# taz.de -- Landwirtschaft auf den Kanaren: Warum es mit der Banane krumm läuft | |
> Gran Canaria produziert Bananen zum Wegwerfen, gestützt durch | |
> EU-Subventionen. Nun will die Inselregierung die Produktion eindämmen. | |
Bild: Soweit das Auge reicht: Bananenplantagen auf Gran Canaria | |
Bañaderos (Gran Canaria) taz | Antonio Hernandez Guerra hat es eilig. | |
Gerade noch hat der Unternehmer seinen Landrover durch enge, von | |
Bananenplantagen gesäumte Straßen manövriert, da kommt er schon wieder zum | |
Stehen. Schwere Tore öffnen sich, als er auf den Hof seines Betriebs fährt. | |
Seine Bananenplantage ist eine der größten hier in der Kommune Bañaderos im | |
Norden von Gran Canaria. 30 Arbeiter beschäftigt der Geschäftsmann, er | |
selbst bezeichnet sich als Landwirt. | |
Die Gegend ist vor allem für ihre kleinen Produzenten bekannt. „Ich bin ein | |
bisschen ein besonderer Fall“, sagt Hernandez stolz, während er sich, kaum | |
angekommen, in weißem Hemd und cremefarbenem Pullunder an einer der | |
meterhohen Bananenstauden zu schaffen macht. Vom Hof aus schweift der Blick | |
über Stauden, soweit das Auge reicht. | |
Mit seinen 22,5 Hektar Land gehört der 70-jährige Spanier, der gleichzeitig | |
Anwalt für Steuerrecht, Versicherungsmathematiker und Chef einer | |
Immobilienagentur ist, zu den Großunternehmern auf Gran Canaria. Nur einige | |
wenige Giganten in der Branche bringen es auf diesem Stückchen Spanien, im | |
Atlantik unweit der marokkanischen Küste, auf über 100 Hektar Fläche. | |
„Gestern haben wir 19 Lastwagen mit 1.520 Bananenbüscheln gefüllt“, erzä… | |
der Betriebsleiter Miguel Marrero, während er durch die Bananenblätter | |
stapft, die am Vortag mit der Machete abgeschnitten und zerkleinert wurden. | |
„15 Arbeiter hat es dafür gebraucht. Es ist wirklich hart, 50 Kilo trägt | |
eine Person durchschnittlich auf dem Rücken“, erklärt er. Bis zur | |
Wirtschaftskrise 2008 war Marrero Maurer. Weil es den Bausektor damals | |
besonders hart erwischte, wechselte er wie viele als Arbeiter auf eine | |
Bananenplantage. | |
18.000 Menschen arbeiten auf den [1][Kanarischen Inseln] heute direkt oder | |
indirekt in der Branche. Der Bananensektor ist der größte | |
landwirtschaftliche Sektor auf der Inselgruppe. Nicht nur wegen der Jobs | |
betrachten viele Einwohner die gelbe Frucht als unverzichtbar. Sie prägt | |
hier auch das Landschaftsbild, seit im 16. Jahrhundert portugiesische | |
Siedler das Obst aus Zentralafrika mit auf die Inseln brachten. Die Frucht | |
ist die wichtigste Monokultur der Inselgruppe, auf Teneriffa findet man | |
kilometerweite Flächen voller Bananenstauden. | |
Doch die Branche steckt tief in der Krise. Und dazu tragen auch | |
Großproduzenten wie Hernandez Guerra bei. Seine Bananen werden, wie der | |
Großteil der Früchte auf den Kanarischen Inseln, konventionell angebaut. | |
Mit anderen Worten: Sie werden mit chemischen Düngern aufgepumpt und mit | |
Pflanzenschutzmitteln „sauber“ gehalten. Das hat Auswirkung auf die | |
Produktivität, die sehr hoch ist: 66.000 Kilo sind es auf Hernandez | |
Guerras Farm pro Hektar, der Durchschnitt auf den Kanarischen Inseln liegt | |
bei 48.000 Kilo. Aber dieses Modell ist nicht nachhaltig. | |
Einige Meter weiter wird eine Maschine angeworfen. Ein junger Mitarbeiter | |
