# taz.de -- Giro d'Italia in Albanien: Drang auf die Weltsportbühne | |
> Der Giro d’Italia startet in Albanien, wo der Radsport nur eine | |
> kümmerliche Rolle spielt. Dafür bekommt das Land nun viel Aufmerksamkeit. | |
Bild: Auf den Straßen von Tirana macht man für den Start des Giro alles schick | |
Große Events sorgen oft für große Sprüche. Angesichts des erstmaligen | |
Starts des Giro d’Italia in Albanien tönte Premierminister Edi Rama, dass | |
sein Land jetzt auf die Weltkarte des Sports zurückkehre. Er erwähnte auch, | |
dass eine Woche später die europäischen Regierungschefs zum Gipfeltreffen | |
der Europäischen Politischen Gemeinschaft nach Tirana kämen. | |
Ja, Albanien zieht magnetisch an. 10 Millionen Reisende kamen im letzten | |
Jahr auf dem Flughafen von Tirana an, verkündete Rama. Das mache den | |
Airport, auf dem zu Zeiten des [1][Diktators Enver Hoxha] nur wöchentliche | |
Linienflüge ausgewählte sozialistische Reiseziele ansteuerten, zum am | |
schnellsten wachsenden Flughafen in Europa. Noch so ein Superlativ, der | |
sich ins Narrativ einer aufblühenden Nation einfügt. | |
[2][Rama, seit 12 Jahren im Amt,] immerhin durch Wahlen, allerdings stets | |
begleitet von Korruptionsvorwürfen, setzte sich höchstpersönlich ein, um | |
den Giro in sein Land zu bringen. Der frühere Basketballer geizte nicht mit | |
Anekdoten aus seiner sportlichen Vergangenheit: „In den 1970er Jahren waren | |
die Radioübertragungen vom Giro für uns ein Fenster zur Welt. Und der Fakt, | |
dass damals einer mit meinem Vornamen, Eddy Merckx, um den Sieg mitfuhr, | |
inspirierte mich, mich selbst aufs Fahrrad zu setzen.“ Rama war zehn Jahre | |
alt bei Merckx’ letztem Giro-Sieg. Und es ist doch hübsch, wenn Autokraten | |
auch harmlosen Hobbys wie dem Radsport nachgehen und dafür dann Geld locker | |
machen. | |
Im Falle des Giro-Starts sind es etwa 7 Millionen Euro, die Rennorganisator | |
RCS einstreicht. Es handelt sich um den 15. Auslandsstart des Giro. | |
Erstmals 1965 in San Marino, zuletzt 2022 in Budapest. Probleme mit den | |
finanziellen Garantien muss es gegeben haben. Monatelang wurde die | |
Präsentation der Rennstrecke hinausgezögert, mit Hinweis auf „technische | |
Probleme“. Es kursierten Informationen über einen Plan B mit Start in | |
Süditalien, wohin der Tross nach den drei Tagen im östlichen Anrainerland | |
der Adria ohnehin zieht. | |
## Gelungene Präsentation | |
Jetzt aber sind die 23 Teilnehmerrennställe in Tirana gelandet. Sie, und | |
alle Begleiter und Medienvertreter tragen dazu bei, dass das ehrgeizige | |
Ziel von 12 Millionen Fluggästen in diesem Jahr – bei einer Einwohnerzahl | |
von 2,4 Millionen – tatsächlich erreicht wird. | |
Die Präsentation der Teams auf dem Skanderbeg-Platz in Tirana fanden viele | |
Besucherinnen und Besucher gelungen. Musikkapellen, Tanzensembles und | |
Nebelkanonen sorgten für Stimmung. Primoz Roglic vom Team Red Bull – Bora | |
– hansgrohe und Juan Ayuso vom Team des abwesenden [3][Vorjahressiegers | |
Tadej Pogacar] unterstrichen brav ihre Siegambitionen. | |
Albanische Sportler vermisste man allerdings auf der Bühne. Im | |
World-Tour-Geschäft gibt es derzeit keinen albanischen Radprofi. Die besten | |
Radsportler des Landes fahren auf Klubniveau, also der vierten | |
Leistungsklasse, in belgischen und tschechischen Teams. Den einzigen | |
