| # taz.de -- Die Wahrheit: Unechte kriegerische Krabbler | |
| > Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (217): Künstliche | |
| > Insekten wie Roboterbienen sind längst auf dem technischen Vormarsch. | |
| Bild: Schon bald sollen Robotergeschwader die Bienenschwärme ersetzen | |
| Arthur Schopenhauer meinte: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten, | |
| aber alle Wissenschaftler der Welt können keinen herstellen.“ Der Philosoph | |
| Vilèm Flusser ist da optimistischer – oder zynischer? Für ihn beginnt die | |
| „wahre Kunst“ mit der wissenschaftlich-technischen Herstellung | |
| „selbstreproduktiver Werke“ (Lebewesen). Bis dahin sei alles bloß | |
| „Vorkunst“. | |
| Als ersten praktischen Schritt dahin hat man in England und Amerika | |
| sogenannte „Frozen Zoos“ geschaffen, in denen Gewebestücke von stark | |
| gefährdeten oder bereits ausgestorbenen Arten bei minus 195 Grad in | |
| Flüssigstickstoffbehältern gesammelt werden. Die Journalistin Elizabeth | |
| Kolbert interviewte in ihrem Buch „Das 6. Sterben“ (2015) eine Biologin, | |
| die im „Frozen Zoo“ des Tierparks von San Diego arbeitet. Sie berichtete | |
| ihr, dass die Genetiker schon in naher Zukunft aus den Kadaverresten das | |
| ganze Tier wieder auferstehen lassen wollen. Man versucht es bereits mit | |
| Geweberesten von Dinosauriern und Mammuts, bisher mit wenig Erfolg. | |
| Das wird ihnen nie gelingen, unkt der Philosoph Gregory Fuller: „Mit der | |
| Gentechnik erreichen wir bloß den Höhepunkt unserer Verachtung gegenüber | |
| allen natürlichen Wesen“, schreibt er in „Das Ende – von der heiteren | |
| Hoffnungslosigkeit im Angesicht der ökologischen Katastrophe“ 1996. | |
| Es gibt aber noch einen anderen Weg, künstlich Tiere herzustellen. Die | |
| Bienenforscher der Berliner Freien Universität zum Beispiel haben erst | |
| Bienen mit winzigen Sendern bestückt, um ihren Flug zu verfolgen, berichten | |
| Randolf Menzel und Matthias Eckoldt 2016 in ihrem Buch „Die Intelligenz der | |
| Bienen: Wie sie denken, planen, fühlen und was wir daraus lernen können“. | |
| Danach haben die Bienenforscher auch noch eine Roboterbiene entwickelt, die | |
| sogar die „Bienen-Tanzsprache“ beherrscht, das heißt, die Bienen im Stock | |
| fliegen zu der von ihr tanzend gewiesenen Blütentracht. Die FU-Roboterbiene | |
| dient angeblich der Erforschung des Bienengehirns und gehört damit zu den | |
| vom Staat mit Milliarden geförderten Neurowissenschaften. | |
| An der Harvard-Universität wurde ebenfalls eine „Robobee“ entwickelt. Dazu | |
| hieß es zunächst: Wenn das Bienensterben anhalte, werde man sie als | |
| Pflanzenbestäuberin einsetzen. So wie man in Kalifornien auch gegen die | |
| immer öfter streikenden mexikanischen Erntearbeiter fieberhaft an | |
| „Ernterobotern“ arbeitet. | |
| Der Offiziersliterat Ernst Jünger hat diese „Robobees“ bereits 1957 in | |
| seiner Erzählung „Gläserne Bienen“ vorausgeahnt – und ihren „ökonomi… | |
| Rationalismus“ kritisiert, der „Roboter zu allen möglichen Verrichtungen“ | |
| hervorbringt – und unter anderem Apparaturen wie die Gläsernen Bienen | |
| schafft: Sie saugen die Blüten zwar noch gründlicher aus als die lebenden | |
| Bienen „mit ihrer vorsintflutlichen Ökonomie“, aber die künstlichen Bienen | |
| machen mit ihrer überlegenen Technik über kurz oder lang die Blumen | |
| unfruchtbar. | |
| In ihrem Reportageband „Underbug“ (2018) schreibt die amerikanische | |
| Wissenschaftsjournalistin Lisa Margonelli, dass die Harvard-Robobee | |
| kriegerischen Zwecken dienen soll, wobei die Kriegsplaner im Pentagon an | |
| einen „Insektenkrieg“ denken: „Die Militärs phantasieren bereits riesige | |
| Schwärme von tödlichen Insekten, als ‚Minidrohnen‘, die auf 3D-Druckern | |
