| # taz.de -- Sport im Gaza-Krieg: Zerstörte Hoffnungen | |
| > In Gaza ist der Wettkampfbetrieb zum Erliegen gekommen. Viele Profis sind | |
| > tot. Eine Fußballtrainerin und andere Sportler berichten über die Lage. | |
| Bild: No Sports: Das Yarmouk-Stadion in Gaza-City ist jetzt ein Geflüchtetenla… | |
| Stadien in Gaza sind zerstört, Sportanlagen nicht mehr nutzbar. Hunderte | |
| palästinensische Sportler:innen sind im Krieg der israelischen Armee | |
| gegen die Hamas nach deren [1][Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023] | |
| getötet worden. Im Netz kursiert die Zahl von 708 im Sport organisierten | |
| Menschen, die [2][bis zur zwischenzeitlichen Waffenruhe] im Januar dieses | |
| Jahres ihr Leben bei israelischen Bombardements verloren haben. Als Quelle | |
| wird die Palestine Sports Media Association genannt. Überprüfen lassen sich | |
| die Angaben nicht, nach denen unter den Toten auch 95 Kinder sind. 273 | |
| Sportanlagen seien ganz oder teils zerstört. Auch diese Zahl wird immer | |
| wieder zitiert. | |
| Einige Schicksale lassen sich nachvollziehen. Zu den prominenten Opfern | |
| israelischer Angriffe gehört die Karateka Nagham Abu Samra, die bei Olympia | |
| 2024 für Palästina hätte starten sollen. Sie wurde im Dezember 2023 bei | |
| einem Luftangriff schwer verletzt. Die Erlaubnis für eine Ausreise zur | |
| Behandlung dauerte Wochen und ist letztlich zu spät gekommen. Abu Samra | |
| starb. Die Volleyballnationalspieler Ibrahim Qusaya und Hassan Zuaiter | |
| wurden bei einem israelischen Luftangriff auf das Flüchtlingslager Jabalia | |
| getötet. | |
| Mohammed Barakat, [3][einer der berühmtesten Fußballer Palästinas], wurde | |
| ebenfalls Opfer eines Luftangriffs, so wie Hani al-Masdar, der Trainer des | |
| Olympiateams der Fußballer. Und Majed Abu Maraheel, Langstreckenläufer und | |
| Palästinas erster Olympiateilnehmer, starb an Nierenversagen. | |
| Palästinensische Medien berichteten, dass er wegen des Kriegs keine | |
| adäquate Versorgung erhalten konnte. Eine Ausreise zur Behandlung wurde ihm | |
| verwehrt. | |
| Viele Geschichten von Sportleri:innen aus Gaza bleiben jedoch | |
| unerzählt, auch weil unabhängige Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet | |
| nicht möglich ist. Daher hat die taz über Text- und Sprachnachrichten | |
| Berichte von Sportler:innen aus Gaza eingeholt. Zudem erzählt der in | |
| Deutschland lebende palästinensische Judoka Fares Badawi über die | |
| Bedingungen, unter denen palästinensischer Sport stattfindet. | |
| ## „Wir haben einige Spielerinnen verloren“ | |
| Meine Lage ist sehr schwierig und mir geht es psychisch schlecht. Fast | |
| jeden Tag verliere ich einen meiner Verwandten. Ich habe meinen Bruder | |
| verloren, meinen Cousin, meinen Onkel, meine Tante und den Sohn meines | |
| Cousins. Mein Haus ist in Schutt und Asche gelegt. Ich habe kein Zuhause, | |
| keine Erinnerungen, keine Träume, keine Zukunft mehr. Ich bitte Sie, dass | |
| die deutsche Bevölkerung uns zur Seite steht, denn ohne Unterstützung aus | |
| der Politik braucht es die Unterstützung der Bevölkerung. Ich weiß nicht, | |
| wie ich unsere Situation in Worte fassen soll. Ich fühle mich, als würde | |
| ich in einem Horrorfilm leben. | |
| Wir flüchten von Ort zu Ort und von Bombenangriff zu Bombenangriff. Es gibt | |
| kein Essen, keine Getränke und keine Kleidung, keine Hygienemittel wie | |
