| # taz.de -- Die Wahrheit: Traumjob mit Wackelaugen | |
| > Berufswahlwünsche verändern sich im Laufe des Lebens. Spannend wird es, | |
| > wenn Champagner, Pompons, Wackelaugen und Kork in die nähere Auswahl | |
| > kommen. | |
| Vermutlich ist das mit dem Jobtraum „Champagnergut“ Quatsch. Neulich habe | |
| ich nämlich zufällig den Newsletter eines Weinhändlers gelesen, in dem ein | |
| Champagner-Winzer einen ganz normalen Arbeitstag beschreibt: Mit den | |
| Hühnern wird aufgestanden, was schon das erste Problem ist, es sei denn, | |
| die poulets sind etwas gemütlicher als das deutsche Federvieh. | |
| Zum Frühstück gibt es wenig beeindruckenden Kaffee und Baguette, und wer je | |
| ein Baguette vom Vortag probiert hat, weiß, dass man daraus eigentlich nur | |
| noch „Stipsi“ machen kann. So nannte mein Vater das heimische Frühstück a… | |
| altem, hartem Brot in warmer Milch mit Zucker. | |
| In den Stunden bis zum Mittag geht es viel um lahme BWL-VWL-Cocktails wie | |
| Verwaltung, logistische Bestandsaufnahmen, Vermarktung und das durch Bücken | |
| körperlich recht anstrengende Schneiden von kleinen Rebstöcken. Wie alle | |
| Franzosen nehmen Winzer immerhin ewig lange Mittagspausen, aber danach | |
| wird gleich weitergearbeitet. | |
| Neugierig machende Bezeichnungen wie das hübsch unanständig klingende | |
| „Anspalieren“ oder der „Geiztrieb“ entpuppen sich als das, was ich schn… | |
| Gartenarbeit nennen würde. Abends wird noch etwas vor sich hingerechnet, | |
| eventuell werden die schmutzigen Fingernägel von Erdkrumen gereinigt, dann | |
| geht es früh und nüchtern in die Kiste. | |
| ## Frankreich schläft in einem Briefumschlag | |
| Und wenn ich mich von meinem Schüleraustausch 1984 recht erinnere, ist | |
| Frankreich eines dieser Länder, in denen man in einem Briefumschlag | |
| schläft, weil die Decken unter der Matratze festgestopft sind. Ich verstehe | |
| wirklich nicht, wann eigentlich das Getränk verkostet werden soll oder wann | |
| man Zeit findet, die Gauloises auszupacken. Da habe ich es doch viel | |
| besser. | |
| Noch besser haben es allerdings die Menschen, die in meinem neuen Jobtraum | |
| arbeiten: In einem großen Bastelladen um die Ecke gibt es nämlich die | |
| Abteilung „Pompons, Wackelaugen, Kork“, über die ich kürzlich stolperte u… | |
| die in mir den Plan reifen ließ, mich dort als Fachkraft für Pompons, | |
| Wackelaugen und Kork zu bewerben. Ich bin sicher, dass es in diesem | |
| Bereich viel zu wenige Fachkräfte gibt. Und ich habe gute Voraussetzungen, | |
| glaube ich. | |
| Garantiert bemühen sich dort ab und an ein paar Cheerleader um eine | |
| Anstellung – aber was wissen die über Wackelaugen und Kork? Es mag auch | |
| sein, dass auf Nystagmus, unkontrolliertes Augenzittern, spezialisierte | |
| Ophtalmologen Nebenjobs suchen – aber können die etwa den „Side | |
| Hurdler“ und den „Herkie“ springen und dabei Pompons schwenken? | |
| Und selbstverständlich nehmen Winzer innerhalb von Sekunden wahr, ob ein | |
| Champagner verkorkt ist – aber das kann ich auch, sehr gut sogar! | |
| Vermutlich dürfte ich direkt in die Abteilungsleitung aufsteigen. Als erste | |
| Amtshandlung würde ich den Arbeitsbeginn auf zwölf Uhr legen. Damit die | |
| Augen nicht so wackeln, falls man am Abend zuvor zu lange Pompons | |
| geschwenkt hat. | |
| 4 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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