namens Kevin besprüht im Schutzanzug und mit Sprühgerät zusammen mit einem | |
älteren Kollegen eine Reihe Bananenstauden mit Insektiziden. Ein toxischer | |
Sprühregen liegt in der Luft. „Mit Wasser gemischt lassen sich in | |
anderthalb Stunden 1.000 Liter verteilen“, erklärt Kevin, seine Stimme | |
durch die Schutzmaske gedämpft. Dicke Tropfen fallen von den Blättern. Dann | |
watet er unter lautem Rascheln weiter durch die Reihen, um sich einer | |
anderen Bananenstaude zu widmen. „Wir wiederholen den Vorgang alle sechs | |
Monate, um insbesondere die weiße Fliege zu bekämpfen“, erklärt er und | |
richtet den Strahl wieder in die Höhe. | |
Obwohl man es bei dem Anblick nicht vermuten würde, werden seit einigen | |
Jahren auf Hernandez’ Farm, aber auch andernorts auf der Insel weniger | |
Pestizide und Herbizide eingesetzt. In den Genossenschaften gebe es ein | |
größeres Umweltbewusstsein und die Techniken entwickelten sich weiter, vor | |
allem, weil die Kontamination des Grundwassers stärker berücksichtigt | |
werde, erklärt Jaime Coello, Direktor von Telesforo Bravo, einer Stiftung, | |
die sich für den Schutz natürlicher Ressourcen einsetzt. | |
Der Umweltaktivist erklärt: „Wir beobachten die Rückkehr von Insekten in | |
die Bananenplantagen. Noch vor einigen Jahren waren es regelrecht Wüsten.“ | |
Weil auf seinem Betrieb Pestizide nicht mehr ganz so systematisch verwendet | |
werden, bezeichnet Antonio Hernandez Guerra diesen sogar als „fast | |
biologisch“. Dass seine meterhohen Cavendish-Bananenstauden, die | |
tonnenweise Früchte abwerfen, Teil eines größeren Problems sind, davon will | |
der Betriebschef nichts wissen. | |
2023 wurde auf den Kanarischen Inseln eine Rekordproduktion verzeichnet. | |
Der Markt ist übersättigt, es gibt fast das ganze Jahr über zu viele | |
Bananen. Auf allen Kanareninseln wurden im Rekordjahr 2023 467.000 Tonnen | |
Bananen produziert, 13 Prozent mehr als der Durchschnitt der vergangenen 10 | |
Jahre. 2024 waren es noch 450.000 Tonnen. | |
Der Grund für diesen überproportionalen Produktionsanstieg ist der | |
Klimawandel. Er trifft die Inselgruppe im atlantischen Ozean besonders | |
stark. In den vorigen Jahren gab es einen Mangel an Niederschlägen, | |
gleichzeitig stiegen die Temperaturen. 2023 lag der Durchschnitt auf den | |
sieben Inseln 1,5 Grad über den üblichen Werten. Auch im Winter war es | |
deutlich wärmer. „Die Bananenpflanze wächst bei Temperaturen zwischen 15 | |
und 35 Grad. Wenn es dann im Winter 15 statt 14 Grad hat, macht das einen | |
enormen Unterschied. Die Pflanze arbeitet weiter“, erklärt Juan Nuez, | |
Wirtschaftswissenschaftler und Experte für kanarische Bananen. | |
Die Erderwärmung verkürzt außerdem die Produktionszyklen. Und sie erschwert | |
die Planung, weil nicht mehr vorhersehbar ist, welcher Zeitraum der | |
ertragreichste sein wird. Lange Zeit war es der Winter, aber jetzt variiert | |
es von Jahr zu Jahr. „Es ist zu einer Lotterie geworden“, erzählt David | |
Segura, ein Kleinbauer aus dem Südwesten der Insel. Er bewirtschaftet 1,5 | |
Hektar Land und musste 2023 auf den Verkauf von 2.000 bis 3.000 Kilo | |
Bananen verzichten, die schon an der Pflanze gelb geworden waren. | |
Normalerweise werden sie noch grün geerntet. | |
„Die Steigerung der Gesamtproduktion ist theoretisch eine gute Nachricht, | |
