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# taz.de -- Italienischer Fußball: Turbulenzen und Trotz
> Vor der Partie gegen England befindet sich die Squadra Azzurra im
> Aufwind. Blöderweise ist Italiens Fußball nun von einem Wettskandal
> betroffen.
Bild: Engagiert: Italiens neuer Trainer Luciano Spalletti bringt Schwung aufs S…
Die Tifosi sind erst einmal happy. „Wir hatten zwar eher ein 7:0 erwartet,
aber auch ein 4:0 ist schön“, sagte ein Fußballpapa, seinen Sprössling an
der Hand haltend, beim Verlassen des Stadio San Nicola in Bari. „Ich komme
sicher wieder ins Stadion“, strahlte ein Zehnjähriger, dessen Gesicht
stilgemäß mit den Farben der italienischen Tricolore verziert war. 4:0
fertigte Italien Außenseiter Malta ab. „Wir haben drei wichtige Punkte in
der Qualifikation geholt. Die Einstellung der Mannschaft hat mir gefallen.
An Rhythmus und Präzsion müssen wir aber noch arbeiten“, fasste Coach
Luciano Spalletti zusammen.
Das San Nicola, vom Stararchitekten Renzo Piano designt und zur WM im
eigenen Lande 1990 eingeweiht, war auch früher ein Hoffungskessel für die
Squadra Azzurra. Bei der WM 1990 gewann sie hier das kleine Finale gegen
England. 2011, im Jahr nach dem blamablen Ausscheiden bei der WM in
Südafrika, gab es ein 2:1 gegen die damals weltmeisterlichen Spanier. Auch
nach der nächsten Stunde null, dem Ausscheiden in der Vorrunde der WM 2014,
gab es in Bari mit dem 2:0 gegen den WM-Dritten Niederlande eine feine
Trotzreaktion.
Danach allerdings wurde es noch finsterer. 2018 [1][und 2022 scheiterte
Italien] bereit in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Und in
diesem Sommer löste [2][Europameister-Macher Roberto Mancini] mit seiner
vor allem vom Geld getriebenen Flucht nach Saudi-Arabien die nächste Krise
aus.
Die schien sich sogar noch zu vertiefen. Denn am Donnerstag letzter Woche
tauchte die Polizei im Trainingsquartier Coverciano auf und verhörte die
Nationalspieler Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo. Sie sollen auf illegalen
Plattformen gewettet haben. Tonali gab später unter Tränen zu, an
Spielsucht zu leiden. Über seine Anwälte ließ er mitteilen, niemals auf
Fußballspiele gewettet, sondern lediglich Poker und Blackjack gespielt zu
haben.
## Verdächtige Handy-Spuren
So lautet auch die Verteidigungsstrategie Zaniolos. Gegen den steht
allerdings der Verdacht im Raum, er habe in seiner Zeit beim AS Rom sogar
auf der Bank sitzend auf ein Pokalspiel seines Vereins gewettet.
Das behauptet zumindest Fabrizio Corona. Der ist eine schillernde Gestalt.
Als „König der Paparazzi“ verkaufte er seine Bilder von Prominenten nicht
nur an Glamourmagazine. Mit kompromittierenden Fotos erpresste er einige
von ihnen auch – und wurde zu insgesamt 13 Jahren und zwei Monaten Haft
verurteilt.
Kontakte in die Halbwelt und in die Glamourwelt hat er weiter. Von ihm kam
auch der Hinweis auf den ersten verdächtigen Spieler, Juventus-Profi Nicolò
Fagioli. Der gab nach Verhören durch die Turiner Antimafiastaatsanwältin
Manuela Pedrotta schließlich zu, auf Fußballspiele gesetzt zu haben. Aus
den Chat-Verläufen seines Handys führten Spuren zu Zaniolo und Tonali.
Leonardo Bonucci, der bei Juventus brüsk degradiert wurde und so
[3][spektakulärer Neuzugang des 1. FC Union Berlin] wurde, taucht der
Tageszeitung Repubblica zufolge in den Chats ebenfalls auf. Allerdings nur
als jemand, der von der Spielsucht seines damaligen Teamkollegen gewusst
habe.
Wie groß der Umfang der illegalen Aktivitäten ist, was davon strafbar ist
bei der Sportgerichtsbarkeit und bei der Strafjustiz und ob sogar
Manipulationen von Spielen vorgenommen wurden wie beim großen Wettskandal
des Jahres 2011, muss jetzt von der Turiner Staatsanwaltschaft ermittelt
werden. Für das Benutzen illegaler Plattformen fallen Geldstrafen bis zu
einer halben Million Euro und Haftstrafen bis zu drei Monaten an. Sollten
den Profis Fußballwetten nachgewiesen werden, sieht das italienische
Sportrecht Sperren von mindestens drei Jahren und Geldstrafen ab 25.000
Euro vor.
Auf die nach Bari gereisten Nationalspieler hatten die Turbulenzen offenbar
stimulierende Wirkung. Lange sah man die Squadra Azzurra nicht so
engagiert zu Werke gehen. Jetzt gilt es, den Schwung beim
Aufeinandertreffen am Dienstag mit England mitzunehmen. Unklar allerdings
ist, ob noch weitere Ausfälle wegen illegaler Wetten zu kompensieren sind.
Bis zu 30 Beteiligte soll es nach Spekulationen italienischer Medien geben.
Reichlich Potenzial für weitere Trotzreaktionen auf dem Rasen.
17 Oct 2023
## LINKS
[1] /Italien-nicht-beim-Turnier-in-Katar/!5841223
[2] /Italienischer-Fussball-nach-dem-EM-Sieg/!5794648
[3] /Union-Berlin-in-der-Champions-League/!5958478
## AUTOREN
Tom Mustroph
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