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# taz.de -- Die Wahrheit: Leben retten mit Flirten
> In Krankenhausserien geht es immer nur um zwei Dinge, die erstaunlich gut
> und ausgeruht aussehende Fernsehärzte und -ärztinnen perfekt beherrschen.
An mir ist eine Notärztin verloren gegangen. Das ist mir beim Bingewatchen
einer aktuellen Krankenhausserie unlängst klargeworden. Was die attraktiven
Mediziner und Medizinerinnen da in diesen Fernsehhospitälern so
bewerkstelligen, ist genau mein Ding: Den ganzen Tag und die ganze Nacht
geht es entweder um Flirten oder um Lebenretten.
Meine wenigen eigenen Erfahrungen als Notfallpatientin hielten bislang zwar
weder das eine noch das andere parat, sondern beschränkten sich auf
In-Gängen-herumliegen und auf Docs-in-Crocs-warten.
Fernsehärzte tragen übrigens nie Crocs, sie wollen schließlich flirten. Und
die echten Ärzte und Ärztinnen in meinem Bekanntenkreis berichten auch
eher von wachsender Abscheu vor anderen Menschen. Aber ich würde
selbstverständlich nicht in einer maroden Kreuzberger Klinik anfangen, die
sich nach der Übernahme durch ein privates Gesundheitsnetzwerk nicht mal
mehr neue Papierhandtücher leisten kann. Sondern in einem dieser großen
Fernsehkrankenhäuser, die zwar auch latent überlaufen sind, aber dennoch
vor medizinischem Sachverstand bersten.
Der durch die genannte Situation entstehende Stress ist laut meiner
TV-Recherche erträglich: Die Fernsehmediziner sehen trotzdem
großartig aus und sind verlässlich erfolgreich, sogar wenn sie nach fünf
Nacht- und Tagschichten aus einem Sekundenschlaf auf der schmalen
Behandlungsliege gerissen werden und stante pede eine frontale
Notfall-Kraniotomie mit einem desinfizierten Korkenzieher durchführen
müssen, weil mal wieder der Strom ausgefallen ist. Oder ein Hurrikan das
Krankenhaus im Griff hat. Oder sie von einer zweiwöchigen Keta-Sause
kommen.
Seit Dr. Ross alias George Clooney in der ersten „Emergency Room“-Folge
besoffen auf der Station auftauchte und Dr. Thackery alias Clive Owen in
„The Knick“ auf Laudanum besonders gut operierte, behaupten
Drehbuchautoren gern Wechselwirkungen zwischen Genius und Sucht. Das
kommt mir entgegen, ich begrüße Berufe, bei denen kleine Schwächen nicht so
sehr ins Gewicht fallen.
Falls meine Bewerbung als Quereinsteigerin der Gehirnchirurgie aus
irgendwelchen Gründen nicht angenommen wird, könnte ich zunächst als
allseits beliebtes Faktotum an der Notaufnahmenrezeption anfangen. Und wenn
ich dann weiß, wie man ein „großes Blutbild“ malt, was „tachykard“ be…
– oder war das „reziprok“? –, und Latexhandschuhe in unter drei Sekunden
anziehen kann, geht’s bestimmt schon bald in den OP.
Am meisten freue ich mich aber auf die Flirtkanone der Klinik – das ist der
fachlich beste, erstaunlicherweise oft auch bestaussehende Arzt des Hauses.
Er ist immer hetero, zum Glück meist ungebunden, und man fragt sich ja
schon manchmal, woher so ein kundiger Kollege die Zeit für das
Fitnessstudio nimmt. Aber mir soll das recht sein. Schließlich geht es um
Menschenleben.
2 May 2025
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
TV-Serien
Krankenhäuser
Ärzte
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