| Seife und Shampoo. Ich bin aus Beit Hanoun im Norden von Gaza. Ich fliehe | |
| von einem Gebiet zum anderen, ich war im Zentrum von Gaza, in West-Gaza, in | |
| Nord-Gaza im Jabalia-Lager, und immer so fort. Ich bin dreimal unter | |
| Beschuss dem Tod entronnen. Ich wurde dabei an der Schulter verletzt. | |
| Die Leute leben jetzt in Zelten auf den Bürgersteigen. Darin ist es im | |
| Winter sehr kalt und jetzt, wo es Sommer wird, ist es sehr heiß, die Zelte | |
| sind überfüllt. Die Stimmung unter den Menschen ist sehr aggressiv. Es gibt | |
| keine Sicherheit in Gaza. Hören Sie die Drohne im Hintergrund? Es ist jetzt | |
| Mitternacht, wir können nicht mal eine Stunde schlafen wegen Drohnen, | |
| Kampfflugzeugen, Raketen. Das hier ist ein Vernichtungskrieg. Wir haben | |
| wirtschaftlich und körperlich nichts mehr in unserem Leben. | |
| Ich bin seit 2009 im Sport tätig. Ich habe als Fußball-, Baseball- und | |
| Volleyballtrainerin beim Al-Ahli Club in Beit Hanoun gearbeitet. Ich war | |
| außerdem Schiedsrichterin in der Mädchenfußballliga von Gaza. Im | |
| Gazastreifen gab es eine positive Entwicklung im Frauensport. Wir haben den | |
| Widerstand der Tradition in unserem Land gebrochen. Früher war es schwierig | |
| für Mädchen, in Sportklubs zu gehen, Klubs waren nur für junge Männer. | |
| Aber unsere Gesellschaft hat sich im Sport weiterentwickelt, die Eltern | |
| schickten jetzt auch ihre Mädchen in die Vereine. In Beit Hanoun war ich | |
| eine der Gründerinnen des Mädchenteams und die erste Trainerin. Jetzt gibt | |
| es keinen Sport mehr. Wir haben einige Spielerinnen aus meinem Team | |
| verloren. Andere wurden verletzt oder ihnen wurden Gliedmaßen amputiert. | |
| Wir sind in alle Winde verstreut. Wegen des schlechten Handynetzes kann ich | |
| nicht mehr mit meinen Spielerinnen kommunizieren. | |
| Im Gazastreifen gibt es keine Vereine mehr, alles liegt in Trümmern. Wir | |
| sind ein Land der kleinen Steine geworden. Wenn es einen Waffenstillstand | |
| geben sollte, brauchen wir Unterstützung für den Wiederaufbau der | |
| Sportanlagen, die Zerstörung ist unbeschreiblich. Wir müssen wieder | |
| sportliche Aktivitäten anbieten, damit wir die Mädchen aus der Angst und | |
| der Depression holen können. Ich möchte Gaza verlassen, aber ich habe kein | |
| Geld. Ich hoffe, dass mich jemand aus dem Gazastreifen rausholen und nach | |
| Deutschland bringen kann. | |
| ## „Ich habe mit dem Sport aufgehört“ | |
| Gott sei Dank bin ich am Leben. Meine dreijährige Tochter Sabah und meine | |
| Frau wurden getötet. Meine Frau war im neunten Monat schwanger. Mein | |
| siebenjähriger Sohn Karim wurde am Bein verletzt und erlitt Verbrennungen | |
| am Körper. Wir sind jetzt zur Behandlung in der Türkei. | |
| Ich war zum Zeitpunkt der Bombardierung sieben Kilometer entfernt. Als ich | |
| zum Ort des Angriffs kam, hätte ich nie gedacht, dass ich meinen Sohn Karim | |
| verletzt unter vier Stockwerken Trümmern finden würde. Als die | |
| Rettungskräfte ihn befreiten, fragte er nur: „Wo ist Mama? Wo ist meine | |
| Schwester Sabah?“ Ich versuchte, stark zu bleiben, und sagte ihm, dass sie | |
| noch leben würden. Karim wurde nach zwei Stunden aus den Trümmern befreit. | |
| Die Lage in Gaza ist so schlimm, dass selbst Steine und Bäume weinen | |
| würden. Dieser Krieg richtet sich gegen Kinder, Jugendliche, Frauen und | |
