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# taz.de -- Kindererziehung nach Trennung: „Das Finanzamt benachteiligt Nestm…
> Nina Schick betreut ihre Kinder abwechselnd mit dem Vater in derselben
> Wohnung. Vor Gericht kämpft sie um den Steuervorteil für
> Alleinerziehende.
Bild: Beim Nestmodell haben Kinder einen Wohnsitz, die Elternteile wechseln sic…
taz: Frau Schick, Sie leben nach Ihrer Trennung im Nestmodell: Die Kinder
bleiben in der Familienwohnung; Sie und der Vater wechseln sich in diesem
„Nest“ regelmäßig ab und haben jeweils eine Zweitwohnung. Sie haben das
Finanzamt verklagt, weil es Ihnen den [1][Einkommensteuerfreibetrag für
Alleinerziehend]e verweigert. Was ist Ihr wichtigstes Argument?
Nina Schick: Es ist ungerecht, Eltern im Nestmodell diesen
Entlastungsbetrag nicht zu gewähren. Dieser Steuervorteil wird ja mit den
höheren Kosten begründet, die Alleinerziehende gegenüber Paaren haben. Auch
Eltern im Nestmodell müssen mehr ausgeben, weil jeder zwei Haushalte führen
muss. Trotzdem verweigert der Staat ihnen die Steuerentlastung. Das
Finanzamt benachteiligt Nestmodell-Eltern. Besonders deutlich ist das im
Vergleich zum Residenzmodell.
taz: Dabei werden die Kinder überwiegend oder ausschließlich von nur einem
Elternteil betreut. Das ist immer noch bei den meisten [2][Kindern aus
Trennungsfamilien] so.
Schick: Genau. Hier räumt das Finanzamt den Freibetrag ein. Ich habe mal
eine Vergleichsrechnung aufgestellt, wie meine finanzielle Situation im
Residenzmodell aussähe. Das Ergebnis: Ich stünde jeden Monat um viele
Hundert Euro besser da als im Nestmodell – obwohl ich dann alle Kosten, die
wir jetzt aufteilen, alleine tragen würde. Das liegt vor allem daran, dass
ich vom Vater vollen Unterhalt für die Kinder bekäme. Und dann müsste ich
noch weniger Steuern zahlen wegen des Entlastungsbetrags. Im Nestmodell
stehe ich also finanziell schlechter da. Übrigens: Zweitwohnungssteuer muss
ich auch zahlen. Das ist in meinen Augen auch nicht der Sinn dieser Abgabe,
die ja eher als Luxussteuer gedacht ist.
taz: Wie viel würden Sie denn durch den Entlastungsbetrag für
Alleinerziehende sparen?
Schick: Fürs erste Kind gibt es einen Freibetrag in Höhe von 4.260 Euro pro
Jahr. Für jedes weitere Kind kommen 240 Euro dazu, um die das zu
versteuernde Einkommen reduziert wird. Bei mir mit drei Kindern würde das
bedeuten, dass ich jeden Monat netto gut 100 Euro mehr hätte. Das macht für
mich einen enormen Unterschied. Finanziell muss ich schon sehr darauf
achten, was ich mit den Kindern unternehmen kann und was nicht.
taz: Das Finanzgericht München hat Ihre Klage abgewiesen. Das zentrale
Argument lautete: Sie und der Vater hätten durch das Nest eine
„Haushaltsgemeinschaft“, weil Sie gemeinsam wirtschaften würden. Was sagen
Sie dazu?