in einer Welt, in der Menschen hungern. Aber der Sektor braucht Käufer“, | |
erklärt Juan Nuez. Und Käufer, zumindest für die kanarischen Bananen, | |
fehlen. Denn die iberische Halbinsel, bislang ihr größter Markt, platzt vor | |
Bananen aus allen Nähten. Und das, obwohl [2][der Konsum dieser Frucht] | |
dort weiter steigt, sagt Sergio Caceres, Geschäftsführer der Vereinigung | |
Asociación de Organizaciones de Productores de Plátanos de Canarias | |
(Asprocan), der die sechs Erzeugerorganisationen der Branche unter sich | |
vereint. | |
Der Grund für den übervollen Markt: Die Konkurrenz aus Lateinamerika, | |
hauptsächlich aus Costa Rica, Kolumbien und Ecuador, die seit mindestens | |
zehn Jahren immer weiter auf den Markt vordringt. Die kanarische Banane ist | |
nicht mehr die erste Wahl für die Mehrheit der Spanier, die | |
lateinamerikanischen Früchte sind deutlich billiger als ihre europäischen | |
Schwestern. Und sie wurden mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, die in der | |
Europäischen Union verboten sind. | |
Durch die EU wurde der Siegeszug lateinamerikanischer Bananen überhaupt | |
erst möglich. Seit 2017 wird auf die Einfuhr kaum noch Zoll erhoben. „Wenn | |
die Banane aus Lateinamerika im spanischen Hafen ankommt, kostet sie 70 | |
Cent pro Kilo“, erklärt Juan Nuez. „Die kanarische Banane liegt bei 1,20 | |
Euro pro Kilo.“ Exportiert werden die Überseebananen von multinationalen | |
Konzernen, hauptsächlich den beiden Giganten der Branche, Fyffes und | |
Chiquita. Diese Firmen haben ihre eigenen Schiffe, die sie flexibel | |
zwischen Ländern hin und her schicken. Bananen dieser Konzerne kommen meist | |
über den Hafen in Antwerpen nach Belgien. Dort landen sie in riesigen | |
Reifekammern, bevor sie weiter durch Europa entsendet werden. | |
Die kanarische Banane hingegen wird außerhalb Spaniens und Portugals kaum | |
verkauft und ist jetzt auch noch auf ihrem Hauptabsatzmarkt in der | |
Minderheit. Gleichzeitig waren die Produktionskosten noch nie so hoch wie | |
heute. „So wird es für die Landwirte immer schwieriger, kanarische Bananen | |
zu einem rentablen Preis zu verkaufen“, sagt Juan Nuez. [3][Das | |
Handelsabkommen, das die Europäische Union im Dezember 2024 mit vier | |
Mercosur-Staaten unterzeichnete,] könne die Situation noch verschlimmern. | |
Bananen aus Brasilien, dem viertgrößten Produzenten der Welt, könnten dann | |
ganz ohne Einfuhrzölle auf den europäischen Markt gelangen. | |
Um zu verhindern, dass die Preise angesichts der Marktsättigung völlig | |
zusammenbrechen, organisiert Asprocan regelmäßig eine sogenannte Pica. | |
Diese legt fest, dass eine bestimmte Anzahl an Bananen vom Markt | |
zurückgenommen werden muss. 2023 fiel die Pica besonders groß aus, die | |
zweitgrößte in der Geschichte: 26 Millionen Kilo Bananen aus kanarischen | |
Betrieben mussten vernichtet werden, ein Teil wurde an Lebensmittelbanken | |
gespendet. 2024 umfasste die Pica mindestens 13 Millionen Kilo, doch | |
wahrscheinlich ist die Zahl noch höher. Wegen der komplizierten Situation | |
in der Branche hält Asprocan die Zahlen bewusst vage. Für viele Landwirte | |
bedeutet die Pica einen enormen Einkommensverlust und eine immense | |
Verschwendung von Ressourcen. | |
„Die Pica ist jedes Mal eine absolute Katastrophe“, klagt Antonio Gonzalez. | |
