# taz.de -- Historischer Roman von Marcello Simoni: In Gegenwart des Todesengels | |
> Ein Inquisitor ermittelt: „Das Grab der Seelen“ von Marcello Simoni ist | |
> ein historischer Thriller voll scharfer Sprache. | |
Bild: Mord, Jesuiten, Ferrera und das 17 Jahrhundert- eine vielversprechende Mi… | |
Von Theologen erwartet man mitunter, dass sie sich „mehr um christliche | |
Themen kümmern“ (Markus Söder). Als Kriminalkommissare sieht man sie in der | |
Regel nicht. In der Literatur verhält sich das anders. G. K. Chesterton | |
etwa wurde bekannt mit seiner Krimireihe um die Figur des Father Brown, und | |
[1][Umberto Eco] schuf mit seinem Klassiker „Der Name der Rose“ von 1980 | |
einen historischen Krimi, dessen Rahmenhandlung um eine Mordserie in einer | |
Benediktinerabtei im Mittelalter kreist. | |
Der italienische Schriftsteller Marcello Simoni steht mit seinem | |
historischen Thriller „Das Grab der Seelen“ in dieser Tradition. Auch bei | |
ihm geht es um einen Mordfall, in dem Patres ermitteln. Die Geschichte | |
spielt zur Zeit der Inquisition im 17. Jahrhundert in der Stadt Ferrara. | |
Dorthin werden der Inquisitor Girolamo Svampa und der Sekretär der | |
Inquisition Francesco Capiferro entsandt, um die Umstände zu klären, unter | |
denen der Kabbalist Solomon Cordovero auf dem Boden des örtlichen | |
Jesuitenklosters ermordet wurde. | |
In Ferrara bekommen sie Konkurrenz durch den dort waltenden Inquisitor | |
Pablo de’ Francis. Der begegnet ihnen mit Misstrauen und versieht sein Amt | |
zudem mit einem fanatischen Aktionismus, der die in erster Linie an Fakten | |
interessierten Svampa und Capiferro abstößt. Denn de’ Francis schreckt | |
ebenso wenig vor dem Verbrennen kabbalistischer Literatur wie vor brutaler | |
Folter zurück. Er verkörpert im Buch den aggressiven Antisemitismus der | |
katholischen Kirche in seiner heftigsten Form. | |
## Reiz des Romans ist auch der scharfe Ton | |
[2][Im jüdischen Ghetto] Ferraras, wo Svampa und Capiferro zu ermitteln | |
versuchen, stoßen sie unter den Rabbinern daher zunächst auf Furcht und | |
Misstrauen. Erst nach und nach können sie ihr ernstes Bemühen um Aufklärung | |
glaubhaft machen, wobei sie zugleich gegen den scheinbar blinden Furor von | |
de’ Francis anzuarbeiten versuchen. | |
Ein Reiz des Romans ist insbesondere der scharfe Ton, in dem die Theologen | |
sich untereinander Wortgefechte liefern. An einem Strang ziehen diese | |
Brüder keinesfalls. Neben dem Antisemitismus während der Inquisition geht | |
es Simoni, der selbst zehn Jahre lang in der Bibliothek des | |
Erzbischöflichen Seminars von Ferrara arbeitete, um die Lehren der | |
jüdischen Mystik, die de’ Francis einerseits mit Feuer bekämpft und denen | |
Svampa und Capiferro andererseits nachforschen, um den Mörder von Solomon | |
Cordovero zu finden. | |
Denn das Wissen Cordoveros und der Rabbiner hat mit dessen Tod ebenso viel | |
zu tun wie die folgenden Morde, die für weitere Suspense sorgen. Im Zentrum | |
der mystischen Fragen steht das „Sefer Jetzira“, das kabbalistische „Buch | |
der Schöpfung“, auf dessen Lehren mutmaßlich auch die Geschichte des Golem | |
zurückgeht. Die Idee eines Geschöpfs, das von Menschenhand erschaffen und | |
dessen Handlungen von seinem Schöpfer bestimmt werden können, greift Simoni | |
in mehreren überraschenden Wendungen auf. | |
Einen Schönheitsfehler hat die deutsche Übersetzung dabei: Hebräisch | |
geschriebene Wörter sind gegen die Laufrichtung, die eigentlich von rechts | |
nach links geht, im Text in umgekehrter Buchstabenfolge gedruckt. „Das Grab | |
der Seelen“ ist kein historischer Roman im strengen Sinn, da die meisten | |
seiner Figuren fiktiv sind. | |
Simoni orientiert sich jedoch am historischen Stadtbild Ferraras und hat | |
ein paar reale Persönlichkeiten eingearbeitet, darunter die jüdische | |
Mäzenin Dolce Fano, die im Ghetto Ferraras lebt und für den Verlauf der | |
Ereignisse eine wichtige Rolle spielt. Wie alle Figuren des Romans ist | |
seine Dolce Fano nicht übermäßig komplex angelegt. Simoni macht damit aber | |
zumindest ein wenig die weitgehend ungeschriebene Geschichte von Frauen | |
gut. | |
18 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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