Schick: Das Gericht begründet die angebliche Haushaltsgemeinschaft allein
finanziell. Dabei stellt man sich gemeinhin unter einer
Haushaltsgemeinschaft doch ein Minimum an Zusammenleben vor, oder nicht? Es
ist schließlich so, dass mein Ex-Partner und ich uns ausschließlich für die
Übergaben gemeinsam in der Wohnung aufhalten, und den Kindern zuliebe mal
zu Ereignissen wie Kindergeburtstagen. Ein gleichzeitiges Übernachten in
der Wohnung beispielsweise ist absolut undenkbar. Natürlich mussten wir
finanzielle Regelungen treffen. Die Miete und weitere Kosten teilen wir
auf. Dabei geht es aber nur um die Versorgung der Kinder. Meiner Auffassung
nach ist das Kindesunterhalt. Und über den müssen sich auch viele Eltern im
Wechselmodell einigen. Vor allem dann, wenn sie – wie wir – unterschiedlich
hohe Einkommen haben. Beim Wechselmodell betreut jedes Elternteil die
Kinder in seiner eigenen Wohnung, die Kinder ziehen regelmäßig um. Gerade
habe ich in einem Ratgeber gelesen, dass für das Wechselmodell ein
gemeinsames Kinderkonto empfohlen wird, auf das beide Eltern
unterschiedlich viel einzahlen. Da würde auch niemand von einer
Haushaltsgemeinschaft sprechen.
taz: Im Urteil heißt es: „Letztlich lebte die Familie in der
Familienwohnung weiterhin zusammen.“ Das klingt doch sehr nach
Gemeinschaft, oder?
Schick: Das klingt für mich zynisch. Da trennt man sich und es ist alles
so, so mühsam. Die Kinder sind traurig, dass es nicht mehr gemeinsame
Eltern gibt. Und dann versucht man eben so eine Lösung, die in den eigenen
Augen noch das Beste ist. Obwohl die Begegnungen mit dem Vater eine enorme
Belastung für mich sind. Und dann wird da so getan, als ob das irgendwie
weiterhin Friede, Freude, Eierkuchen sei, eine Gemeinschaft. Über diesen
Satz im Urteil habe ich mich wirklich geärgert. Kurz darauf heißt es noch
einmal, durch die Nestwohnung „sollte gerade die möglichst ungestörte
Fortführung des Familienlebens dort gewährleistet werden“. Das zu lesen,
tut weh. Nein, es ist keine Gemeinschaft mehr, sondern definitiv eine
Trennung.
taz: Warum haben Sie sich überhaupt für das Nestmodell entschieden und
nicht [3][für ein Wechselmodell]? Für Letzteres würde Ihnen das Finanzamt
den Entlastungsbetrag gewähren.
Schick: Um die Kinder zu schonen: Sie können an einem Ort bleiben, in der
bisherigen Wohnung und im gewohnten Umfeld. Sie haben dort ihre beste
Freundin, denselben Schulweg. Sie haben einfach nicht diese ständigen
Veränderungen. Ich sehe es ja an mir. Ich mache das jetzt seit fast drei
Jahren. Es ist eine enorme Anstrengung, jede Woche zu wechseln, sich neu zu
organisieren, jeden Montag einen Haushalt neu zu starten. Jedes Mal, wenn
ich denke, das ist mir aber zu viel, denke ich mir: Besser, wir Erwachsene
machen das, als dass drei Kinder hin- und herwechseln müssen.
taz: Bei vielen Nestmodellen müssen 3 Wohnungen zur Verfügung stehen. Beim
Wechselmodell nur 2 Wohnungen. Wird beim Nestmodell Wohnraum verschwendet?
Schick: Wenn Sie nur die Zahl der Wohnungen rechnen, ja. Wenn Sie die
Quadratmeter rechnen, nein. Unsere beiden Einzelwohnungen sind sehr klein.
Im Wechselmodell bräuchten wir ja bei 3 Kindern beide sehr große Wohnungen,
die dann jede zweite Woche zum Großteil leer stünden, weil die Kinder
gerade beim anderen Elternteil sind.
taz: Wollen Sie in Revision gehen?
Schick: Das ist noch offen. Das Gericht hat ausdrücklich eine Revision
zugelassen, weil es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der
Frage gebe. Ich bin aber nicht sicher, ob ich noch die Kraft und die
Ressourcen dafür habe.
taz: Haben Sie versucht, von Verbänden für Alleinerziehende Unterstützung
zu bekommen?
Schick: Ja, einmal, aber ich bin auf kein großes Interesse gestoßen. Es ist
eben ein so spezielles Modell. Mir ist noch niemand begegnet, der sich
dafür ins Zeug legen würde. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn sich
jemand mit mir solidarisiert, denn ich fühle mich sehr allein damit.
8 Apr 2025
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## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Kindererziehung
Steuervorteile
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Familientrennung
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Kinder
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