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# taz.de -- RomCom mit Inuit: Nunavut und der Name der Robbenfellstiefel
> Siaja lebt am arktischen Polarkreis. In der Serie „North of North“ geht
> es um Jobs, Liebe, Geld und Glück. Aber auch um Alkohol und koloniales
> Erbe
Bild: Siaja (links) und Bun in der Serie „North of North“
Für den Eskapismus ab und zu muss es manchmal die cute und extrem
vorhersehbare [1][Rom-Com-Serie] sein: erwartbare
Beziehungskonstellationen, genauso erwartbare, plötzlich auftauchende
Hürden und, wenn alle zusammen sie überwinden, das Happy End. Wer das will,
sollte bei Netflix die erste Staffel der Serie „North of North“ schauen.
Denn die klassische Story passiert in einem ganz unklassischen Umfeld: in
einer Inuitcommunity in der nördlichsten kanadischen Provinz [2][Nunavut].
Dort, in der fiktionalen arktischen Stadt Ice Cove, lebt die junge
Inuitfrau Siaja, gespielt von Anna Lambe. Aufgewachsen mit ihrer
alleinerziehenden und suchtkranken, aber liebevollen Mutter, hat sie sich
in eine Ehe mit ihrem Highschool-Sweetheart Ting geflüchtet. Leider läuft
es nicht so rosig: Ting ist selbstverliebt und manipulativ, und Siaja wird
es in ihrer Beziehung als Hausfrau und Mutter einer siebenjährigen Tochter
zu eng. Weil sie was Eigenes will, bewirbt sie sich im Gemeindezentrum,
um dort das Kulturprogramm der 220-Einwohner-Gemeinde aufzupeppen.
Und schon beginnen die Probleme: Die Managerin des Gemeindezentrums will
Siaja nur widerwillig einstellen, Ting ist gegen ihr Streben nach
Unabhängigkeit, und dann taucht auch noch der Umweltberater Alistair auf.
Der ist, wie sich herausstellt, Siajas bislang unbekannter Vater. Außerdem
ist da sein Assistent Kuuk, mit dem sich die 26-Jährige sehr gut versteht,
was es alles nicht einfacher macht.
Satte Farben, witzige Dialoge, die Schauspielerei ist in Ordnung – es ist
ziemlich genau das, was man von einer solchen Serie mit acht Folgen à 30
Minuten erwartet. Und trotz des Erwartbaren schafft „North of North“ auch
einen unerwarteten Mehrwert. Scheinbar nebenbei, ohne zu pädagogisieren
oder zu exotisieren, macht die Serie die indigene Kultur der Inuit sichtbar
und ist so auf ihre Art sehr politisch. Von den Namen für
Robbenfellstiefel, kamik, bis zu Inuitbaseball zeigt sie das normale Leben
am arktischen Polarkreis.
In einer Szene mit Alistair und Siaja erfährt Letztere, dass ihre Tochter
Bun ihr erstes Karibu geschossen hat. „Mein Kind hat ein Karibu geschossen?
– Mein Kind hat ein tuktu geschossen!“, ruft sie und feiert mit anderen
Dorfbewohnern. Alistair, der erst wenige Tage zuvor von seiner Vaterschaft
erfahren hat und nun realisiert, dass er auch Großvater ist, fragt
erschrocken: „Du hast ein Kind?“ Daraufhin antwortet Siaja nur: „Natürli…
habe ich ein Kind, ich bin 26.“
Das historische Trauma, mit dem die Inuit immer noch zu kämpfen haben,
läuft im Subtext mit: Kinder, die ihren Müttern weggenommen wurden; die
weitverbreitete [3][koloniale Praxis] der Residential Schools, wo
Inuitkindern ihre Kultur „aberzogen“ werden sollte; die Degradierung der
Lebensweise der Inuit und die Bezeichnung „Eskimo“, die viele rassistisch
nennen. Auch Alkoholismus, unter dem viele indigene Gemeinschaften in
Nordamerika leiden, kommt vor.
Die wenig vertraute Arktislandschaft macht neugierig und entspannt die
überbeanspruchten Sehnerven. Statt Großstadtstraßen gibt es hier gleißendes
Licht, weite Eisflächen, Robben, Rentiere und Schneemobile, die endlich
einmal über richtig viel Schnee fahren. Wie Hauptdarstellerin Anna Lambe
sagte: „Du weißt, dass du in der Arktis filmst, wenn du den Ton stoppen
musst, weil man die Schlittenhunde im Hintergrund heulen hört.“
Netflix setzt damit weiterhin auf spezifischere und lokal verortete
Geschichten, die ein breites Publikum begeistern können. „North of North“,
mit dem öffentlich-rechtlichen kanadischen Fernsehen CBC und dem Aborignal
Peoples Television Network produziert, zeigt, dass sich eine
Zusammenarbeit mit lokalen Filmproduzent:innen lohnt. Gerne mehr von
diesen Rom Coms mit Inhalt.
27 Apr 2025
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## AUTOREN
Amelie Sittenauer
## TAGS
Serien-Guide
Kanada
Inuit
Kanada
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