| alte Menschen, gegen Moscheen, Schulen, Vereine, sogar gegen die Bäume. Der | |
| Völkermord betrifft nicht nur Menschen. | |
| Ich war Jugendfußballtrainer im Sportverein Shabab Rafah. Ich habe einen | |
| Abschluss in Sportpädagogik. Trotz aller Herausforderungen vor dem Krieg | |
| versuchten wir, Hoffnung und Freude durch Sport in Gaza zu verbreiten, mit | |
| regelmäßigen Ligen für alle Altersklassen. | |
| Die Lage der Sporteinrichtungen ist jetzt katastrophal – als hätte man sie | |
| nie gebaut. Der Sport hat in Gaza keinen Platz mehr. Viele unserer Spieler | |
| wurden getötet, auch Trainerkollegen und Mitglieder der Fanklubs. Ich habe | |
| mit dem Sport aufgehört mit dem ersten Tag des Krieges. Wir sind voll | |
| Angst, Sorge, Stress und Erschöpfung. Es gibt nichts, das Freude bringt. | |
| Ich wünsche mir, dass deutsche Sportverbände internationale Begegnungen und | |
| Seminare mit Trainern aus aller Welt ermöglichen, um aufzuzeigen, was | |
| Israel dem Sport in Gaza angetan hat. Es braucht Workshops und | |
| Hospitationen für palästinensische Trainer, um ihre Qualifikationen zu | |
| verbessern und nach dem Krieg den Sport wieder aufzubauen. Ich hoffe, dass | |
| der Krieg endet. Ich wünsche mir auch, deutsche Klubs wie Bayern München | |
| oder Borussia Dortmund besuchen zu dürfen – auch weil mein Sohn Karim | |
| großer Bayern-Fan ist. Das würde ihm psychisch sehr helfen.“ | |
| ## „Es tut mir weh, was dort passiert“ | |
| Meine Großeltern sind in einem kleinen Dorf im Norden von Palästina | |
| geboren, das heute in Israel liegt. Ich selbst bin im | |
| Yarmouk-Flüchtlingslager in Syrien aufgewachsen. Ich habe einen Onkel und | |
| Cousins in Gaza. Vom palästinensischen Olympiateam leben fast alle im Exil. | |
| In Palästina bekommt man für Sport kaum Geld und es gibt keine | |
| Sportförderstellen. Außerdem ist es wegen der vielen Checkpoints für | |
| Trainer schwer, durchs Land zu ihren Sportlern zu reisen. Viele Trainer | |
| haben keine gute Ausbildung und wenig Erfahrung im Ausland. | |
| Es ist es sehr wichtig, sich mit ausländischen Sportlern zu messen. Das ist | |
| aber schwieriger für Palästinenser, weil das Geld für Reisen fehlt und weil | |
| Nationen nicht gegen sie antreten wollen. Es gibt auch nur eine sehr | |
| begrenzte Auswahl an Ländern, in die sie überhaupt reisen dürfen. Man merkt | |
| Sportlern zum Beispiel aus Gaza an, dass ihnen diese Erfahrung fehlt. Ein | |
| Judoka aus Gaza hat mir erzählt, dass sie lange kämpfen müssen, um | |
| überhaupt eine Matte zu bekommen. Sie treiben Sport mit einem Stein auf dem | |
| Herzen. Sie haben einfach nicht die Mittel, um zu gewinnen. | |
| Aktuell stehen in Gaza ganz andere Bedürfnisse im Vordergrund als Sport: | |
| Leben, Wohnen, Essen, Trinken, Sicherheit. Es tut mir weh, was dort | |
| passiert. Ich hoffe auf Frieden, und dass Palästina als eigenes Land | |
| anerkannt wird und wir nicht nur als Terroristen dargestellt werden. Ich | |
| weiß, dass in uns viel Potenzial steckt und würde irgendwann gern meine | |
| Erfahrungen als Trainer vor Ort zurückgeben. Kinder freuen sich so, wenn | |
| sie etwas Triviales wie eine Vorwärtsrolle im Judo hinkriegen. Ich würde | |
| dieses Lächeln gern mal auf den Gesichtern der Kinder in Gaza sehen. | |
| 25 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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