Sein Betrieb liegt in derselben Gegend wie der von Antonio Hernandez, ist | |
mit 3 Hektar Fläche aber deutlich kleiner. 2008 hat der erfahrene Landwirt | |
auf ökologische Bananenproduktion umgestellt. Ihn trifft die Krise | |
besonders hart, weil die Produktionskosten im Biolandbau noch höher sind. | |
Antonio Gonzalez, 84 Jahre alt, hat weder Zeit noch Lust, lange um den | |
heißen Brei herum zu reden: „Das ist die Folge mangelnder Planung und | |
Produktionssteuerung“, ärgert sich der ehemalige Wirtschaftsprofessor und | |
verweist auf die Verantwortung der sechs Erzeugerorganisationen, die sich | |
„mehr mit Machtkämpfen beschäftigen“, in einem Sektor, der ohnehin schon | |
gespalten sei. | |
Im Rekordjahr 2023 musste Antonio Gonzalez’ Betrieb auf den Verkauf von | |
15.000 Kilo Biobananen verzichten – das sind 12 Prozent der gesamten | |
Produktion. Wenn man sich an einem Verkaufspreis für Bioprodukte von 0,90 | |
Cent pro Kilo orientiert, ist das ein Verlust von mehr als 10.000 Euro. „Es | |
macht mich wütend“, sagt Antonio Gonzalez und lässt den Blick über seine | |
Plantage schweifen, die sein Sohn Carlos heute in fünfter Generation führt. | |
Dann ergänzt er nach kurzem Schweigen: „Was wir da zerstören, hat viel | |
Mühe, Arbeit, Wasser und europäische Hilfen gekostet.“ | |
Weil die Bewirtschaftung eines Biobetriebs besonders arbeitsintensiv ist | |
und die Bananenbüschel weniger Bananen entwickeln als in der | |
konventionellen Landwirtschaft, ist das wirtschaftliche Gleichgewicht des | |
Betriebs in Gefahr. „Es ist sehr knapp“, sagt Carlos Gonzalez: „Hinzu | |
kommt, dass die Supermarktketten klare Forderungen haben. Sie wollen eine | |
schöne Banane, groß und schlank, obwohl das im Bioanbau nicht immer möglich | |
ist“. | |
Für Antonio und Carlos Gonzalez ist es ein doppelter Kampf: Auf Spaniens | |
Festland gibt es für die Biobanane von den Kanarischen Inseln generell nur | |
einen kleinen Markt. Der Bioanbau hat sich auf den Inseln nie wirklich | |
entwickelt. Nicht einmal Daten über Anbau und Verkauf gibt es. „Der Markt | |
will sie nicht“, heißt es von der Mehrheit der Akteure in der Branche | |
knapp. Antonio Gonzalez für seinen Teil war schon vor Jahren überzeugt, das | |
Richtige zu tun. Auf den Inseln ist er ein Pionier: „Ich habe an Mutter | |
Natur gedacht, um die wir uns kümmern und die wir schützen müssen. Und bei | |
konventioneller Landwirtschaft werden weder die natürlichen Zyklen noch das | |
Gleichgewicht respektiert.“ | |
Bioanbau und konventioneller Anbau haben aber etwas gemein: einen hohen | |
Wasserverbrauch. „Wir benötigen 300 Liter, um ein Kilo Bananen zu | |
produzieren“, sagt Antonio Gonzalez. Ohne Regen und mit kaum vorhandenen | |
Süßwasserreserven sind die Auswirkungen auf die Umwelt verheerend. Um | |
Einwohner, Touristen und Landwirte zu versorgen, entsalzt die Insel Gran | |
Canaria – und alle anderen Inseln der Kanaren, mit Ausnahme von La Palma – | |
täglich Millionen Liter Meerwasser. | |
Zwei Wärmekraftwerke auf der Insel laufen dazu Tag und Nacht auf | |
Hochtouren. „Die Entsalzung erfordert enorm viel Energie, und oft reichen | |
erneuerbare Energien nicht aus, sodass auf umweltschädliche fossile | |
Ressourcen zurückgegriffen werden muss“, erklärt Umweltschützer Jaime | |
