# taz.de -- Fremdsprachen an Hamburger Schulen: Mehr Türkisch wagen | |
> Der Türkische Lehrerverein und der Türkische Elternbund fordern, öfter | |
> Türkischunterricht an Hamburger Schulen anzubieten. Allerdings fehlen | |
> Lehrkräfte. | |
Bild: In Hamburg noch kein Standard: Türkischunterricht wie hier an der Kathar… | |
Hamburg taz | Türkisch soll als zweite Fremdsprache fest verankert werden. | |
Das fordern der Türkische Elternbund und der Türkische Lehrerverein Hamburg | |
vom Hamburger Senat. In Hamburg leben über 45.000 Menschen, die Türkisch | |
sprechen. Bilge Yörenç, Vorsitzende des Türkischen Lehrerverbandes in | |
Hamburg, begründet mit dieser Zahl den Bedarf, das Angebot auszuweiten. | |
Dass ein Wandel bei der Nachfrage nach Fremdsprachen stattfindet, zeigen | |
Zahlen. Vor allem Latein schneidet nicht mehr gut ab. Im Schuljahr 2022/23 | |
ist die Sprache mit 1.639 Sechstklässlern weit abgeschlagen, Spanisch | |
wählten 3.917, Französisch wiederum 3.185 SchülerInnen. Zum Vergleich: Vor | |
zehn Jahren gab es noch mehr als 2.000 Schüler, die sich für Latein | |
entschieden. Türkisch wäre möglicherweise attraktiver. | |
Es gibt verschiedene Formen, Türkisch zu unterrichten: | |
Fremdsprachenunterricht, bilingualen Unterricht und den sogenannten | |
Herkunftssprachlichen Unterricht (HSU). Der herkömmliche | |
Fremdsprachenunterricht ist für alle Kinder ohne Vorkenntnisse an Schulen | |
zugänglich. Meistens können sie zwischen Spanisch, Französisch und Latein | |
ab der 6. Klasse wählen. | |
Den HSU bieten derzeit 39 Schulen in Hamburg an. Dieser ist nicht | |
gleichzusetzen mit Fremdsprachenunterricht, sondern dient vor allem Kindern | |
mit internationaler Familiengeschichte und entsprechenden Vorkenntnissen | |
der jeweiligen Sprache. | |
## Ausbaufähiges Angebot, dürftige Informationen | |
Beim zweisprachigen Unterricht wird der Lehrstoff in mindestens einem | |
Unterrichtsfach in einer anderen Sprache als in der gewöhnlichen | |
Unterrichtssprache vermittelt. Das Louise-Weiss-Gymnasium im Stadtteil Hamm | |
ist derzeit das einzige Gymnasium in Hamburg, das Türkisch für alle | |
GymnasiastInnen anbietet. | |
Die Nelson-Mandela-Schule dagegen bietet zwar Türkischunterricht an, | |
allerdings müssen SchülerInnen das Niveau B1 vorweisen und in dem | |
entsprechenden Sprachprofil sein. Der Türkischunterricht ist also an | |
Bedingungen geknüpft. | |
Neben dem ausbaufähigen Angebot der Stadt sei der Zugang zu Informationen | |
dürftig, sagt Yörenç. Hamburgs Schulen könnten jederzeit zusätzliche Kurse | |
einrichten, wenn das Interesse da sei und jeweils mindestens 15 Anmeldungen | |
vorliegen. Diese kämen jedoch häufig nicht zustande. Yörenç fordert deshalb | |
mehr Aufklärung über bestehende Angebote. | |
„Es nehmen sehr wenig Menschen an den Angeboten teil“, sagt sie. „Wir seh… | |
eine große Lücke, dass Eltern Informationen nicht weitergereicht werden.“ | |
Viele türkische Eltern hätten Vorbehalte und fänden, ihre Kinder sollten | |
Deutsch lernen und nicht Türkisch. | |
„Die Mehrsprachigkeit wird nicht als Ressource in der Schule thematisiert, | |
