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# taz.de -- Spatenstich für U-Bahnverlängerung: BVG in Partystimmung
> Mit großem Tamtam zelebrieren BVG und Senat den Bau einer
> U-Bahn-Abstellfläche. Doch die Finanzierung der U3-Verlängerung steht in
> den Sternen.
Bild: Hinter Krumme Lanke geht’s weiter: Die U-Bahn-Linie 3 soll dereinst gut…
Berlin. taz | Finanzprobleme, ein überalterter und störanfälliger Fuhrpark,
dazu Personalmangel: Die BVG steckt in einer schweren Krise. Nach außen hin
hält sich das landeseigene Unternehmen dabei an die Linie von
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU), die entnervten BVG-Kund:innen jüngst
beschied: [1][„Es gibt nichts zu meckern.“]
Nur folgerichtig lässt sich die BVG das Feiern nicht verbieten und lädt an
diesem Montag nach Zehlendorf zum großen Spatenstich für die Verlängerung
der U-Bahn-Linie 3 über die Endstation Krumme Lanke hinaus, gut 800 Meter
weiter zum S-Bahnhof Mexikoplatz. Neben Verkehrssenatorin Bonde sollen
Senatschef Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD)
zum Spaten greifen. Für schöne Bilder dürfte also gesorgt sein.
BVG und Senat veranschlagen für das Projekt bislang 104 Millionen Euro und
fünf Jahre Bauzeit. „Ein echtes Turboprojekt“, heißt es von den
Verkehrsbetrieben. Kleiner Schönheitsfehler: Selbst die BVG geht nur von
einer überschaubaren Zahl von 12.000 Fahrgästen aus, die täglich auf der
U-Bahn-Strecke zwischen Krumme Lanke und Mexikoplatz unterwegs sein
könnten.
Der Umwelt- und Naturschutzverband BUND sieht dann auch nicht den
geringsten Grund, in Partystimmung zu verfallen. Im Gegenteil. „Bei einer
Priorisierung auf Faktenbasis würde eine mäßig ausgelastete
U-Bahn-Neubaustrecke wie die U3 zum Mexikoplatz weit hinten auf der
Prioritätenliste landen“, sagt BUND-Geschäftsführerin Gabi Jung.
Schließlich ließen sich für die Baukosten von einem Kilometer U-Bahn in
wesentlich kürzerer Zeit 10 bis 20 Kilometer Tram oder 200 Kilometer neue
Radwege anlegen. Dass die Finanzierung für solche Projekte gleichzeitig
radikal zusammengestrichen werden, lässt für Jung nur einen Schluss zu: Das
U-Bahn-Fieber des Senats sei „ideologisch motiviert“.
## Eigentlich eine Mogelpackung
Zur Wahrheit gehört, dass der für Montagnachmittag angekündigte
„Startschuss“ für die U3-Verlängerung eigentlich eine Mogelpackung ist.
Denn gefeiert wird lediglich der Beginn von Sanierungsarbeiten. Konkret:
der Abriss eines maroden, vor fast 100 Jahren errichteten Tunnelstumpfs
hinter der Station Krumme Lanke für eine neue U-Bahn-Abstellanlage. Der
kann später im Fall einer U3-Verlängerung zwar als Teil des künftigen
U-Bahn-Tunnels genutzt werden. Dass das mit der Neubaustrecke vorerst nur
indirekt zu tun hat, räumt aber auch die BVG freimütig ein. „Wir setzen mit
der Kehr- und Abstellanlage betriebsstabilisierende Maßnahmen um, die
unabhängig von der Verlängerung stehen“, teilt ein Sprecher auf Nachfrage
mit.
„Das als ‚Startschuss‘ zu verkaufen, ist doch komplette Verarsche“, sagt
Antje Kapek, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus. Es handele sich bei dem Spatenstich um einen PR-Termin
ohne Relevanz für die U3-Verlängerung. „Dann kann ich mich auch mit einem
Spaten auf den Ku’damm stellen und erklären: Der ist jetzt autofrei“, sagt
Kapek zu taz.