Coello. Das andere große Problem sei die salzhaltige Lauge. Entlasse man | |
sie nach der Entsalzung massenhaft ins Meer, werde dadurch der Meeresboden | |
verschmutzt. Der Salzüberschuss, zusammen mit den Chemikalien, die zur | |
Reinigung der Entsalzungsanlagen verwendet werden, zerstören die marinen | |
Ökosysteme in der Nähe der Abflussrohre. Und trotzdem stellen nur wenige | |
diese Abhängigkeit des Bananenanbaus vom „Erdöl-Wasser“ infrage. | |
Viele Landwirte beschäftigt etwas ganz anderes. Denn der Sektor ist in | |
Wirklichkeit nur deshalb noch am Leben, weil es EU-Hilfen der Gemeinsamen | |
Agrarpolitik gibt, die für Regionen in äußerster Randlage der Europäischen | |
Union vorgesehen sind (Posei). 141 Millionen Euro werden allen Betrieben | |
auf den Kanaren, großen und kleinen, jedes Jahr zur Verfügung gestellt. | |
2023 entsprach das 30 Cent pro Kilo Banane. Das Absurde: Gibt es eine Pica, | |
werden alle Beteiligten der Verkaufskette, zum Beispiel die Mitarbeiter der | |
Genossenschaft, die die Bananen verpacken, trotzdem bezahlt und zwar von | |
den Landwirten. | |
Die Landwirte selbst sind die einzigen, die dann nichts verdienen, weil | |
ihre Früchte vernichtet werden. Damit bleiben ihnen nur die EU-Hilfen, die | |
dafür bestimmt sind, Einkommensverluste auszugleichen. 2023 waren das | |
insgesamt 8 Millionen Euro. „Das gibt es nur in der Bananenindustrie“, | |
kritisiert Nuez. Innerhalb des Posei-Programms gebe es keinen anderen | |
Sektor, der sogar dann Subventionen erhalte, wenn er einen Teil der | |
Produktion wegwirft. Er will, dass sich das ändert, damit die Landwirte | |
anfangen, Druck auf die Erzeugerorganisationen und Asprocan auszuüben. Die | |
sind für den Vertrieb zuständig und müssten nun, so Nuez, „die Dinge anders | |
machen, als sie es seit 140 Jahren tun“. | |
Vielen Erzeugern reichen die EU-Hilfen nicht, um den Schwankungen des | |
Marktpreises zu begegnen. „So kann es nicht weitergehen, wir bringen die | |
Landwirte an den Rand des Bankrotts“, wettert Sergio Rodriguez, Vertreter | |
der traditionellen Bauerngewerkschaft Palca auf der Insel Teneriffa. | |
Hunderte von ihnen, oft die kleinsten und am wenigsten produktiven, sind in | |
großen Schwierigkeiten und werden oft unter ihren Produktionskosten | |
bezahlt. Carmelo Arencibia, Geschäftsführer der Genossenschaft Agusa, die | |
1.000 kleine und große Produzenten auf der Insel La Palma vereint, nennt | |
die genauen Zahlen: „Im Jahr 2023 betrug der durchschnittliche Preis, der | |
den Landwirten in unserer Genossenschaft gezahlt wurde, 42 Cent pro Kilo, | |
das ist sehr wenig. Das ermöglicht den Landwirten nicht, ihre Ausgaben zu | |
decken“, klagt er. | |
Die Konsequenz ist niederschmetternd: Viele Betriebe mussten in den | |
vergangenen 15 Jahren schließen, zwischen 2011 und 2023 ist die Zahl der | |
Bananenproduzenten auf den Kanaren von 11.100 auf 7.350 gesunken. | |
Gleichzeitig expandieren große Unternehmen, indem sie die kleinen, weniger | |
produktiven Betriebe übernehmen. Darauf beruht auch der Erfolg von Antonio | |
Hernandez Guerras’ Unternehmen. Als Erbe von weniger als einem Hektar hat | |
er in mehr als 30 Jahren 200 landwirtschaftliche Kleinbetriebe, die wenig | |
oder „nicht ausreichend bewirtschaftet“ wurden, aufgekauft, um daraus einen | |
einzigen Großbetrieb zu machen. | |