albanischen Giro-Teilnehmer überhaupt, Eugert Zhupa, vergaßen die | |
Organisatoren dann auch noch einzuladen. Der war darüber ziemlich sauer. | |
Bei einer Veranstaltung im italienischen Kulturinstitut in Tirana sagte er: | |
„Ich wollte für den albanischen Radsport immer eine Bezugsgröße sein, ein | |
Modell, ein Ratgeber. Aber ich wurde niemals angesprochen, nicht einmal | |
jetzt, in diesem historischen Moment.“ | |
Zhupa kam als kleiner Junge mit seinen Eltern in den 1990er Jahren nach | |
Italien. Er wuchs dort auf, wurde vom Radsportfieber vor Ort erfasst und | |
nahm mit italienischen Rennställen von 2015 bis 2018 am Giro teil. Zwar | |
sprang kein einziger Etappensieg dabei heraus, aber viele Emotionen. Er | |
erinnerte sich: „Als der Giro 2017 nach Reggio Emilia kam, meiner | |
Heimatstadt, auf meinen Straßen, habe ich attackiert. Ein Kilometer vor dem | |
Ziel lag ich noch vor dem Peloton. Bei 300 Metern haben sie mich eingeholt. | |
Aber es waren 700 Meter voller Hoffnung und Aufregung.“ | |
## Vorbildhafte Breitensportinitiative | |
Die jetzige Generation albanischer Radsportler ist weit von solchen | |
Erfahrungen entfernt, was den Giro-Start etwas seltsam anmuten lässt. | |
Immerhin nutzte Sportministerin Ogerta Manastirliu die Gelegenheit, ihre | |
„Vision Sport 2030“ für das Land vorzustellen. Darin geht es auch um die | |
Sportinfrastruktur in Schulen. „Wir haben in Sportanlagen in 450 Schulen | |
investiert. Bis 2030 soll jede Schule eine moderne Sportanlage haben.“ | |
Vielleicht sollte die neue deutsche Staatsministerin für Sport, Christiane | |
Schenderlein, in Albanien in Erfahrung bringen, wie man öffentliche Gelder | |
für den Schul- und Breitensport lockermacht. Ihre Amtskollegin in Albanien | |
verwies auch auf das sogenannte School Sports Teams Program, in dessen | |
Rahmen die Basketball- und Volleyballverbände 12.000 Schulkinder in 800 | |
Mannschaften organisiert haben. | |
So gesehen ist das Sportland Albanien vielleicht doch eine Reise wert. | |
Manchester City hat eine Fußballschule in der Hafenstadt Durres, dem | |
Startort der ersten Etappe, errichtet. Und wer weiß, wer jetzt, in diesen | |
drei rosa Tagen in Albanien, nicht alles für den Radsport begeistert wird. | |
In Sachen Radtourismus ist das Land schon jetzt ein Magnet: [4][Dank der | |
Berge] und der malerischen Adriaküste einerseits, aber auch dank mancher | |
Rückständigkeit in der Landwirtschaft. Die lädt dann zu romantischen | |
Bildern mit Eselskarren und Pferdefuhrwerken ein. Derartige Bilder wird | |
sicherlich auch der Giro produzieren. | |
Im Hintergrund laufen sich derweil die Investoren aus dem Nahen Osten, auch | |
sie ausgestattet mit ihren eigenen Programmen Marke „Vision 2030“, warm. | |
Die Vereinigten Arabischen Emirate, für die jetzt ja schon Topstar Tadej | |
Pogacar Rennen gewinnt, würden im kommenden Jahr den Giro gern nach Abu | |
Dhabi holen. Und der saudische Staatsfonds PIF soll schon sondiert haben, | |
gleich das ganze Ausrichterunternehmen RCS, inklusive die Zeitung Gazzetta | |
dello Sport sowie Serie A-Fußballverein FC Turin zu übernehmen. Im | |
Vergleich dazu ist ein Start der Italienrundfahrt auf der anderen Seite der | |
Adria tatsächlich eine sympathisch lokale Angelegenheit. | |
9 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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