| hergestellt ein Dollar pro Stück kosten würden.“ | |
| An anderen US-Universitäten wird an der Entwicklung von Roboterfledermäusen | |
| gearbeitet, die man als „Kampfdrohnen“ einsetzen will; sowie an | |
| Roboterflughunden – als „micro air vehicles“ (MAV) für Aufklärungs- und | |
| Überwachungsaufgaben. 2018 stellte der Automatisierungskonzern Festo | |
| bereits einen „BionicFlughund“ vor, der nicht wie die Drohnen nach Art | |
| eines Hubschraubers fliegt, sondern mithilfe seiner Flügel und dabei sehr | |
| wendig ist. | |
| Lisa Margonelli interessierte sich vor allem für Robotertermiten – | |
| ebenfalls ein Harvard-Projekt. Dabei geht es um die Herstellung von Benzin | |
| aus Holz und Gras. Dazu werden die Gene und Eingeweide von Termiten mit | |
| sündhaft teuren Geräten und Software erforscht, konkret: die von der in | |
| Nordaustralien lebenden primitiven Termitenart „Mastotermes darwiniensis“. | |
| Sie schluckt das zerkleinerte Holz, das dann vom Einzeller „Mixotricha | |
| paradoxa“ zusammen mit Pilzen und Bakterien in ihrem Darm verdaut wird, die | |
| die eigentliche Zellulose-Aufspaltung vornehmen. Die mögliche industrielle | |
| Nutzung dieses chemischen Prozesses in der Robotertermite, die quasi | |
| lebensecht programmiert wird, soll – wie üblich bei den Amis – zur | |
| Verbesserung, wenn nicht gar zur Rettung der Welt beitragen. | |
| Auf Deutsch wurde 2018 das Buch „Der symbiotische Planet“ der | |
| US-Mikrobiologin Lynn Margulis veröffentlicht, in dem sie die Symbiose, die | |
| im Darm von Mastotermes darwiniensis zwischen insgesamt fünf Arten | |
| stattfindet, um das Holz zu verstoffwechseln, als Modell für die | |
| Erforschung der Evolution nimmt. Diese wurde und wird ihrer Meinung nach | |
| nicht durch Mutation und konkurrenter Selektion vorangetrieben, sondern im | |
| Gegenteil durch Kooperation. | |
| Die Symbioseforschung, von Margulis einst angestoßen zu Zeiten der | |
| US-Studentenbewegung, wurde erst von den Biologen belächelt, findet sich | |
| jedoch inzwischen in den Lehrbüchern. Sie begann Ende des 19. Jahrhunderts | |
| in Russland unter Botanikern, die sich den Flechten widmeten, wobei sie | |
| herausfanden, dass diese aus einer Alge und einem Pilz bestehen, also aus | |
| zwei Arten, die sich zusammengetan haben, um so quasi überall auf der Welt | |
| existieren zu können. Ein amerikanischer Biologe hat jetzt als Dritten im | |
| Bunde noch ein Bakterium gefunden. | |
| Einige deutsche Forscher wollen ebenfalls die Symbiosen im Darm der | |
| australischen Termite „knacken“. Die „kleinen Holzfresser“ (Die Welt) | |
| sollen ihnen bei der Umwandlung von Zellulose in Biotreibstoff helfen. | |
| Andreas Brune vom Max-Planck-Institut für Mikrobiologie ist optimistisch: | |
| Ihr Darm sei „winzig, funktioniert aber wie ein Bioreaktor mit | |
| erstaunlicher Leistungsfähigkeit“. | |
| Lisa Margonelli stellt sich am Ende ihrer Recherchen, nachdem sie | |
| Termitenbaue in Afrika und die Mikroorganismen im Darm der Termiten | |
| Mastotermes darwiniensis unter dem Mikroskop gesehen hat, die bange Frage: | |
| „Werden sie auch in Zukunft noch so leben können“ – eingedenk der aktuel… | |
| Forschungsergebnisse von „Naturalists in Germany“, Krefeld, die 2017 das | |
| Insektensterben empirisch nachgewiesen hatten. | |
| Erwähnt sei noch ein kanadisches Hybrid-Insekt: ein mobiler kleiner | |
| Roboter, „Roachbot“ genannt, der von einer lebenden Kakerlake gesteuert | |
| wird, die mit einem Klettverschluss auf dem Gerät befestigt ist. Könnte | |
| daraus vielleicht ein Hybrid-Minipanzer werden? | |
| 5 May 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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