriegswirtschaft zu schaden, wolle man weiterhin die Einnahmen | |
des Kremls begrenzen, die „Schattenflotte zerschlagen“, die | |
„Ölpreisobergrenze verschärfen“ und verbleibenden russische Energieimporte | |
reduzieren. Man setze sich darüber hinaus für „robuste | |
Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine ein. Dazu gehöre auch, die Bildung | |
einer Koalition gemeinsamer Streitkräfte zu prüfen. | |
12 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Putins-Verhandlungsangebot-an-Ukraine/!6087459 | |
[2] /Tag-des-Sieges-in-Moskau/!6086954 | |
[3] /Merz-Macron-Starmer-und-Tusk-in-Kyjiw/!6087434 | |
[4] https://www.gov.uk/government/news/weimar-joint-statement-on-ukraine-and-eu… | |
## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
Bernhard Clasen | |
Barbara Oertel | |
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