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# taz.de -- Wettsucht im Fußball: Erneut am Pranger
> Der italienische Männerfußball hat mal wieder einen Wettskandal. Das
> Perfide ist, dass sich bei Suchtprävention für Fans und Profis nichts
> getan hat.
Bild: Wieder zum Thema Wetten durch die Medien gezerrt: Wettsünder Nicolò Fag…
Der Calcio hat einen Wettskandal, mal wieder. 12 Spieler der Serie A werden
von der Mailänder Staatsanwaltschaft verdächtigt, auf illegalen Plattformen
Glücksspiele getätigt zu haben. Nationalspieler wie Sandro Tonali und
Alessandro Florenzi gehören dazu, außerdem der argentinische Weltmeister
Ángel Di María während seiner Zeit bei Juventus Turin. Heraus kam das, weil
die betroffenen Spieler ihre Wettschulden über einen Mailänder Juwelier
beglichen.
Die beliefen sich auf etwa 1,5 Millionen Euro. Spitzenreiter in dieser
Liste war Nicolò Fagioli, damals wie Di María bei Juventus Turin, aktuell
beim AC Florenz. 693.000 Euro soll allein er in Luxusuhren und
Schmuckstücke anderer Art bei dem Glitzersteineshop angelegt haben, damit
dort seine Gläubiger entweder das Geld oder die Objekte abholen konnten.
Fagiolis Name zeigt aber auch, dass vieles an diesem Skandal ein alter Hut
ist. [1][Bereits vor zwei Jahren stieß die Turiner
Antimafiastaatsanwaltschaft] bei ihren Ermittlungen zu Geldwäsche durch die
organisierte Kriminalität auf seinen Namen. Fagioli und Tonali wurden auch
sportrechtlich gesperrt, weil sie auf Fußballspiele gesetzt hatten.
Dass die beiden nun mit neuen Schlagzeilen über alte Sünden in den Medien
sind, besorgt den Psychologen und Glücksspielsuchtexperten Paolo Jarre. Er
therapierte Fagioli in den letzten anderthalb Jahren. „Es ist ein großes
Problem, das einerseits den langen Zeiten der Justiz geschuldet ist,
andererseits aber auch der Schludrigkeit der Medien.“
## „Alte Wunden aufgerissen“
Denn aus den meisten Berichten könne man nicht entnehmen, dass sich all das
auf Dinge bezieht, die vor mehreren Jahren passiert sind. „Jetzt erneut im
Zentrum der Berichterstattung zu stehen, bedeutet für einen jungen Mann wie
Nicolò Fagioli, aber auch für andere, sicherlich das Wiederaufreißen einer
Wunde, die gerade erst verheilt ist“, sagte Jarre der taz.
Fagioli selbst reagierte verletzt. Auf Instagram postete er: „Ich habe
meine Schuld gegenüber der Justiz beglichen, mit einer Verurteilung und
einer Sperre, mit fortwährenden Demütigungen und großer Scham sowie dem
Risiko, nicht mehr aufstehen zu können. Dieselbe Presse, die sich mit den
schwerwiegenden Problemen meiner Krankheit und dem Umgang damit befasste,
stellt mich jetzt erneut an den Pranger. Noch einmal: Ich trage die Last,
etwas Schlimmes getan und alle Menschen enttäuscht zu haben, die an mich
geglaubt haben. Aber wenn ich jetzt diesen ganzen Medienrummel sehe, erlebe
ich diese Geister wieder. Dieses Mal ist nichts davon fair.“
## Ausmaß der Sucht verborgen
Da hat Fagioli weitgehend recht. Das bemerkenswerteste Detail an den jetzt
veröffentlichten Erkenntnissen ist auch nicht das Zocken an sich, das
Fagioli und Tonali, die beide in therapeutischer Behandlung waren, jetzt
hoffentlich im Griff haben. Erschreckend ist vielmehr die Tatsache, dass
Fagioli insgesamt 31 Menschen, darunter Teamgefährten bei Juventus und in
den Nachwuchsnationalmannschaften, dafür gewann, für ihn die Zahlungen zu
tätigen. Er konnte so das Ausmaß seiner Spielsucht verbergen. Das ist auch
eines der klinischen Kriterien zur Diagnose des Suchtverhaltens.
Weitere sind laut Jarre „Entzugssymptome beim Aufhören, der Zwang zu immer
höheren Einsätzen, um das gleiche Maß an Zufriedenheit zu erreichen, das
Ausleihen von Geld, das Vernachlässigen anderer normaler Beschäftigungen
wie Arbeit und Familie“.
## Strukturell nichts verändert
Die perfideste Komponente des aktuellen Medienrummels ist aber, dass sich
in den letzten zwei Jahren nach dem ursprünglichen Skandal in Sachen
Suchtprävention im Fußball strukturell nichts getan hat. Weder in Italien,
wie Jarre konstatiert, noch in Deutschland. „Es gab Medienberichte, die für
das Thema Glücksspielsucht sensibilisieren. Erste Vereine wie etwa der 1.
FC Nürnberg öffnen sich für diese Thematik. Aber wir haben weder
Forschungen aktueller Art noch substanziellere Präventionsbemühungen. DFB
und DFL sind maximal passiv“, kritisiert der Bremer Glücksspielforscher
Tobias Hayer. Hayer betont, dass [2][sowohl Mitglieder von Sportvereinen
als auch Fans zur Risikogruppe im Glücksspielbereich zählen], mit einer bis
zu Faktor 3 erhöhten Wahrscheinlichkeit gegenüber der Allgemeinbevölkerung,
an der Sucht zu erkranken.
Bessere Prävention läge im Interesse des gesamten Fußballbetriebs. Und weil
mittlerweile kaum ein Verein der Bundesliga auf [3][Werbeverträge mit
Wettunternehmen] verzichten mag, wäre es ein Hebel, einen Teil dieser
Summen direkt in die Prävention der eigenen Spieler und Angestellten und
auch der Fans zu investieren.
21 Apr 2025
## LINKS
[1] /Italienischer-Fussball/!5963539
[2] /Gluecksspielsucht-bei-Fussballprofis/!6056510
[3] /Sportwetten-bei-der-EM/!6019168
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Fußball
Italien
Spielsucht
Sportwetten
Bremen
Rauchen
Fußball
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