Tatsächlich soll mit den Arbeiten für die Trasse zum Mexikoplatz und eine
anschließende, noch größere Wende- und Abstellanlage erst 2026 begonnen
werden. So jedenfalls der Plan von BVG und Senat. Bisher gibt es nicht mal
Baurecht. Der für den Bau benötigte Planfeststellungsbeschluss ist zwar für
diesen Sommer angekündigt. Ob der bis dahin kommt und vor allem im
kommenden Jahr der Spaten zu einem „richtigen“ Baustart geschwungen werden
kann, steht allerdings in den Sternen.
## Viele Jahre „Horror-Baustelle“?
Da ist zum einen die Menge an Einwendungen gegen das
Planfeststellungsverfahren. Nicht zuletzt die vor Ort aktive
Bürgerinitiative „Rettet den Mexikoplatz“ hatte im vergangenen Jahr dazu
aufgerufen, fleißig Beschwerden zu schreiben. Insgesamt sind so rund 800
Einwendungen zusammengekommen – die erst einmal alle bearbeitet werden
müssen.
Selbst Kritiker:innen der [2][schwarz-roten U-Bahn-Vernarrtheit] halten
freilich einen Großteil der von der Initiative vorgebrachten Argumente für
reichlich übertrieben. So warnt „Rettet den Mexikoplatz“ vor vielen Jahren
„Horror-Baustelle“. Der „gesamte Berliner Südwesten“ werde deswegen im
„Verkehrschaos“ versinken. Da die Arbeiten nicht per unterirdischem
Tunnelvortrieb durchgeführt werden sollen, sondern kostensparender in
offenen Baugruben, drohe ein „Lärmgigant“, der zu „Gesundheitsschäden f…
alle Bewohnerinnen und Bewohner des gesamten Ortsteils“ führen werde.
Um die U3-Verlängerung zu Fall zu bringen, hat die Initiative zudem ein
eigenes Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Strecke in Auftrag gegeben –
und damit einen anderen, möglicherweise wirklich wunden Punkt getroffen:
die Finanzierung. Anders als BVG und Senat kommt das Gutachten nämlich zu
dem Schluss, dass bei der U3-Verlängerung die Kosten den Nutzen deutlich
überschreiten. Realistischerweise müsste nicht von den angeführten 104
Millionen, sondern von „mindestens etwa 300 Millionen Euro realem
Investitionsvolumen“ ausgegangen werden.
Das Problem: Damit fiele der sogenannte Kosten-Nutzen-Index deutlich unter
den Wert 1 – und es gäbe kein Geld mehr vom Bund. Denn wie bei allen
größeren Verkehrsprojekten baut das notorisch klamme Berlin auch bei der
U3-Verlängerung auf Bundesmittel, in diesem Fall auf eine 75-prozentige
Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Sollte das von der
Initiative beauftragte Gutachten Hand und Fuß haben, käme der Tunnelbau zu
Zehlendorf nicht einmal in die Nähe der Förderungswürdigkeit. Er müsste
dann zur Gänze aus dem Berliner Haushalt gestemmt werden. Dass das Land
dazu nicht in der Lage ist, liegt auf der Hand
## BVG kommt zu „positivem Ergebnis“
Alles unnötige Panikmache, heißt es dazu von der BVG. Die Gegenseite
arbeite mit „unbelegten“ Behauptungen. Und überhaupt: „In dem von der
Bürgerinitiative in Auftrag gegebenen Gutachten werden einige Zusammenhänge
durcheinandergebracht.“ Dagegen erfüllten die eigenen Berechnungen „alle
Anforderungen“. Kurzum: Die BVG hat alles richtig gemacht und „kommt zu
einem positiven Ergebnis“.
Grünen-Politikerin Antje Kapek ist das zu dürftig. „Möglicherweise haben
Senat und BVG ja vernünftige Antworten auf die in dem Gutachten
aufgeworfenen Fragen. Aber die geben sie nicht“, sagt die Verkehrsexpertin.
Kapek, die den verkehrlichen Nutzen der U3-Verlängerung als sinnvollem
Lückenschluss grundsätzlich gar nicht in Abrede stellen will, schwant daher
nichts Gutes: „Die tun so, als sei das alles kein Problem. Wenn sich das
Gutachten aber bewahrheitet, wäre das Projekt tot.“ Übrig bliebe eine neue
Abstellanlage.
27 Apr 2025
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## AUTOREN
Rainer Rutz
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