Heute produzieren 6 Prozent der Betriebe die Hälfte der Bananen der | |
Inselgruppe. 50 Prozent der europäischen Beihilfen landen in den Händen von | |
nur 400 Erzeugern, das sind rund 5 Prozent der Betriebe auf den Inseln. | |
Doch nicht alle trifft die Krise gleich. Antonio Hernandez für seinen Teil | |
spielt die Krise eher herunter. Das überrascht nur wenig: Sein Betrieb ist | |
stark genug, um Perioden mit niedrigen Verkaufspreisen zu verkraften. | |
Andere, wie Antonio und Carlos Gonzalez, sind anfälliger. | |
Aber für sie und viele andere gibt es auch Grund zur Hoffnung: Angesichts | |
der beispiellosen Überproduktion schlug die Regierung der Kanarischen | |
Inseln 2024 ein Dekret vor, das zum ersten Mal verbindliche Maßnahmen für | |
den Sektor vorgeben würde. Die europäischen Beihilfen würde es nur noch für | |
68.500 Kilo pro Hektar geben. Ursprünglich waren zwar mal 65.000 Kilo im | |
Gespräch, die Zahl wurde unter Druck einflussreicher Produzenten und | |
Asprocan jedoch angehoben. Die Begrenzung soll die Produktion eindämmen und | |
diejenigen mit der größten Produktivität davon abhalten, immer mehr zu | |
produzieren. Damit würden auch die Subventionen pro Kilo Bananen wieder | |
steigen und die Verkaufspreise weniger schwanken. Außerdem soll durch das | |
Dekret Diversifizierung, also der Anbau verschiedener Pflanzen, gefördert | |
werden. So soll es weg von der Monokultur der Bananen hin zu einer | |
vielfältigen Landwirtschaft gehen. | |
Während alle politischen Gruppen sowie die vier Gewerkschaftsorganisationen | |
das Dekret unterstützen, sind vier der sechs Erzeugerorganisationen und | |
Asprocan dagegen. Sie kritisieren, es würden so diejenigen bestraft, die in | |
Produktivität investierten. So sieht es auch Großbauer Antonio Hernandez | |
Guerra. Er schlägt stattdessen das Gegenteil vor: „Denjenigen, die weniger | |
als 40.000 Kilo pro Hektar produzieren, das Recht auf Finanzhilfen | |
entziehen.“ Das würde auf den Kanaren den Großteil der Betriebe betreffen. | |
Auf der Inselgruppe sprechen sich viele Landwirte für das Dekret aus, | |
besonders die kleineren. Aber ob das Gesetz kommt, ist offen: Gerade wird | |
der Vorschlag vom Consejo consultivo, einem Beratungsgremium der | |
Kanarischen Inseln, auf Verfassungsmäßigkeit geprüft. Einen Dämpfer auf dem | |
Weg zur Umsetzung gab es jedoch bereits im vorigen Herbst: Der | |
Generaldirektor für Landwirtschaft der Inselgruppe, der als Förderer des | |
Dekrets galt, wurde auf Antrag eines Mitglieds des kanarischen | |
Regierungskabinetts entlassen. Die Spaltungen, die das Dekret hervorrief | |
und die ihn um sein Amt brachten, kommentierte er so: „Es gibt eine | |
Minderheit, die möchte, dass sich nichts ändert, dass es immer weniger | |
Landwirte gibt und dass die Produktion in immer weniger Händen liegt.“ | |
Antonio und Carlos Gonzalez auf ihrer Biobananenplantage glauben daran, | |
dass das Dekret einen Wandel bewirken kann. Vor allem dann, wenn es | |
gelingt, die Erzeugerorganisationen zu einer gemeinsamen Verwaltung und | |
Produktionsplanung zu ermutigen: „Bis jetzt steckte der Sektor fest, weil | |
alle mit Kämpfen untereinander beschäftigt sind. Dieses Dekret scheint | |
endlich in die richtige Richtung zu gehen“, sagt Antonio. | |
23 Apr 2025 | |
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