sondern immer als eine Hürde beim Spracherwerb des Deutschen“, sagt Yörenç. | |
Sie wünscht sich, dass Türkisch nicht nur vorrangig als begleitender | |
bilingualer Unterricht angeboten wird, sondern als feste Fremdsprache neben | |
eben Französisch, Spanisch oder Latein integriert wird. | |
Ein weiteres Problem, Türkisch als Fremdsprache zu etablieren und für alle | |
SchülerInnen zugänglich zu machen, sei die fehlende Ausbildung der | |
Lehrkräfte. „Viele KollegInnen von unserer Seite aus sind auch nicht | |
bereit, Kinder aufzunehmen, die zu Hause nur Deutsch sprechen oder einen | |
spanischen Hintergrund haben, weil sie das in ihrer Ausbildung nicht | |
gelernt haben“, sagt Yörenç. Sie kenne viele SchülerInnen, die gerne | |
Türkisch lernen würden, aber keine Sprachkenntnisse vorweisen könnten. | |
Diese fallen dann aus dem System. | |
## Erziehungswissenschaftlerin befürwortet Anliegen | |
Ingrid Gogolin ist Erziehungswissenschaftlerin und forschte zu sprachlicher | |
Bildung und Mehrsprachigkeit. Sie befürwortet das Anliegen des Türkischen | |
Lehrervereins. „Türkisch ist erstens eine Sprache, die sich lohnt, sie als | |
Fremdsprache zu lernen, weil das Ziel von Fremdsprachen ist, dass man was | |
über Sprache lernt“, sagt sie. Dafür sei Türkisch prädestiniert, weil es | |
anders gebaut sei als das Deutsche. Abgesehen davon habe es auch einen | |
riesigen Anwendungsbereich. | |
Sie hat mit einer Arbeitsgruppe ein Konzept erarbeitet, das sich | |
durchgängige Sprachbildung nennt. Sprachbildung müsse anders betrachtet | |
werden: „Es ist nirgends bewiesen, dass man, wenn man viele, viele Jahre | |
eine Sprache lernt, diese sehr viel besser lernt, als wenn die in kurzer | |
Zeit gut unterrichtet wird.“ | |
Gogolin spricht sich aus diesem Grund für eine flexiblere Gestaltung des | |
Fremdsprachenunterrichts aus. Die Qualität und nicht die Dauer des | |
Unterrichts sei entscheidend. Die Grundlage sprachlichen Wissens seien | |
nicht die Vokabeln, sondern das Wissen über die Konstruktionsprinzipien der | |
jeweiligen Sprache. | |
Anders als im Türkischen fehle es im Lateinischen beispielsweise an | |
SprachpartnerInnen. Deshalb wäre es eine gute Idee, den | |
Fremdsprachenunterricht in Türkisch auszuweiten. | |
3 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Karoline Gebhardt | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Türkisch | |
Fremdsprachen | |
Schule | |
Unterricht | |
lehrplan | |
Bremen | |
Sprache | |
arabisch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Forscher:innen fordern Abitur-Reform: Alle Sprachen sollen zählen | |
Eine Forschungsgruppe der Universität Bremen fordert, dass in der | |
Abiturprüfung als zweite Fremdsprache alle Sprachen zugelassen werden. | |
Herkunftssprachlicher Unterricht: Nicht mehr nur Deutschstunde | |
Je besser Kinder ihre Muttersprache sprechen, desto schneller lernen sie | |
die ihres Umfelds. Einige Bundesländer haben das verstanden. | |
Besuch einer Arabischklasse in Wedding: Der Versuch einer Annäherung | |
Arabisch hatte bisher in den Lehrerzimmern keine gute Lobby. Langsam | |
begreifen Bildungspolitiker, dass das ein großer Irrtum gewesen sein | |
könnte. |